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Albanische Zeitung: Albanien braucht einen Saakaschwili

8. Januar 2004
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Tirana, 7.1.2004, KOHA JONE, alban.

Von den sich dahinschleppenden Veränderungen, der Korruption und den wiederholten Wahlfälschungen desillusioniert, stimmten die Georgier für einen 36jährigen Anwalt, der nun die Reformen vorantreiben und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat wieder herstellen soll. Georgiens neuer Präsident Saakaschwili hat 85 Prozent der Wählerstimmen erhalten, und eines der wichtigsten Versprechen, die er gegeben hat, war, der Korruption ein Ende zu setzen. Im benachbarten Russland hat Präsident Putin mit der Bestrafung skrupelloser Geschäftsleute begonnen, die von der zweifelhaften Privatisierung nicht nur profitiert haben, sondern durch das Nichtzahlen von Steuern gegen die Gesetze eines Rechtsstaates verstoßen haben.

Albanien stellt Georgien und Russland in beiderlei Hinsicht in den Schatten. Wir haben eine Regierung, die nur einer Handvoll von Leuten im Regierungskabinett dient; wir haben "bisnesmeny", die nicht wissen, wo sich die Steuerbehörden befinden; wir haben eine Regierung, die die Stimme des Volkes ignoriert; wir haben ein politisches System, das daran gewöhnt ist, nur den eigenen Interessen zu dienen; wir haben Politiker, die nichts repräsentieren und sich nur in Bewegung setzen, wenn es um die Interessen derer geht, von denen sie bezahlt werden. Wir haben ein Land mit armen Städten. Und würde Migjeni (Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert - MD) noch leben, hätte er genügend Stoff, um 30 Jahre darüber schreiben zu können. Die Strom- und Telefongebühren sind beträchtlich gestiegen. Außer der KESh-Leitung (KESh: Elektrizitätsgesellschaft Albaniens - MD) hat niemand genügend Mut, dem Volk zu erklären, warum die Preise in astronomische Höhen klettern.

Es ist nicht so, dass die Albaner nicht auf die Straße gehen. Sie haben es Hunderte Male getan, unsere Politiker haben jedoch die Bedeutung der Straßenproteste verwässert. Sogar der sensibelste aller Proteste, der Hungerstreik, ist zur Parodie geworden.

Immer wenn es Krisen gibt ähnlich dem, was wir zur Zeit erleben, sind die Menschen bereit zu explodieren, vorausgesetzt, sie sehen, dass es jemanden gibt, der für ihre Interessen eintritt. Die Proteste, die kurz davor sind auszubrechen, könnten noch vor ihrem Beginn im Keim erstickt werden, wenn sie von abgehalfterten Politikern angeführt werden. Sollen die albanischen Politiker doch ihre Diskussionen darüber, ob eine neue Partei gegründet werden sollte oder nicht, ob neue Bündnisse geschlossen werden sollten oder nicht und ob für einen bestimmten Minister gestimmt werden sollte oder nicht fortsetzen. Die albanischen Proteste warten auf einen neuen Saakaschwili. Oder, um es genauer zu sagen, die Menschen müssen sich auf die Straße begeben, und unter ihnen wird sich sicherlich ein 36jähriger Anwalt finden, der die albanischen Politiker und die Politik dazu zwingen kann, abzutreten, nachdem das albanische Volk bis aufs Mark verletzt worden ist. Es ist inzwischen einige Zeit vergangen, seitdem in den Medien ein junger Anwalt aufgetaucht ist, um die Rechte der Bürger zu verteidigen. Wir leben aber in einem Land, in dem Regierungsbeamte alles ignorieren.

Die einzige Sprache, die wir kennen, ist die des Drucks und der Gewalt. Wenn der junge Anwalt tatsächlich die Rechte der Bürger verteidigen will, dann ist er gut beraten, wenn er sein Büro verlässt und sich auf die Straße begibt. (TS)