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GesellschaftDeutschland

Alkohol bei jungen Leuten: Der Rausch ist zurück

6. November 2024

Der Corona-Knick beim Alkoholkonsum war nur von kurzer Dauer: Viele junge Menschen in Deutschland - besonders Männer - greifen wieder vermehrt zu Alkohol. Vor allem das sogenannte Rauschtrinken bereitet Experten Sorge.

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Mehrere Menschen in gelb-blauet Kleidung gie0en sich ein Getränk in kleine Schnapsgläser ein
Anstoßen mit Schnaps: Einige betrinken sich bis zur Besinnungslosigkeit...Bild: Fabian Strauch/dpa/picture alliance

Rund 30 Mal im Jahr rückt Viktoria Joelle Moll Richtung Krankenhaus aus - und besucht Jugendliche und junge Erwachsene, die nach exzessivem Alkoholkonsum medizinische Hilfe brauchen. An Halloween und Karneval sind sie und ihre Kolleginnen und Kollegen besonders gefragt. Schon am Morgen rufen sie bei den Kliniken an und fragen nach, wer in der Nacht eingeliefert wurde - und ob sie für ein Gespräch kommen dürfen. "Unsere Erfahrung in den Krankenhäusern ist: Da wird niemand eingeliefert, weil er nur zu viel Bier getrunken hat. Es geht um hochprozentige Sachen im Mix mit Limonaden", sagt sie der DW.

Die Pädagogin arbeitet für Update, eine Fachstelle für Suchtprävention und die Beratung von Kindern, Jugendlichen und Eltern, betrieben von der evangelischen Diakonie und der katholischen Caritas in Bonn. Zahlreiche Gespräche, die Vermittlung von Hilfen und Workshops in Schulen sollen junge Menschen davon abhalten, sich exzessiv zu betrinken. "Je jünger die Menschen, desto wichtiger ist es für sie, nicht nur um Drogen, Alkohol und ihre Wirkung zu wissen, sondern auch zu lernen, Nein zu sagen, sich ohne Drogen entspannen zu können und sich im Leben zu behaupten", sagt Moll.

Konsum wieder auf Vor-Corona-Niveau 

Seit dem Ende der Corona-Zeit hat der exzessive Alkoholkonsum unter jungen Menschen in Deutschland wieder zugenommen. Laut Umfragedaten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat das sogenannte Rauschtrinken in der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren fast wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Vor allem junge Männer trinken wieder deutlich mehr.

In einem Null-Prozent-Späti im Bergmannkiez stehen alkoholfreien Spirituosen im Regal.
....andere schwören dem Alkohol ab und trinken lieber alkoholfrei Bild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Laut der Bundeszentrale gaben rund 46 Prozent der Befragten an, bis zum Vollrausch zu trinken. Bei den jungen Frauen ist es mit 32 Prozent immerhin fast ein Drittel. Auch bei Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren nahm exzessives Trinken wieder etwas zu. Bei den Jungen erklärten rund 17 Prozent, dass sie bis zum Rausch getrunken hätten, bei den Mädchen etwa zehn Prozent. 

Unter Rauschtrinken verstehen Experten den Konsum von mindestens fünf Gläsern Alkohol, bei Frauen vier. Für die regelmäßige "Drogenaffinitätsstudie" der Bundeszentrale wurden den Angaben zufolge zwischen April und Juni 2023 etwa 7000 junge Menschen befragt.

Alkohol - Teil der "Checkliste des Lebens"

"Es ist verständlich, dass die Zahlen hoch gehen, weil während der Corona-Pandemie der öffentliche Raum abgeschnitten war. Das war nach der Pandemie zu erwarten", sagt Moll von der Bonner Fachstelle.

Für den Alkoholkonsum unter jungen Leuten gibt es viele Ursachen: "Eine der Hauptgründe ist die schnelle und leichte Verfügbarkeit von Alkohol, vor allem auch im Vergleich mit anderen Ländern", sagt Moll. 18-Jährige dürfen in Deutschland jeden Alkohol kaufen und öffentlich trinken. Mit 16 oder 17 Jahren ist es bereits erlaubt, Bier oder Wein zu kaufen und zu trinken. Damit gehört Deutschland zu den Ausnahmen in Europa: Neben der Bundesrepublik ist der Konsum in nur vier weiteren europäischen Ländern ab 16 erlaubt - in Belgien, Österreich, Dänemark und Luxemburg.

Welche Rolle spielt Alkohol im Leben der Deutschen?

"Außerdem wird es in unserer Gesellschaft in verschiedenen Situationen und Feiern so auch vorgelebt", sagt Moll. "Es gehört dazu und Jugendliche erzählen bei Workshops auch, dass sie mit 18 Jahren endlich trinken wollen. Als wäre es etwas, was auf der Checkliste des Lebens dazu gehört."

Der erste Schluck kommt später

Trotz der zunächst alarmierend klingenden Zahlen gibt es auch positive Nachrichten: Der regelmäßige Alkoholkonsum ist laut Studie weniger attraktiv. Nur etwa 39 Prozent der 18- bis 25-jährigen jungen Männer gaben an, mindestens einmal die Woche zu trinken. Bei den Frauen waren es 18,2 Prozent. Unter den Jungen und Mädchen waren es nochmal deutlich weniger.

Der Zeitpunkt, ab dem Alkohol eine Rolle spielt, hat sich seit 2004 zudem um ein Lebensjahr nach hinten verschoben: Das erste Glas trinken Jugendliche nun mit gut 15 Jahren statt wie damals mit 14. Den ersten Rausch haben Jugendliche inzwischen mit 16,2 Jahren statt mit 15,5 Jahren.

Auch Moll berichtet, dass die Anzahl der Räusche zwar wieder zugenommen habe - sich aber immer noch unter dem Niveau von vor einigen Jahren bewege. "Unsere Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen im Krankenhaus sind weiterhin eher rückläufig." 

Hinzu kommt: Eine Einlieferung ins Krankenhaus ist für viele erstmal ein heilsamer Schock: "Wir machen die Erfahrung, dass für die meisten schon alleine der Krankenhausaufenthalt Denkzettel genug ist. Nach den meisten Gesprächen kann man sich ziemlich sein: Das wird denen im Leben nicht nochmal passieren."

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft