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Frauen in Taliban-Gefängnissen gefoltert und vergewaltigt

24. Juli 2024

Es ist unklar, wie viele Frauen in Afghanistan inhaftiert sind. Es häufen sich Berichte über Vergewaltigung und schwerer Folter durch die Taliban.

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Afghanistan | Frauenrechte | Proteste in Afghanistan
Protestierende Frauen in Afghanistan. Taliban schießen in die Luft, um eine Kundgebung aufzulösen. Viele Frauenrechtsaktivistinnen werden in Gefängnissen festgehalten.Bild: Wakil Kohsar/AFP

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan werden Frauen- und Menschenrechtsaktivistinnen verfolgt. In den letzten knapp drei Jahren gab es zahlreiche Berichte über Folter und sexuelle Misshandlung von inhaftierten Frauen durch die Taliban. Anfang Juli berichtete die britische Tageszeitung The Guardian über die Vergewaltigung einer afghanischen Menschenrechtsaktivistin in einem Taliban-Gefängnis. Der Zeitung lag ein Video vor, das zeigte, wie diese Frau von bewaffneten Männern vergewaltigt und gefoltert wurde. Die Taliban hatten das Video aufgenommen und es nach deren Freilassung an die Menschenrechtsaktivistin geschickt. Damit wollten sie sie erpressen und zum Schweigen bringen. Sie floh aus Afghanistan und schickte das Video an afghanische Journalisten.

"Wir hatten eine Woche vor The Guardian über die Vergewaltigung und Folter inhaftierter Frauen durch die Taliban berichtet," sagte Zahra Nader im Gespräch mit der DW. Die 34-jährige afghanisch-kanadische Journalistin ist Chefredakteurin des Online-Magazins "Zan Times". Sie hat das Magazin im August 2022 ins Leben gerufen, um Mädchen und Frauen in ihrem Heimatland eine Stimme zu geben. Eine kleine Gruppe von Journalistinnen in Afghanistan sowie afghanische Journalistinnen außerhalb des Landes arbeiten für dieses Magazin und berichten auf Dari und Englisch.

Afghanische Journalistinnen recherchieren Fälle von Folter und Vergewaltigung

Ihr Netzwerk vor Ort recherchiert seit langem über die inhaftierten Frauen in Afghanistan, die in den Gefängnissen gefoltert und oft sexuell misshandelt oder vergewaltigt werden. "Wie viele Frauen in afghanischen Gefängnissen inhaftiert sind, weiß niemand ganz genau," sagt Nader und fügt hinzu: "Die Taliban weigern sich, viele Festnahmen zu bestätigen. Wir wissen nicht, in welchem Zustand die inhaftierten Frauen sich befinden. Viele von ihnen wurden willkürlich verhaftet. Augenzeugen berichten uns, dass die Taliban oft junge Frauen verhaften, die ohne männliche Begleitung unterwegs sind, auch wenn sie Hijab tragen."

Afghanische Kämpferinnen in den USA

Die Frauen verschwinden in den überfüllten Zellen der Frauengefängnisse und sind den Männern ausgeliefert, die diese nach Belieben behandeln. "Gerechtigkeit und Justiz existieren nicht in Afghanistan" betont Nader weiter und fügt hinzu: "Es gibt keine Justiz. Keine Verwaltung. Die Taliban sind sich nicht einmal einig, was genau die Hijab-Vorschriften für Frauen bedeuten. Je nach Ort und Gruppierung wird entschieden, was richtig und was falsch ist."

Nach Vergewaltigung töten sich manche Frauen selbst

Seit ihrer Machtergreifung haben die Taliban die Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan massiv eingeschränkt. Sie werden aus dem öffentlichen Leben verbannt, von Bildungseinrichtungen und dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Frauen dürfen in der Öffentlichkeit nur unterwegs sein, wenn sie von einem männlichen Verwandten, einem Mahram, begleitet werden. 

Wenn sie sich gegen die Unterdrückung wehren, werden sie verhaftet. Manche verschwinden spurlos. "Einige bringen sich selbst um, nachdem sie freigelassen werden", sagt Zahra Nader. Letzten Monat berichtete Zan Times darüber, wie einige junge Frauen, die wegen der "schlechten Hijab"-Regeln der Taliban verhaftet wurden, in Gefängnissen sexuell missbraucht und vergewaltigt wurden und danach Suizid begangen haben. Vergewaltigung sei für viele Frauen in Afghanistan immer noch der schlimmste Albtraum.

Lilma Dawlatzai weiß, wie schwer es ist, mit ihrem Gefängnistrauma zu leben. Sie wurde im Gefängnis nicht vergewaltigt, aber schwer gefoltert. Die ehemalige Vorsitzende des Frauenrats im Distrikt Chaharbulak in der Provinz Balkh versteckte sich nach der Machtübernahme der Taliban bei Bekannten. "Sie haben mich aber gefunden" sagt Lilma Dawlatzai im Gespräch mit der DW. "Ich landete in einem Gefängnis, wo sie mich schlugen und mit Messern auf mich losgingen. Auf meine Wunden streuten sie Salz." Lilma Dawlatzai versuchte, mit einem der Taliban zu verhandeln. Sie übergab ihm alles, was sie in Afghanistan hatte, und konnte mit seiner Hilfe das Gefängnis verlassen. Sie floh aus dem Land und lebt heute in Deutschland. "Die Taliban haben kein Erbarmen. Sie erlaubten mir nicht einmal, nach religiösen Ritualen meine Hände und mein Gesicht zu waschen, um zu beten. Sie behandeln die Gefangenen, wie sie wollen".

Taliban wollen öffentliche Steinigung von Frauen wieder einführen

Nach all den Maßnahmen und Verboten, die die Taliban gegen Frauen durchgesetzt haben, planen sie nun, die öffentliche Steinigung von Frauen wieder einzuführen. Seit ihrer zweiten Machtübernahme bestrafen die Taliban Menschen öffentlich durch Auspeitschen, Erschießen und Erhängen. Die Steinigung von Frauen wegen Ehebruchs soll demnach wieder eingeführt werden, kündigte der Taliban-Führer Hibatullah Akhundzada Ende März in einer Audiobotschaft an. Gleichzeitig richtete er sich direkt an westliche Regierungen: "Ihr mögt es als Verletzung der Frauenrechte betrachten, wenn wir Frauen wegen Ehebruchs öffentlich steinigen oder auspeitschen", heißt es in der Aufnahme, die über die Kanäle des Staatsrundfunks verbreitet wurde. "Genauso wie ihr behauptet, euch für die Befreiung der Menschheit einzusetzen, repräsentiere ich Allah, während ihr den Satan repräsentiert."