Alice Weidel und Elon Musk bei X: Symbolik statt Substanz?
10. Januar 2025Elon Musk behauptete gleich zu Beginn des Gesprächs, Alice Weidel sei "nach Umfragen" die beliebteste Kanzlerkandidatin in Deutschland.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa von Ende Dezember lag Weidel tatsächlich einmal an der Spitze. Nach dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend vom 9. Januar belegt Weidels Partei allerdings mit 20 Prozent Platz zwei - weit hinter der christdemokratisch-konservativen Union aus CDU und CSU mit 31 Prozent. Aus dieser Umfrage geht außerdem hervor, dass nur 20 Prozent der Deutschen mit Weidels derzeitiger Leistung zufrieden sind.
Weidel bezeichnet Adolf Hitler als Kommunisten
Es folgte ein 70-minütiges Gespräch im Live-Stream in einem X Space, das gelegentlich durch sprachliche Missverständnisse erschwert wurde und in dem es mehrere mindestens irreführende Behauptungen gab. So sagte Musk, dass Diebstahl in Kalifornien legal sei, während Weidel darauf bestand, dass Adolf Hitler ein Kommunist gewesen sei. Unterbrochen vom Lachen über die Witze des jeweils anderen diskutierten sie auch über die Energieversorgung Deutschlands, die Vorzüge der Atomkraft, über Einwanderung, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten.
Musk zeigte sich zuversichtlich, dass Trump diese Kriege schnell beenden werde, während Weidel eine angebliche Misswirtschaft Deutschlands in den letzten zwei Jahrzehnten kritisierte. Beide stimmten darin überein, dass der bürokratische Aufwand für Unternehmen, die in Deutschland expandieren wollen, zu groß sei. Etwas, das Musk mit seiner Tesla-Gigafabrik bei Berlin bereits erlebt hat. Allerdings räumte er ein, dass sowohl die Landes- als auch die Bundesregierung die Fabrik sehr unterstützt hätten.
Musk und Weidel verbrachten einen Großteil des Gesprächs damit, die Behauptungen des jeweils anderen zu bestätigen. Die einzige kleine Meinungsverschiedenheit deutete sich am Anfang des Gesprächs an. Weidel kritisierte die Energiepolitik der Bundesregierung und vor allem die der Grünen, die sich auf erneuerbare Energien konzentriert. Musk erklärte daraufhin, dass er an die Vorteile erneuerbarer Energien glaube. Daraufhin schwenkte Weidel um und sprach von Technologieoffenheit, die sie anstrebe. Beide waren dann der Meinung, dass Deutschland seine Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen müsse.
Musk lobt AfD erneut als Rettung für Deutschland
Die große Frage für Weidel ist jedoch, ob das Gespräch ihr im Wahlkampf für die Bundestagswahl am 23. Februar helfen könnte: Obwohl Musk seine Unterstützung für die Partei wiederholte und erneut betonte, dass nur die AfD Deutschland "retten" könne, bezweifeln politische Beobachter, dass Weidel einen bedeutenden Eindruck hinterlassen hat.
"Um ehrlich zu sein, bin ich ein wenig erstaunt, wie schlecht ihr Auftritt war", sagt der deutsche politische Kommunikationsstratege und Gründer der Beratungsfirma People on the Hill, Bendix Hügelmann, der DW. "Dies war ein großer Moment, aber ich denke, sie hat die Gelegenheit völlig verpasst, die sich ihr bot, um ihr öffentliches Profil zu schärfen und den Eindruck eines hochgebildeten, super-anspruchsvollen neuen Prototyps einer rechten Politikerin zu erwecken."
Hügelmann zeigt sich auch überrascht über die Schwierigkeiten, die Weidel hatte, sich auf Englisch auszudrücken. "Sie hat nicht schlecht gesprochen, verstehen Sie mich nicht falsch", sagt er. "Aber ich denke, für ein 70-minütiges Gespräch mit Herrn Musk hätte sie sich ein bisschen besser vorbereiten können."
Ein "Joe-Rogan-Moment" für Alice Weidel?
Die Veranstaltung sei, so Hügelmann, nicht vergleichbar mit Donald Trumps Auftritt im prominenten Podcast von Joe Rogan während des US-Wahlkampfs, als der republikanische Kandidat entspannter wirkte, als viele ihn zuvor gesehen hatten, und drei Stunden lang ein großes Online-Publikum erreichen konnte.
