Aktionskünstler Gustav Metzger gestorben
2. März 2017Sein Lebensthema war die Zerstörung - des Menschen, der Umwelt, der Welt. Seine Kunst sollte diese Bedrohung widerspiegeln. Er bearbeitete Leinwände mit Säure und überließ sie dem Fraß der Zerstörung. Er formte Außenskulpturen aus extra dünnem Metall, so dass sie in wenigen Jahren unweigerlich wegrosteten. Zwischen 1959 und 1964 schrieb Gustav Metzger insgesamt fünf Manifeste, in denen er sich mit der von ihm erschaffenen "auto-destructive art" auseinandersetzte. Unter anderem heißt es darin: "Autodestruktive Kunst ist Kunst, die ein Element in sich trägt, das innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als zwanzig Jahren automatisch zu ihrer Zerstörung führt (...) Sie ist ein Lobgesang auf die Zerstörung."
Der Holocaust - erst viele Jahre später thematisiert
Gustav Metzger ist selbst früh mit dem Thema Zerstörung in Berührung geraten. Er wurde 1926 als Sohn jüdischer Eltern in Nürnberg geboren. 1939 konnten er und sein Bruder mit einem Kindertransport nach Großbritannien ausreisen. Sein Vater, seine Mutter sowie zwei Schwestern waren bereits von den Nationalsozialisten nach Polen deportiert worden. Keinen von ihnen hat er je wiedergesehen.
"Es braucht Zeit, bis man trauern kann", sagte Gustav Metzger 2006 in einem Interview. Ein Jahr zuvor hatte er mit "Eichmann and the Angel" zum ersten Mal eine Installation präsentiert, die sich direkt auf den Holocaust bezog. Ein Raum mit einer Glaskabine, eine Replik der berühmten Kabine aus dem Eichmann Prozess, eine Wand aus Zeitungen, ein industrielles Förderband. "Es braucht Zeit anzuerkennen, dass es so war, so schlimm. Jetzt bin ich bereit, das auch in meinem Werk zu zeigen."
Politisch aktiv - und radikal
Gustav Metzger war von jeher ein überaus politischer Künstler. Er protestierte gegen Atomkraft, stellte sich zusammen mit John Lennon und Yoko Ono gegen den Vietnamkrieg, bekämpfte den Kapitalismus - und den Kunstmarkt. 1974 rief er zu einem Kunststreik auf. Drei Jahre lang sollte keine Kunst mehr produziert werden. "Die stärkste Waffe der Arbeiterschaft im Kampf gegen das System ist die Verweigerung der Arbeit; genau dieselbe Waffe können auch Künstler einsetzen. Will man das Kunstsystem zerschlagen, müssen Jahre ohne Kunst ausgerufen werden." Er selbst ging in Streik, das System lief ohne ihn weiter.
Mitte der 1970er-Jahre wurde es still um Gustav Metzger - bis er in den 1990er-Jahren wiederentdeckt und zu einem gefragten Mann wurde. So nahm er unter anderem 2003 an der Biennale in Venedig teil, 2004 wurde seine Kunst in der Tate Britain gezeigt, 2012 folgte die documenta 13 in Kassel.
Für Aufsehen sorgte zudem sein "Project Stockholm", das er 2007 auf der Biennale von Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten erstmals umsetzen konnte. Für die Installation, die Metzger ursprünglich für die UN-Umweltkonferenz im Jahr 1972 entworfen hatte, versammelte er 120 Autos, drapierte sie um ein großes Zelt, welches durch die Abgase der Autos aufgeblasen wurde. Mit dieser Arbeit hätte Metzger eigentlich an der documenta 5 (1972) teilnehmen sollen. Doch daraus wurde nichts, zu groß waren die Visionen des Künstlers, der die Autos ursprünglich nach vierzehn Tagen ins Innere des Kubus fahren lassen und - "falls bis zum Mittag des 15. die Wagen nicht in Flammen aufgegangen sind" - kleine Bomben hineinwerfen wollte. Dieser zweite Teil wurde jedoch auch in Sharjah nicht realisiert.
Vorbild für die Popkultur
Mit seiner radikalen Haltung hat Gustav Metzger nicht nur polarisiert, sondern auch viele junge Künstler inspiriert. Er hielt Vorträge und veranstaltete Symposien, darunter auch das berühmt gewordene "DIAS - Destruction in Art Symposium" (1966), bei dem der Künstler Raphael Montañez Ortiz in London ein Piano mit einer Axt zertrümmerte. Auch die legendären Gitarren-Zerstörungen von Pete Townshend von der Band "The Who" gehen auf Metzger zurück.
Im Alter von 90 Jahren ist Gustav Metzger nun in London gestorben. Auf der Webseite von "The Who" schrieb Pete Townshend am Donnerstag (2.3.), Metzger habe ihn gelehrt, dass Kunst widerspiegeln solle, "wie wir die Welt zerstören". Mit dem Gitarrenzertrümmern habe er dieses Konzept nur "beinahe" erfasst. Metzger sei nie wütend oder gewalttätig gewesen, aber "sehr wirkmächtig".