Deutsche Autobauer nehmen Afrika ins Visier
6. Januar 2021Wenn es um den Automarkt geht, dann ist Afrika nur ein ganz kleines, unbedeutendes Licht im Vergleich zu China. Das ist allerdings kein Grund, die Region links liegen zu lassen, glaubt man beim deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA). Auch China war einmal sehr unbedeutend für die hiesigen Autobauer. Heute dagegen gilt: Wer erfolgreich sein will, der muss vor allem in China verkaufen.
Deutsche Autobauer wollen in Afrika investieren
Aber: Was nicht ist, kann ja noch werden. Nach diesem Motto engagiert sich die deutsche Autoindustrie zunehmend in Afrika. "Jeder große Markt hat mal klein angefangen", meint Kurt-Christian Scheel vom Verband der Automobilindustrie (VDA). Denn immerhin gebe es in Afrika noch hohe Wachstumsraten und die Automärkte seien nicht gesättigt wie in den Industrieländern. Zudem würden immer mehr Menschen in Städten leben, wodurch auch der Transportbedarf steige, meint Kappel. "Man kann davon ausgehen, dass die Nachfrage deutlich ansteigt."
So hat der VDA vor kurzem verkündet, mit dem Afrikanischen Verband der Automobilhersteller (AAAM) zusammenzuarbeiten. "Jeder Markt hat seine eigenen Herausforderungen. Deswegen ist es für uns so wichtig, auf den Märkten früh präsent zu sein, Partnerschaften und Zulieferer zu erschließen, den Vertrieb zu entwickeln und die Besonderheiten der Märkte kennenzulernen. Und das ist das, was wir zusammen mit unseren afrikanischen Partnern zusammen tun", so Scheel.
Wenig Neuwagen, viel Potenzial
Auf den ersten Blick erscheint das Potenzial für die Autobauer riesig zu sein. Zurzeit besitzen nur 44 von 1000 Afrikanern ein Auto. Zum Vergleich: in Europa sind es 602, in den USA sogar 830. Da 17 Prozent der Weltbevölkerung, also mehr als 1,3 Milliarden Menschen in Afrika leben, haben also auch in absoluten Zahlen nur sehr wenige ein eigenes Auto. So gesehen hat der Kontinent ein immenses Potenzial für den Autoabsatz. Zumal die Bevölkerung weiter wächst.
Wenn da nicht die Sache mit der Kaufkraft wäre. Schon jetzt gebe es eine Mittelschicht, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Robert Kappel von der Universität Leipzig. Die ist nach Daten der Afrikanischen Entwicklungsbank rund 300 Millionen Menschen stark. "Aber die meisten davon gehören zur unteren Mittelschicht. Sie können sich neue Autos eigentlich nicht leisten", wendet Kappel ein.
Das erklärt auch, warum rund 80 Prozent der Autos auf Afrikas Straßen alte Gebrauchtwagen aus den Industrieländern sind.
Während die über 1,3 Milliarden Chinesen 2019 fast 21 Millionen neue Pkw kauften, wurden in Afrika weniger als eine Million Neuwagen abgesetzt. Auch der Ausblick ist nicht groß. "Wenn die Voraussetzungen stimmen, liegt Afrikas Potenzial für Neuwagen bei bis zu fünf Millionen Neuwagen pro Jahr", schätzt Thomas Schäfer, der frühere Geschäftsführer von Volkswagen South Africa und Vorsitzender des AAAM.
Südafrika ist der Hauptproduzent in Afrika
Bislang werden die Pkws internationaler Konzerne nur in wenigen Ländern fabriziert. Knapp die Hälfte der produzierten Autos (rund 349.000) laufen in Südafrika vom Band - fast alle von deutschen Autobauern: BMW, Daimler und Volkswagen.
Nur wenig mehr Fahrzeuge werden in Marokko zusammengebaut. Sehr kleine Produktionsstätten finden sich außerdem in Ägypten. In Kenia produziert VW seit 2016. Daneben hat der Konzern auch Äthiopien, Nigeria und Ghana im Blick. In Ruanda testet der Volkswagenkonzern im Rahmen eines Pilotprojektes E-Mobilität.
Nicht nur Produktion, sondern auch Mobilität im Auge
Wie in den Industrieländern, geht es den Autobauern auch in Afrika nicht nur um die Produktion von Autos. "Die Frage ist, ob das eine Auto für den einen Haushalt noch die Lösung der Zukunft ist oder ob es nicht auch um neue Formen von Mobilität geht", sagt Christoph Kannengießer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Es geht also weniger darum, ob sich ein Mensch ein Auto leisten können, sondern darum, ob sich ein Mensch automobile Mobilität leisten kann.
In Kigali, der Hauptstadt Ruandas, testet VW sein Mobilitätskonzept Move. Wer kein Auto hat, kann sich eins mieten oder sie wie bei einem Taxi von einem Fahrer abholen lassen. Rund 40.000 Nutzer haben sich bereits die App Move Ride heruntergeladen. Ähnliches überlegt Volkswagen in Ghana anzubieten.