"Ich glaube, das Joe-Rogan-Interview mit Donald Trump lebte von diesem sehr lockeren Ton, den beide gefunden haben, aber nach meinem Eindruck hatte Frau Weidel Schwierigkeiten, diesen amerikanischen Stil zu treffen, um einen guten Gesprächsfluss zu bekommen", sagt Hügelmann. "Sie hatte eine sehr akademische Herangehensweise, was in großem Kontrast zu der Art und Weise stand, wie Herr Musk seine Argumente präsentierte. Aber ich würde das vielleicht mit der Sprachbarriere erklären."
Gespräch richtete sich eher an das US-Publikum
Nach Angaben von X verfolgten rund 200.000 Menschen das Gespräch live, wobei die Zahlen gegen Ende, als der Vortrag in Musks Pläne für die Weltraumforschung abdriftete, zu sinken begannen.
Aber vielleicht kann Weidel den Vortrag trotzdem als Erfolg verbuchen. Für Philipp Adorf, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, bestand der Hauptzweck der Veranstaltung für Weidel nicht darin, ein deutsches Publikum zu überzeugen, sondern sich dem US-amerikanischen Publikum und den künftigen rechtsgerichteten Regierungsmitgliedern in Washington vorzustellen.
"Ich glaube, das war der Versuch, die Fühler in die Vereinigten Staaten etwas stärker auszustrecken - dass man vielleicht auch mit Mitgliedern der Trump-Regierung zusammenarbeiten kann oder zumindest als Partner in Europa gesehen wird", sagt Adorf der DW.
Wie erfolgreich dies sein wird, bleibt offen: Entgegen Gerüchten in den sozialen Medien im Vorfeld der Veranstaltung ist Weidel nicht in die USA gereist, um mit Musk zu sprechen und möglicherweise an der Amtseinführung von Trump am 20. Januar teilzunehmen. Bei der X-Veranstaltung handelte es sich um einen reinen Audio-Chat, an dem Weidel von ihrem Büro in Berlin aus teilnahm.
Mehr Weltraumforschung als Einwanderung
Weidel wiederholte viele ihrer bekannten Argumente - dass Angela Merkel (CDU) in Wirklichkeit die erste "grüne" Bundeskanzlerin gewesen sei und dass sie Deutschland durch das Offenhalten der Grenzen für Flüchtlinge ruiniert habe. Nach Einschätzung von Adorf hätte sich Weidel wohl mehr Zeit gewünscht, um über die innenpolitischen Probleme Deutschlands zu diskutieren.
"Aus Weidels Sicht könnte es enttäuschend gewesen sein, dass sie relativ wenig über das Hauptthema der AfD gesprochen haben: Zuwanderung", sagt er. "Am Anfang hat sie sich ein bisschen in der Diskussion über die Energiepolitik verheddert, was vielleicht für ein größeres Publikum nicht so interessant ist."
Mehr Erfolg hatte Weidel laut Adorf dabei, die AfD als eine gemäßigte Partei zu präsentieren, die lediglich Forderungen stellt, die früher von Mitte-Rechts-Parteien gestellt wurden. Aber alles in allem wirkte das Gespräch auf ihn "ein bisschen unorganisiert - das hat man am Ende gesehen, als hauptsächlich Weidel die Fragen stellte und von Elon Musk wissen wollte, wie er zu verschiedenen Dingen steht", so Adorf.
In diesem späteren Teil des Gesprächs drifteten die beiden in philosophische Themen ab, was darin gipfelte, dass Weidel Musk fragte, ob er an Gott glaube. Der Science-Fiction-Fan sagte, er vertrete einen auf der Physik basierenden Ansatz zur Göttlichkeit, bevor er im Alter von 12 oder 13 Jahren eine existenzielle Krise hatte, die durch die Lektüre von Douglas Adams' 1979 erschienenem Roman 'Per Anhalter durch die Galaxis' gelöst wurde. "Das brachte mich zu dem Schluss, dass wir die Tiefe unseres Bewusstseins erweitern sollten, damit wir besser in der Lage sind, zu wissen, welche Fragen wir zu den Antworten auf das Universum stellen müssen", sagte Musk. "Wir sollten die Art von Maßnahmen ergreifen, die zu einem besseren Verständnis des Universums führen."
An diesem Punkt schien Weidel überwältigt zu sein: Sie beendete das Gespräch und bezeichnete seine letzten Worte wiederholt als "wunderschön". Ob allerdings ihre Erwartungen an das Gespräch erfüllt werden, steht in den Sternen.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.