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PolitikEuropa

Air Defender 23 erfolgreich: Abschreckung gegenüber Russland

23. Juni 2023

Kaum Verspätungen in der zivilen Luftfahrt durch das Manöver der NATO. Nach anfänglichen Computerproblemen waren auch die Militärs zufrieden: Die Übung sei ein Signal an Moskau.

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Amerikanischer F-15 Jet hebt zum letzten Mal während der Air Defender 23 Übung vom Fliegerhorst Hohn der deutschen Luftwaffe ab - davor Plain-Spotter beim Fotografieren.
Bye-bye, Freunde: Ein letztes Mal hebt ein amerikanischer F-15-Jet vom Fliegerhorst Hohn der deutschen Luftwaffe ab - das NATO-Manöver Air Defender 23 ist zu EndeBild: Selim Sudheimer/picture alliance

Mit diesem Erfolg haben die Luftfahrt-Profis nicht gerechnet: Die Deutsche Flugsicherung hat kaum Flugverspätungen durch das NATO-Manöver Air Defender 23 registriert. Dabei war es die größte Militärübung dieser Art seit Bestehen der NATO: 250 Militärflugzeuge, davon 100 aus den USA, mussten zusätzlich über Deutschland koordiniert werden. Dabei gilt der Himmel über Europa schon im Normalbetrieb zu den meistgenutzten Lufträumen der Welt. 

"Wir haben eine sehr viel bessere Leistung gezeigt, als wir es vorher befürchtet hatten", sagt die Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS), Ute Otterbein, im Interview mit der DW. Im Durchschnitt führte die NATO-Übung während der zwölf Übungstage zu 22.000 Verspätungsminuten, das entspricht zwei Minuten pro Flug. Im Vorfeld hatten die DFS und ihre europäische Schwester-Organisation Eurocontrol mit 55.000 bis im schlimmsten Falle sogar 95.000 sogenannten "Delayminuten" gerechnet.  

Signal der Abschreckung an Moskau

Vier Jahre lang war Air Defender 23 geplant worden. Durch "die gute Vorbereitung, tolle Kommunikation mit den Fluggesellschaften, mit den Flughäfen und besonders in der täglichen Betreuung des Manövers in der Praxis" seien massive Flugverspätungen verhindert worden, bilanziert DFS-Sprecherin Otterbein. Tatsächlich haben sich Fluglotsen aus Deutschland und Nachbarländern wie den Niederlanden gemeinsam mit den Militärs kontinuierlich abgesprochen.  

Die NATO führt das größte Luftmanöver ihrer Geschichte in Europa durch – und der zivile Flugverkehr geht ungehindert weiter: Da zeigte sich auch der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius zufrieden. Air Defender 23 sei ein deutliches Zeichen der Abschreckung gegenüber Russland.

Moskau "dürfte eine Menge unternehmen, um zu sehen und zu hören, was hier vor sich geht", sagte Pistorius kurz vor Abschluss der Übung bei einem Truppenbesuch auf dem Fliegerhorst Jagel gemeinsam mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.  

Luftwaffen-Inspekteur Gerhartz übergibt auf dem Fliegerhorst Jagel ein Modellflugzeug, ein A400 M, mit der Aufschrift Air Defender 23 an NATO-Generalsekretär Stoltenberg, in der Bildmitte: Verteidigungsminister Pistorius.
Ein Airbus A400 M für den NATO-Generalsekretär (im Bild rechts): Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (Mitte) mit dem Luftwaffen-Inspekteur GerhartzBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Air Defender 23 habe gezeigt, dass "wir verteidigungsfähig und bereit sind, dass wir übungsfähig sind, dass wir die Streitkräfte zusammenführen können und dass Deutschland als Host Nation oder in diesem Fall als Leading Nation eine zentrale Rolle dabei spielt". 

Der Erfolg verschafft dem deutschen Verteidigungsminister ein wenig Spielraum: Denn Deutschlands Militär wurde vor Putins Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 immer wieder innerhalb der NATO als zu schwach kritisiert – vor allem aus den USA.  

Der Erfolg von Air Defender 23 hilft den Deutschen jetzt zu zeigen, dass sie es ernst meinen mit der sogenannten "Zeitenwende", die der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nach Beginn von Russlands Groß-Invasion in der Ukraine ausgerufen hatte.  

Dienstverweigerung der IT-Netze

Nach Angaben der deutschen Luftwaffe wurden etwa 90 Prozent der im Vorfeld geplanten Einsätze tatsächlich auch durchgeführt, insgesamt 1808 Übungsflüge. Dass es nicht alle waren, hängt offenbar an massiven Problemen der Militärs zu Anfang der Übung.

Während die Kommunikation mit den Fluglotsen des zivilen Flugverkehrs weitgehend reibungslos verlief, wollten offenbar die unterschiedlichen Computernetzwerke der 25 Teilnehmernationen zu Beginn nicht so Recht den Befehlen ihrer Militärs folgen, sagte der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, zum Ende von Air Defender 23. "Das zeigt, dass man so etwas nicht nur simulieren kann, sondern tatsächlich üben muss", sagte der Chef der Luftwaffe.

Der Druck auf die Deutschen war innerhalb der NATO enorm: In den vergangenen Jahren war die Bundeswehr immer wieder wegen mangelnder Einsatzbereitschaft auch ihrer Luftwaffe kritisiert worden. Luftwaffen-Inspekteur Gerhartz sah die Übung als Chance zu zeigen, dass Deutschland eine komplexe, multinationale Operation "vom ersten Tag an" leiten kann. "Diese Übung, Air Defender 2023, war ein voller Erfolg", sagte er vor Reportern. "Nicht nur taktisch, sondern was mich persönlich wirklich beeindruckt hat, war die menschliche Ebene".

Zum Abschied habe es Tränen gegeben, so Gerhartz. Offenbar hat der Krieg in Europa, Russlands Angriff auf die Ukraine, die 10.000 beteiligten Soldatinnen und Soldaten des Manövers noch einmal stärker zusammengeschweißt. "Vor allem die Amerikaner waren von unserer Gastfreundschaft völlig überrascht", sagte Gerhartz.

Auf schriftliche Nachfrage der Deutschen Welle reagierte die US-Luftwaffengenerälin Allison Miller mit einem Dank an Deutschland "für die Planung, Ausrichtung und Durchführung einer großartigen, detaillierten Großübung".

"Wie bei allen Übungen streben wir nach ständiger Verbesserung", so Miller, die innerhalb der NATO für die Luftoperationen des Bündnisses zuständig ist. "Air Defender 2023 hat bewiesen, dass wir uns mit unseren NATO-Partnerstaaten zur kollektiven Verteidigung integrieren können."