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Aktuell: Starben russische Piloten bei Wagner-Aufstand?

25. Juni 2023

Nach Angaben prorussischer Blogger sind mehrere Piloten beim Aufstand der Wagner-Söldner gestorben. Im Staatsfernsehen betont Kremlchef Putin, der Militäreinsatz in der Ukraine habe höchste Priorität. Ein Überblick.

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Russland | Wagner-Söldner ziehen sich aus Rostow am Don zurück
Wagner-Söldner ziehen sich aus Rostow am Don zurückBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Prorussische Blogger: Mehrere russische Piloten starben bei Wagner-Aufstand
  • Blinken: Wagner-Aufstand zeigt Risse in Putins Macht
  • Putin: Militäreinsatz in Ukraine hat Top-Priorität
  • Wagner-Söldner werden nicht bestraft
  • Ukrainische Armee meldet Geländegewinne im Donbass

 

Beim Aufstand der Wagner-Söldner sind nach Angaben prorussischer Militärblogs mehrere Piloten der russischen Luftwaffe ums Leben gekommen. Die Angaben zur Zahl der Todesopfer schwankten zwischen 13 und mehr als 20 Soldaten, wie das unabhängige Internetportal currenttime am Sonntag berichtete. Insgesamt seien von der Privatarmee des Geschäftsmanns Jewgeni Prigoschin sechs Hubschrauber und ein Aufklärungsflugzeug abgeschossen worden. Von den russischen Behörden gab es dafür keine Bestätigung. Die Angaben waren von unabhängiger Seite zunächst nicht zu überprüfen.

Unter den abgeschossenen Helikoptern seien auch drei für die elektronische Kampfführung genutzte Mi-8, an denen es an der Front ohnehin mangele, klagte der Militärblog Rybar. Zudem sei ein Transportflugzeug vom Typ Il-18 zum Absturz gebracht worden an dessen Bord eine Kommandostelle eingerichtet gewesen sei. Alle Crewmitglieder seien ums Leben gekommen. Die Verluste der Luftwaffe seien damit höher als während der ukrainischen Gegenoffensive an der Front. Prigoschin hatte am Samstagabend erklärt, den Aufstand unblutig beendet zu haben.

Blinken: Wagner-Aufstand zeigt Risse in Putins Macht

US-Außenminister Antony Blinken sagte dem US-Sender CNN, der inzwischen beendete Aufstand der Söldnergruppe werfe "eindeutig neue Fragen auf, mit denen Putin umgehen" müsse. "Die Tatsache, dass es jemanden im Inneren gibt, der Putins Autorität direkt in Frage stellt, direkt die Prämissen in Frage stellt, auf deren Grundlage er diese Aggression gegen die Ukraine startete, das ist an sich schon etwas sehr, sehr Mächtiges." Der Aufstand zeige Risse in Putins Machtgefüge, die vorher nicht da waren.

Nach Blinkens Einschätzung sind die Turbulenzen in Russland auch nach dem Einlenken der Wagner-Söldner nicht vorbei. Es könne sein, dass diese noch Wochen und Monate anhielten. Blinken betonte, dass es sich bei den Vorgängen um eine "interne Angelegenheit" Russlands handele. Die Regierung von Präsident Joe Biden hielt sich mit öffentlichen Einschätzungen zu den Entwicklungen in Russland bislang auffällig zurück - wie andere Regierungen im Westen auch.

Putin: Militäreinsatz in Ukraine hat höchste Priorität

Am Tag nach dem Vormarsch der Wagner-Söldner Richtung Moskau, strahlt das russische Staatsfernsehen ein Interview mit Russlands Präsident Wladimir Putin aus. Aufgezeichnet wurde das Interview offenbar vor dem Aufstand der Wagner-Gruppe. Putin äußert sich darin überzeugt, dass Russland alle Pläne und Aufgaben im Zusammenhang mit seinem militärischen Vorgehen in der Ukraine erreichen werde. Die "militärische Spezialoperation" habe höchste Priorität, sagte Putin in Interview-Auszügen, die vom TV-Sender Rossija gesendet wurden. Auf die Frage, wie viel Zeit er dafür aufwende, sagte Putin: "Ich beginne und beende meinen Tag damit". Das vollständige Interview sollte später im Laufe des Tages ausgestrahlt werden. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird in Russland noch immer offiziell als "militärische Spezialoperation" bezeichnet.

