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Achim Reichel ist 70

Alfried Schmitz27. Januar 2014

Fast kein anderer hat die deutsche Musikszene geprägt wie er. Er macht Beatmusik mit den "Rattles", vertont Seemannslieder und hat Erfolg mit eingängigen Popsongs und verrockten Gedichten und Volksliedern.

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Musiker Achim Reichel spielt Gitarre und lächelt in die Kamera (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Achim Reichel wurde am 28. Januar 1944 in Wentdorf bei Hamburg geboren. Als junger Mann wollte er wie sein Vater als Schiffskellner die Meere befahren. Aber es kam anders. Noch während seiner Lehrjahre gründete der musikbegeisterte Junge 1960 die Band "The Rattles". Zwei Jahre später gewann die Gruppe einen Wettbewerb im legendären Hamburger "Star Club" und durften dort einige Auftritte absolvieren. Zu jener Zeit machte auch eine bis dahin noch unbekannte Band aus Liverpool im "Star Club" Station: die "Beatles". Zwischen den beiden Gruppen entstand eine freundschaftliche Beziehung. 1963 veröffentlichten die "Rattles", wie auch die "Beatles", ihre erste Langspielplatte.

Mit den Beatles auf Tournee

Noch im selben Jahr brachen die "Rattles" als Begleitband der "Rolling Stones", Little Richard und den "Everly Brothers" zu einer Großbritannientournee auf. Ein Ritterschlag für Reichel und seine "Rattles". Der Musiker schaffte es, seine Band zu einer der beliebtesten Beatbands in Deutschland zu machen. 1966 zahlte sich dann die enge Freundschaft zu den "Beatles" aus.

Die Stars aus Liverpool machten die "Rattles" zur Vorband ihrer damaligen Deutschlandtournee. Achim Reichel hatte damit alles erreicht, was für ihn damals zu erreichen war. Doch dann flatterte ihm der Einberufungsbescheid ins Haus. Reichel musste seinen Wehrdienst ableisten. Die lange Musikermähne wurde auf Soldatenlänge gestutzt. Der geschäftstüchtige Friseur soll einzelne Haarbüschel des beliebten Sängers über Anzeigen in einem Musikmagazin zum Kauf angeboten haben. Ein lukrativer Devotionalienhandel. Für Achim Reichel wurde der Wehrdienst zum Karriereknick. Seinen Platz als Frontmann bei den "Rattles" nahm Sänger Frank Dostal ein.

"The Rattles" 1990 bei einem Auftritt (Foto: picture-alliance/dpa)
"The Rattles" 1990Bild: picture-alliance/dpa

Neustart nach Zwangspause

Nach dieser Zwangspause wagte Achim Reichel 1968 einen Neustart. Gemeinsam mit Les Humphries gründete er die Band "Wonderland" und konnte mit der Single "Moscow" einen Hit landen. Lange hielt diese Band allerdings nicht. 1970 war Schluss mit "Wonderland". Auch ein anderes Projekt, das Achim Reichel in Angriff genommen hatte, war nicht von langer Dauer. Mit seinem Kumpel Frank Dostal hatte Reichel die Leitung des Hamburger "Star Club" übernommen.

Aber das Unternehmen schlitterte in die finanzielle Pleite. Als Musiker hatte Reichel mehr Erfolg. Mit seinem Krautrock-Projekt "A.R. & Machines" konnte er sich vier Jahre behaupten und sich - unter anderem mit der CD "Grüne Reise" - eine internationale Reputation erspielen.

Musiker Achim Reichel als DJ mit weiblichen Fans im Jahr 1967 (Foto: picture-alliance/dpa)
1967 - auch als Diskjockey bei den Fans beliebtBild: picture-alliance/dpa

Erfolg mit Seemannsliedern und Goethe

Sieben Langspielplatten später besann sich Reichel seine große Liebe zum Meer und brachte 1976 und 1977 zwei Alben auf den Markt, auf denen er alte Seemannslieder sang. Präsentiert mit Stromgitarre, hartem Schlagzeugbeat und mit rockiger Stimme. Nach anfänglicher Verwunderung über die musikalische Kehrtwende Reichels waren Fans und Medien gleichermaßen begeistert. Großes Lob gab es auch, als Reichel 1978 auf seinem Album "Regenballade" rockige Interpretationen deutscher Lyrik präsentierte. Texte von Fontane oder Goethe wurden von Achim Reichel atemberaubend in Szene gesetzt. Die intensive und erfolgreiche Arbeit mit deutschen Texten wurde für Achim Reichel zu einem Schlüsselerlebnis. Er begann damit, eigene Texte zu verfassen und sich mit moderner deutscher Literatur zu beschäftigen. Ab 1980 brachten ihm seine deutschsprachigen Stücke "Der Spieler", "Boxer Kutte", "Kreuzworträtsel" oder "Aloha Heja He" großen kommerziellen Erfolg.

Workaholic in Sachen Musik

Achim Reichel, der sich als Workaholic bezeichnet, gründete neben seiner Arbeit als Musiker ein Musiklabel und kümmert sich als Produzent und Songschreiber um den Nachwuchs in der deutschen Musiklandschaft. Auch seine "Rattles" ließ er für einige Konzerte und Studioaufnahmen wieder aufleben. 2006 brach Achim Reichel eine Lanze für die oftmals verpönte deutsche Volksmusik und brachte das Album "Volxlieder" heraus.

Seine große Leidenschaft für das deutsche Volkslied begründet Reichel so: "Wenn man sich diese Lieder einmal im internationalen Vergleich anhört, dann stellt man fest, dass unsere Volkslieder absolut ebenbürtig mit den Songs anderer Länder sind, die man viel öfter singt und hört. Es ist einfach nur versäumt worden, diese Lieder in die neue Zeit zu transportieren. In allen anderen Ländern hat das längst stattgefunden. Nur bei uns leider nicht. Und da habe ich gedacht, mittlerweile bist Du alt genug dafür, trau' Dich mal ran an die Sache!"

Achim Reichel singt und spielt Gitarre auf der Bühne (Foto: picture alliance/Jazz Archiv)
2008 - Achim Reichel in der Hamburger FabrikBild: picture alliance/Jazz Archiv

Rückblick auf das Musikerleben

Auch für ein anderes ambitioniertes Projekt schien die Zeit kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag reif. Einen Rückblick auf sein bewegtes Leben und seine spannende Musikkarriere präsentierte Reichel auf seiner spektakulären "Solo mit Euch"-Tournee. Unter dem Motto "Mein Leben, meine Musik, gesungen und erzählt" absolvierte Reichel von 2009 bis 2013 einhundert Auftritte in mehr als sechzig deutschen Städten. Ein außergewöhnliches Projekt - aber siebzig Lebensjahre und davon ein halbes Jahrhundert als Musiker bieten eben jede Menge interessanten Erzählstoff.