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Aktion, die nichts mit Transparenz zu tun hat

10. Dezember 2010

Die Veröffentlichung macht die Welt weder transparenter noch friedlicher oder sicherer. Sie dient alleine dazu, die Eitelkeit von Wikileaks-Gründer Julian Assange zu befriedigen.

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Marc Koch (Foto: DW)
Bild: DW

Ein Leck ist ein Loch in einem Produkt oder einem System, durch das etwas unerwünscht austritt – daraus leitet Wikileaks seinen Namen ab. Mit der jüngsten Veröffentlichung allerdings ist aus dem Leck ein Dammbruch geworden – und das geht deutlich zu weit: Die US-Botschaftsberichte haben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Sie unter dem Vorwand eines kruden Transparenz-Fetischs publik zu machen, ist dumm und verantwortungslos.

Die Folgen für die Arbeit von Botschaftern und anderen Diplomaten sind verheerend: Zu deren Job hat es schon immer gehört, Einschätzungen über Politiker und politische Entwicklungen abzugeben oder die Interessen ihrer Staaten zu vertreten. Dazu brauchen sie eine Umgebung, in der sie geschützt sind, in der Vertrauen und Diskretion herrschen. Diese Umgebung ist nach dem jüngsten Coup von Wikileaks langfristig zerstört. Kein Diplomat auf der Welt kann sich jetzt noch sicher sein, dass seine vertraulichen Gespräche, Notizen oder Berichte nicht irgendwann in der Öffentlichkeit auftauchen.

Natürlich ist es richtig, wenn verantwortungsvoll und sauber arbeitende investigative Journalisten Missstände offenlegen, politische Skandale oder gar Rechtsbrüche publik machen. Sie bekommen mehr oder weniger vertrauliches Material zugespielt, das sie gegenrecherchieren, strukturieren und einordnen können. Damit aber hat die Wikileaks-Aktion nicht das Geringste zu tun. Sie ersetzt verantwortungsbewusste Qualität durch sinnlose Quantität, wenn sie Hunderttausende von Dokumenten im Rohzustand für jeden verfügbar macht. Die Folgen sind absehbar: Zitate aus diesen Papieren werden aus dem Kontext gerissen, verfälscht oder in neuen Kombinationen wiederauftauchen und neue Schlagzeilen produzieren. Davon aber wird lediglich einer profitieren – Wikileaks selbst.

Die Veröffentlichung macht die Welt weder transparenter noch friedlicher oder sicherer. Sie dient alleine dazu, die Eitelkeit von Wikileaks-Gründer Julian Assange zu befriedigen. Ein Leck kann zum Ausfall eines kompletten Systems führen – weswegen es so schnell wie möglich geschlossen werden muss.

Autor: Marc Koch
Redaktion: Michael Borgers