Russland | TV Ansprache Putin
Präsident Wladimir Putin zeigt sich zuversichtlich, dass Russlands Pläne zur Ukraine aufgehenBild: Gavriil Grigorov/Sputnik/Kremlin/REUTERS

Kreml bestätigt: Kein Strafverfahren gegen Prigoschin

Das Strafverfahren gegen den Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, wegen des bewaffneten Aufstands gegen die Militärführung wird eingestellt. Eine entsprechende Vereinbarung mit Prigoschin bestätigte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Auch die Kämpfer der Wagner-Truppe sollen angesichts ihrer Verdienste an der Front in der Ukraine nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Zuvor hatte der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko Prigoschin nach eigenen Angaben dazu gebracht, seinen Aufstand aufzugeben. Prigoschin selbst äußerte sich nicht unmittelbar dazu. Kurz zuvor hatte er aber angekündigt, den Vormarsch seiner Einheiten auf die russische Hauptstadt Moskau zu stoppen.

Kreml-Chef Wladimir Putin hatte die aufständischen Wagner-Söldner zunächst in einer Fernsehansprache als "Verräter" bezeichnet. Diese würden "unweigerlich bestraft". 

Prigoschin geht nach Belarus

Teil des Deals mit Prigoschin ist auch, dass der Wagner-Chef nach Belarus zieht. Putin habe sich in einem Telefonat mit Lukaschenko dankbar gezeigt dafür, dass sein früherer Vertrauter in das Nachbarland gehen könne, sagte Kremlsprecher Peskow. Dadurch sei ein Blutvergießen verhindert worden.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin wird in einem SUV aus Rostow am Don gebracht
Prigoschin (l.) wird in einem SUV aus Rostow am Don gebrachtBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Es sei aber nicht klar, womit sich Prigoschin künftig beschäftigen werde. Der Geschäftsmann verdiente bisher Milliarden durch Aufträge des russischen Machtapparats.

Wagner- und Achmatkämpfer ziehen ab

Angehörige der Wagner-Truppen haben die südrussische Stadt Rostow am Don verlassen. Die Lastwagenkolonnen mit den Söldnern, begleitet von Panzern und Gefechtsfahrzeugen, kehrten in der Nacht zum Sonntag in ihre Feldlager außerhalb der Stadt zurück, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf Gouverneur Wassili Golubjow. Die Kämpfer hatten in der Stadt Militäreinrichtungen besetzt, unter anderem das Hauptquartier des russischen Militärbezirks Süd - eine Kommandozentrale für den Krieg gegen die Ukraine.

Ein Video der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA soll zeigen, wie Söldner-Chef Prigoschin das örtliche Militärhauptquartier verlässt. Auf den über Telegram verbreiteten Aufnahmen ist demnach sein Aufbruch in einem SUV zu sehen.

Der Befehlshaber der tschetschenischen Achmat-Kämpfer, Apti Alaudinow
Der Befehlshaber der tschetschenischen Achmat-Kämpfer, Apti Alaudinow Bild: Alexander Reka/TASS/IMAGO

Auch die tschetschenischen Spezialeinheiten der Achmat-Gruppe sind nach einem TASS-Bericht wieder aus Rostow abgezogen. Die Kämpfer von Kommandeur Apti Alaudinow waren demnach in die Region verlegt worden, um einen Vorstoß der Wagner-Gruppe abzuwehren. Das russische Verteidigungsministerium hatte vor kurzem die Achmat-Gruppe des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow per Vertrag unter seine Kontrolle gebracht. Wagner-Chef Prigoschin hatte eine Unterschrift dagegen verweigert.

Beeinträchtigungen zwischen Rostow und Moskau

Trotz des Endes des Wagner-Aufstandes ist der Verkehr auf der Fernstraße M4 zwischen Rostow am Don und Moskau weiterhin beeinträchtigt. Die Behinderungen beträfen das Moskauer Umland und das südlich davon gelegene Gebiet Tula, teilte die Straßenaufsichtsbehörde Awtodor auf ihrem Telegram-Kanal mit. Der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, erklärte den Montag angesichts der "schwierigen" Lage zum arbeitsfreien Tag. 

Panzer hinter einer Straßensperre in Moskau
Moskau hatte seine Sicherheitsmaßnahmen am Samstag zeitweise massiv verschärftBild: Stringer/REUTERS

In anderen Regionen wurden die Beschränkungen nach Behördenangaben inzwischen aufgehoben, so dass die M4 dort frei ist. In Rostow normalisierte sich der Verkehr wieder, wie russische Staatsmedien meldeten.

