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African Standby Force - Starke Truppe oder Luftschloss?

Ludger Schadomsky19. Oktober 2015

Nach zwölf Jahren Vorlauf beginnt das erste Übungsmanöver der "African Standby Force". Die panafrikanische Armee soll kurzfristig bei Krisen eingreifen können. Doch wird sie den Erwartungen gerecht?

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Bild: Reuters/A. Wiegmann

Sie soll das Rückgrat der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur bilden: Mit bis zu 25.000 Soldaten soll die "African Standby Force" (ASF) künftig im Krisenfall eingreifen. Die Einführung wird seit zwölf Jahren aufgeschoben - nun steht der erste Praxistest an. Am Montag (19.10.) werden in Südafrika zum ersten Mal die Regionalkontingente auf dem Übungsplatz zusammengezogen. Das Manöver wird zeigen, ob die Eingreiftruppe bald einsatzfähig ist.

Die ASF soll sich künftig aus fünf Brigaden zusammensetzen. Sie kommen jeweils aus den fünf großen Wirtschaftsräumen des Kontinents. So entsenden die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, der zentralafrikanische Wirtschaftsverband ECCAS und die südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft SADC Soldaten. Außerdem halten die "North African Regional Capacity" in Nordafrika und die "East African Standby Force" für Ostafrika Spezialkräfte für den Krisenfall bereit.

Eine Armee für den ganzen Kontinent

"Nehmen wir ein Beispiel: Der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union beschließt die Entsendung von Soldaten, zum Beispiel nach Somalia. Wie kommt er dann an die Truppen?", spielt der Sicherheitsexperte Teferra Shiawl-Kidanekal vor. Er ist Direktor des 'Institute for Advanced Research' in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. "Wenn Bataillone benötigt werden, dann können diese Truppen aus den stehenden Krisenreaktionskräften in die Einsatzgebiete entsendet werden.“ Das erste Übungsmanöver in wenigen Tagen bedeutet den Startschuss für die stehende Eingreiftruppe, sagt Generalmajor a.D. Samaila Iliya. Er übersieht die Übung. "Dies ist die Operationalisierung der African Stand-bye Force", so der Nigerianer im Gespräch mit der DW. "Danach werden dann die einzelnen Bataillone auf Abruf bereitstehen und können bei Krisen jederzeit auf Befehl des Friedens- und Sicherheitsrates der AU zusammengezogen werden."

Eastern Africa Standby Force
Soldaten der Ostafrikanischen Stanby-Brigade bei einer Übung in Uganda 2013Bild: DW/L. Ndinda

Die regionale Schwerpunktsetzung in der Truppe habe große Vorteile, findet der Sicherheitsanalyst Hallelujah Lulie. Die ASF biete die willkommene Chance, die "regionale und kulturelle Kompetenz" der Afrikaner in die Praxis umzusetzen. Sie seien beispielweise mit der heterogenen Konfliktsituationen vor Ort wesentlicher besser vertraut als externe Akteure.

Soweit zumindest die optimistische Theorie. Doch die Praxis sieht auch im internationalen Vergleich anders aus. Die Vereinten Nationen zum Beispiel lösten ihre Standby-Brigade nach 13 Jahren und einem einzigen Peacekeeping-Einsatz auf. Und die EU-Battlegroups warten nach wie vor auf ihren ersten Marschbefehl. Diese Parallelen zieht Sebastian Gräfe in seinem aktuellen Bericht zur ASF. Er forscht bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik insbesondere zu militärischer Konfliktlösung. In seinem Papier nennt er die ASF ein "Luftschloss".

Geld sei kein Problem, aber die Strategie

Und es wäre ein teures Luftschloss: Sowohl Deutschland als auch die EU haben die stehenden Krisenreaktionskräfte über mehr als ein Jahrzehnt generös unterstützt. 27 Millionen Euro seien aus Deutschland geflossen und 1,1 Milliarden Euro aus Brüssel. Weitere 750 Millionen Euro könnten noch abgerufen worden, rechnet Gräfe in seinem Bericht vor. Seine Bilanz fällt mehr als kritisch aus: An Geld würde es nicht mangeln, "aber an einer strategischen Diskussion, wie das Geld sinnvoll eingesetzt werden kann".

"Frustriert über das Schneckentempo der ASF-Einführung haben einige afrikanische Länder im Zusammenhang mit der Mali-Krise 2012 einen Parallel-Mechanismus ins Leben gerufen: die sogenannte "African Capacity for Immediate Response to Crises" (ACIRC) - ein Misstrauensvotum gegenüber der aufzubauenden Standby-Truppe.

Tuareg NMLA - Kämpfer im Norden von Mali
Die Krise in Mali hat die Gründung der ACIRC vorangetrieben. Die Länder drängen auf eine "afrikanische Nato"Bild: picture-alliance/dpa

Gräfe verweist auch auf eine AU-eigene Studie, die pikanterweise das Konzept einer stehenden Einsatztruppe selber verwirft - zugunsten schlankerer, flexiblerer Modelle. Auch in Brüssel sind die Schwächen des Modells bekannt: Mangelnde Koordination und offenes Misstrauen zwischen Truppenstellerländern, schwache logistische und strategische Kompetenzen und Führungsgerangel hinterlassen Zweifel an dem Vorhaben.

Dabei, so Gräfe, zeige die jüngste Mandatierung einer westafrikanischen Eingreiftruppe gegen Boko Haram den dringenden Handlungsbedarf. Auch der amtierende AU-Vorsitzende, der simbabwische Staatspräsident Robert Mugabe, hatte beim Sommer-Gipfel in Südafrika eindringlich auf die Bedrohung der Stabilität Afrikas durch den Terrorismus hingewiesen.

Wer zahlt bestimmt die Agenda

Sicherheitsanalyst Hallelujah Lulie nennt noch ein weiteres Problem mit der geplanten ASF: die Abhängigkeit von externer Finanzierung durch die EU und andere Partner. Die beeinflusse zwangsläufig auch die politische Agenda der Eingreiftruppe - und liefe damit dem selbsterklärten Ziel der Selbstständigkeit zuwider.

AU Gipfel in Adis Abeba Äthiopien 2015
Welchen Termin wird sie nennen? AU-Chefin Dlamini-ZumaBild: Simona Foltyn

Nun steht der erste Praxistest an für die panafrikanische Armee: Nach 12 Jahren geht es erstmals ins Gelände. Doch allein die Umstände der ersten Militärübung geben Kritikern neuen Stoff: Ursprünglich sollte das Training bereits vor einem Jahr in Lesotho stattfinden, musste aber wegen politischer Turbulenzen in dem kleinen Bergkönigreich abgesagt werden. Lesothos großer Bruder, der Nachbar Südafrika, sprang in die Bresche. Die Frist für die Einsatzfähigkeit der ASF - Dezember 2015 - wurde derweil beim letzten AU-Gipfeltreffen einmal mehr mit einem Fragezeichen versehen. Jetzt soll die AU-Chefin Dlamini-Zuma beim AU-Gipfel Ende Januar erklären wann die ASF einsatzbereit ist - und zwar alle fünf Brigaden.