Voraussetzungen für Automarkt in Afrika
Damit der Automarkt in Afrikas Ländern in Schwung kommt, müssen bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Einen Schritt hat Marokko gemacht, in dem es den Import von gebrauchten Autos reglementiert hat und in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Auch andere Länder wie Ghana wollen nicht mehr die Flut gebrauchter, veralteter Wagen in ihr Land lassen und haben den Import von Gebrauchtwagen eingeschränkt. Ghana bietet zudem Autoproduzenten zehn Jahre Steuerfreiheit.
Wichtig für deutsche Autobauer und auch Zulieferer ist vor allem die Größe des Marktes, weil sie bestimmte Stückzahlen brauchen, damit sich die Produktion lohnt. Afrika, das sind aber 54, überwiegend kleine Länder. "Für die industrielle Produktion müssen die lokalen Nachfragen gebündelt werden", sagt Christoph Kannengießer vom Afrika Verein. "Ein Automobil-Werk für die Nachfrage eines Landes macht in Afrika keinen Sinn."
"Die Märkte sind noch sehr wenig entwickelt", sagt auch Kurt-Christian Scheel, Geschäftsführer des VDA, "auch die Infrastruktur und der Handel zwischen den afrikanischen Staaten ist derzeit noch sehr wenig entwickelt, sodass es sehr schwierig ist, die Märkte in den einzelnen afrikanischen Staaten zu bedienen."
Freihandelszone wäre Sprung nach vorne für Autoindustrie
Daher wäre es wichtig, Wirtschaftsgemeinschaften zwischen Ländern zu bilden und Handelshindernisse zu beseitigen. Die am Neujahrstag 2021 gestartete African Continental Free Trade Association (AfCFTA) könnte dabei ein Schritt vorwärts bedeuten. Der Plan: Rund 90 Prozent der Zölle sollen in den kommenden Jahren abgebaut werden. "Ich glaube schon, dass wir in acht bis zehn Jahren ganz andere Verhältnisse auf dem afrikanischen Kontinent sehen, was den einen afrikanischen Handel angeht und auch den Zugang zu Afrika als Markt, als Ganzes", glaubt Kannengießer.
Afrikanische Autobauer in Europa kaum bekannt
Allerdings könnte man sich schon fragen, ob es aus afrikanischer Sicht nicht sinnvoller ist, eine eigene Autoproduktion aufzubauen - wie es Indien oder China gemacht haben, anstatt dass ausländische Konzerne die Gewinnmargen abschöpfen. Erste Ansätze gibt es bereits. In Kenia produziert Mobius Motors robuste SUVs für den lokalen Bedarf.
In Uganga wurde 2014 Kiira Motors gegründet. Es ist zu 96 Prozent in Staatsbesitz, der Rest gehört der Makerere Universität von Kampala. Es hat bislang einen solarbetriebenen Bus, ein Elektroauto und ein Hypbridauto im Angebot.
In Nigeria produziert Innoson Vehicle Manufacturing, kurz: IVM. Und in Ghana wurde 1998 Kantanka Automobile gegründet. Das Konzept von Kantanka ist vergleichbar mit demjenigen von Innoson aus Nigeria. Das Unternehmen bezieht vorgefertigte Teile aus China. Die Endmontage erfolgt dann in der lokalen Produktionsstätte. Aber alle afrikanischen Produzenten haben eines gemeinsam: Sie produzieren homöopathisch kleine Auflagen.
Ohne das Ausland geht es kaum
Eine eigene Automobilproduktion aufzubauen, sei sehr schwierig, meint Kappel. Man brauche dafür Kooperationspartner, Ingenieure und Vertriebsstrukturen. Das zeige sich schon daran, dass nur in Südafrika, Autos vollständig produziert würden. In anderen Fabriken würden vor allem aus dem Ausland importierte Teile zusammengebaut. Kappel meint daher, es wäre für Afrika sinnvoll, dem Beispiel Chinas zu folgen, nämlich Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen zu machen. Auf diese Weise könne sich eine eigenständige Autoindustrie sich entwickeln und vor allem auch die Wertschöpfungstiefe erhöhen.
Auch beim VDA betont man, das heimische Produzenten einbezogen werden sollen. "Überall, wo es möglich ist, arbeiten wir mit afrikanischen Akteuren sowohl im Vertrieb als auch bei den Zulieferern zusammen und bemühen uns auch, das intensiv auszubauen", so Scheel. In Südafrika scheint das schon ganz gut umgesetzt worden zu sein. Hier produzieren sieben internationale Hersteller seit Jahrzehnten und haben eine vielfältige Zulieferer-Landschaft entstehen lassen, heißt es von Germany Trade & Invest (GTAI), ein bundeseigenes Unternehmen zur Förderung des Außenhandels. Zusammen beschäftigen Hersteller und Zulieferer über 110.000 Arbeitskräfte. Fahrzeuge, Kfz-Teile und Komponenten machen knapp 30 Prozent der Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes aus und trugen 2018 knapp sieben Prozent zum südafrikanischen Bruttoinlandsprodukt bei.