AfD vor der Spaltung?
14. Februar 2017Die Höcke-Gegner auf der einen, die Höcke-Freunde auf der anderen Seite. Auch wenn die Alternative für Deutschland (AfD) noch nicht auseinanderbröselt: Zumindest ein Setzriss im Putz ist schon erkennbar, spätestens, seit der AfD-Vorstand am Montag mit neun zu vier Stimmen für ein Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke gestimmt hat.
Höckes "Dresdner Rede" vom 17. Januar habe das "Maß des demokratisch Erträglichen innerhalb einer bürgerlich-freiheitlichen Partei überschritten", sagte AfD-Chefin Frauke Petry, die als Hauptgegnerin Höckes in der Partei gilt. In seiner Rede hatte Höcke das Berliner Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" kritisiert". Er forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" und sprach er von einer "dämlichen Bewältigungspolitik".
"Machtinterner Parteikampf"
Der Gemaßregelte selbst hält mit einer Videobotschaft auf Facebook dagegen, nennt die Entscheidung "lächerlich und absurd". "Einen machtinternen [sic] Parteikampf vom Zaun zu brechen, ohne Not, ist als grob parteischädigend zu bezeichnen", sagt Höcke. Und rudert nur ein wenig zurück: Seine Rede sei "politisch unklug" gewesen.
Reichlich Spannung im Gemäuer also zwischen den Rechten und den ganz Rechten in der AfD. Und das im Wahljahr 2017, in dem die Partei in den Bundestag einziehen will. "Wenn es zum Rausschmiss kommt, dann gibt es die Gefahr für die AfD, dass es zu einer Spaltung kommt", sagt der Parteienforscher Oskar Niedermayer vom Otto-Suhr-Institut an der Freien Universität Berlin im DW-Gespräch."Sowohl den Befürwortern als auch den Gegnern Höckes ist klar, dass dann weder die Rumpf-AfD noch der abgespaltene Flügel Chancen hätte, bei der Bundestagswahl locker über die Fünfprozenthürde zu kommen."
Wahlerfolg mit Völkischem?
Inwieweit hat Höcke die AfD vielleicht schon jetzt gespalten? "Die Entscheidung des Bundesvorstandes ist mindestens genauso dumm wie die Rede selbst", sagt Stephan Brandner, AfD-Fraktionsvize in Thüringen im Gespräch mit der DW. "Da schaukelt sich etwas hoch." Höckes Fraktionskollegen werfen dem Bundesvorstand vor, aus der AfD eine "andere, eine weniger meinungsfreudige und weniger gesamtdeutsche Partei zu machen". Gerade in den ostdeutschen AfD-Verbänden genießt Höcke Rückhalt.
Doch nicht nur Höckes Thüringer Fraktion springt ihm zur Seite. Auch Petrys Co-Vorsitzender Jörg Meuthen, AfD-Vize Alexander Gauland und der niedersächsische AfD-Chef Armin-Paul Hampel stehen weiter hinter dem Schlagzeilenproduzenten aus der rechten Ecke. Vielleicht hegen sie die Hoffnung, mit Höckes doppeldeutigen Aussagen, mit Formulierungen, die irgendwie völkisch klingen, ließen sich auch Neonazis und Antisemiten zur Wahl der AfD bewegen?
"Verräter-Liste" auf Facebook
"Ich denke, dass die AfD im bürgerlichen Segment mehr zu gewinnen hat, als ganz rechts außen zu verlieren", sagt dagegen Parteienforscher Niedermayer. "Deswegen halte ich es nicht nur, weil ich Herrn Höcke als Rechtsextremisten einschätze, für sinnvoll, ihn aus der Partei auszuschließen, sondern auch aus Sicht der AfD selbst." Allerdings sei derzeit schwer abzuschätzen, wie sich das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke auf die Zahl der potentiellen AfD-Wähler auswirke, denn noch gebe es dazu keine aktuelle Umfrage.
"Die Wellen werden sich glätten", ist Höckes Fraktionsvize Brandner überzeugt. "Die Bundestagswahl steht vor der Tür und da wird man sich nicht gegenseitig an die Gurgel gehen in der Partei, während die anderen schenkelklopfend zuschauen." Zumindest beim Blick in die Facebook-Profile der AfD-Prominenz ist durchaus Wellengang zu sehen. "Verräter-Listen" wogen durch die Kommentarspalten, es wird nicht nur der politische Gegner attackiert, sondern auch das Petry- beziehungsweise Höcke-Lager in den eigenen Reihen. "Wie hast Du's mit Höcke? Und wie hat der es mit der Hitlerzeit?" Die Gretchenfrage für die AfD, sie scheint immer noch nicht klar beantwortet zu sein.
Höcke in den Bundestag?
Wie geht es nun weiter? Zunächst muss ein Landesschiedsgericht der Thüringer AfD über den möglichen Parteiausschluss entscheiden, dann erst käme ein Bundesschiedsgericht zum Zuge. In beiden Instanzen werden Höcke gute Chancen eingeräumt, ungeschoren davonzukommen. Das ganze Verfahren könnte sich hinziehen, vielleicht sogar bis in den Herbst, wenn die Sitze im Bundestag bereits neu verteilt sind.
Dass dort in den Reihen der Rechten bei einem AfD-Wahlerfolg Björn Höcke Platz nehmen könnte, hatte selbiger erst im Januar ausgeschlossen. Doch nun, so Thüringens AfD-Sprecher Torben Braga gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, werde Höcke von Teilen der AfD-Basis zur Kandidatur ermuntert. "Es gibt so etwas wie eine Jetzt-erst-recht-Stimmung", sagt Braga.
Im Hotel unerwünscht
Also Bundestag statt Rausschmiss? "Das besprechen wir heute Abend in der Fraktion und sehen, wie Herr Höcke sich positioniert", sagt Vizefraktionschef Brandner der DW. "Da gibt es spätestens übermorgen etwas zu berichten." Ob sich am Ende der gemäßigtere Petry-Flügel durchsetzt oder die Hardliner rund um Höcke wird man vielleicht erst nach dem AfD-Bundesparteitag wissen, der im Kölner Maritim-Hotel im April stattfinden soll.
Dort allerdings hat Björn Höcke neuerdings Hausverbot. Höckes Äußerungen seien nicht vereinbar mit "unserer Auffassung eines internationalen und offenen Miteinanders", ließ die Hotelkette am Dienstag wissen.