Im Machtkampf zwischen der Privatarmee und der russischen Führung waren mehrere Kolonnen gepanzerter Fahrzeuge der Söldner am Samstag aus Rostow Richtung Moskau gefahren. Um den Vormarsch zu bremsen, errichteten die regionalen Behörden eilig Straßensperren und rissen mancherorts auch die Straßen auf.

Kreml: Keine Folgen für Verteidigungsminister

Nach dem Aufstand von Söldnerchef  Prigoschin gegen die russische Militärführung sieht der Kreml keinen Einfluss auf den Fortgang des Kriegs gegen die Ukraine. Die Situation wirke sich nicht auf den Verlauf der "militärischen Spezialoperation" aus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Der Kreml nennt die russische Invasion nicht Krieg, sondern Spezialoperation.

Russischer Verteidigungsminister Sergej Schoigu an einem Schreibtisch sitzend
Russlands Verteidigungsminister Sergej SchoiguBild: Russian Defence Ministry/AP/picture alliance

Peskow sagte auch, dass ihm nicht bekannt sei, dass sich die Haltung von Präsident Putin gegenüber Verteidigungsminister Sergej Schoigu geändert habe. Personelle Veränderungen im Verteidigungsministerium seien auch nicht Teil der Vereinbarung zur Beendigung des Aufstands der Wagner-Söldner. Prigoschin hatte Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow wiederholt Unfähigkeit vorgeworfen und die beiden für die vielen Niederlagen im Ukraine-Krieg verantwortlich gemacht.

Selenskyj: In Russland herrscht Chaos

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge zeigt die Situation in Russland, dass dort niemand die Kontrolle habe. Es herrsche Chaos in Russland, erklärte er. An Russlands Präsidenten Wladimir Putin gerichtet sagte er: "Je länger Ihre Truppen auf ukrainischem Boden bleiben, desto größer wird die Verwüstung sein, die sie Russland bringen werden."

Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Selenskyj sieht einen Kontrollverlust PutinsBild: president.gov.ua

Ukrainische Armee nutzt Machtkampf für Angriffe

Am Tag des Wagner-Aufstands in Russland hat die ukrainische Armee nach eigenen Angaben im östlichen Donezker Gebiet Geländegewinne erzielt. "Die Ostgruppierung der Truppen hat heute eine Offensive an mehreren Abschnitten zugleich begonnen", schrieb Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar bei Telegram. Dabei seien die russischen Truppen um die Stadt Bachmut zurückgedrängt worden. An anderen Frontabschnitten im Luhansker und Donezker Gebiet seien Angriffe russischer Einheiten abgewehrt worden. 

Ukrainische Soldaten in einem Militärfahrzeug bei Bachmut
Ukrainische Soldaten bei Bachmut (Archivbild)Bild: Dimitar Dilkoff/AFP via Getty Images

An den Frontabschnitten in der Südukraine gehe die vor knapp drei Wochen gestartete ukrainische Offensive weiter. Es gebe harte Kämpfe mit hohen Verlusten auf russischer Seite, erklärte Maljar weiter.

Nach Angaben von Oleksandr Tarnawskij, dem ukrainischen Kommandeur an der Südfront, haben die ukrainischen Streitkräfte ein Gebiet in der Nähe von Krasnogorowka, westlich des von Russland besetzten Zentrums von Donezk, befreit. Der Kommandeur sagte, das Gebiet sei zuvor unter russischer Kontrolle gewesen, seit pro-russische Separatisten es 2014 erobert hatten.

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach Informationen britischer Geheimdienste bei ihrer Offensive "schrittweise, aber stetige taktische Fortschritte" gemacht. Die Einheiten hätten sich in den vergangenen Tagen neu formiert und größere Offensivoperationen auf drei Hauptachsen im Osten und Süden des Landes geführt, teilte das britische Verteidigungsministerium in London am Sonntag mit. Dafür nutzten sie Erfahrungen aus den ersten beiden Wochen der Gegenoffensive, um ihre Taktik für die Angriffe auf die gut vorbereiteten russischen Verteidigungsanlagen zu verfeinern. Russische Kräfte hätten ihrerseits "erhebliche Anstrengungen" für einen Angriff nahe der Stadt Kreminna im ostukrainischen Gebiet Luhansk unternommen.

qu/as/kle/sti/gri/fab (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.