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Alter Hase im Europageschäft

Bernd Riegert, Brüssel1. Januar 2005

Anfang Januar 2005 übernahm Luxemburg die EU-Präsidentschaft. Für sechs Monate führt Jean-Claude Juncker die Geschicke der Union. Er wird sich vor allem mit heiklen Finanzfragen beschäftigen müssen.

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Juncker: dienstältester Regierungschef in der EUBild: AP


Mit höchstem Segen übernimmt der christdemokratische Premierminister Jean-Claude Juncker den Vorsitz in der Europäischen Union. Der Papst lobte vor einigen Tagen die Verdienste Luxemburgs bei der europäischen Einigung in den höchsten Tönen. Bereits zum elften Mal gibt das winzige Großherzogtum im Dreiländereck Belgien, Deutschland, Frankreich den Kurs der EU vor.

Zehntes Amtsjubiläum

Luxemburg gehörte zu den Gründungsmitgliedern und Jean-Claude Juncker bringt viel Erfahrung mit. Der 50-jährige feiert im kommenden Frühjahr sein zehntes Amtsjubiläum und ist damit der dienstälteste Regierungschef in der EU. Juncker ist beliebt, weil er Kompromisse schließen kann, auch wenn er manchmal mit seinem nuschelnden Tonfall etwas knurrig wirkt.

Reform des Stabilitäts- und Wachstumpakts

EU Finanzminister in Brüssel
Jean-Claude Juncker im Gespräch mit Hans EichelBild: AP

Jean-Claude Juncker, der auch Finanzminister seines Landes ist, will im Frühjahr den Stabiltäts- und Wachstumspakt reformieren. Der Pakt soll für niedrige Schulden und einen stabilen Euro sorgen, doch im vergangenen Jahr sorgte der Pakt vor allem für Streit zwischen der EU-Kommission und den Defizitsündern Deutschland und Frankreich. "Der Stabilitätspakt wird mit denselben Regeln angewendet wie bisher, aber abhängig von der jeweiligen Phase im Konjunkturzyklus. Die Regeln müssen bei gutem und schlechten Wachstum angepasst werden", erklärt Juncker.

Vorsitz der EURO-Gruppe

Mehr Nachsicht für Defizitsünder also und eine neue Berechnungsgrundlage für den Schuldenstand schweben dem Luxemburger als Kompromissformeln vor. Jean-Claude Juncker ist für die nächsten zwei Jahre auch noch Vorsitzender der wichtigen EURO-Gruppe, in der die Finanzminister der zwölf Staaten zusammensitzen, die den Euro als Gemeinschaftswährung eingeführt haben.

Haushaltsplanung bis 2013

Luxemburg ist als Finanz- und Bankenmetropole reich geworden. Die Europäer vertrauen darauf, dass Jean-Claude Juncker in den heiklen Finanzstreitigkeiten zwischen Geber- und Empfängerländern in der EU vermitteln kann. Bis zum Juni 2005 soll die Haushaltsplanung für die Jahre bis 2013 vorliegen. Die Nettozahler wollen den Haushalt begrenzen, während die EU-Kommission Ausgabensteigerungen vorschlägt.

Ausdehnung der Union

Während der luxemburgischen Präsidentschaft werden Bulgarien und Rumänien im April ihre Beitrittsverträge unterschreiben. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn wird auch den Startschuss für eine weitere Ausdehnung der Union geben. "Eine neue Runde der Erweiterung ist in Vorbereitung für den Balkan. Die Verhandlungen über einen Beitritt werden mit Kroatien am 17. März beginnen", erklärt Asselborn. Voraussetzung sei allerdings, dass die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien umfassend und ernsthaft durchgeführt werde.

450 Millionen EU-Bürger

Die Regierung des Großherzogtums ist normalerweise für rund 450.000 Luxemburger zuständig, so viele Menschen wie in Düsseldorf oder Nürnberg leben. Bis zum Juni werden es viel mehr sein, nämlich die 450 Millionen EU-Bürger. Doch das mache, so Außenminister Asselborn, für die alten Hasen im Europageschäft keinen großen Unterschied.

Juncker bald EU-Präsident?

In Brüssel wird vermutet, dass Jean-Claude Juncker die nächsten sechs Monate als Empfehlung für höhere Weihen nutzen möchte. Er gilt als aussichtsreicher Kandidat für das neue Amt des für zweieinhalb Jahre wirkenden EU-Präsidenten, den die EU-Verfassung vorsieht, die in den kommenden zwei Jahren ratifiziert werden soll. Den Posten des Kommissionspräsidenten an der Spitze der Verwaltung hatte der Christdemokrat im Sommer ausgeschlagen.