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Abholzungen und Megadürre verschlimmern Brände in Brasilien

3. September 2024

Brasilien erlebt eine weitere schreckliche Brandsaison. Im Amazonas, dem Feuchtgebiet Pantanal und dem Bundesstaat São Paulo wüten massive Waldbrände. Wie verschlimmern Klimawandel und Abholzung die Situation?

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Brasilien Waldbrände Sao Paulo. Ein Mann schaut in ein brennendes Zuckerrohrfeld
Brennendes Zuckerrohrfeld: Entwaldung, Hitze und Trockenheit führen zu mehr und stärkeren Waldbränden Bild: JOEL SILVA/REUTERS

Mitte August gab es rund 2.700 Brände im südbrasilianischen Bundesstaat São Paulo. In mehr als 40 Gemeinden herrschte höchste Alarmbereitschaft und über 22 Millionen Menschen im Großraum São Paulos waren von schwerem, grauen Rauch betroffen.

Mehr als 590 Quadratkilometer wurden laut Angaben der Behörden durch die Flammen zerstört. Diese Fläche ist so groß wie zwei Drittel von Berlin. Zu dieser Fläche gehören riesige Zuckerrohrfelder, Zucker gehört zu den wichtigsten Exportgütern des Landes.

Die Brände brachen gleichzeitig an verschiedenen Orten aus, die Bundespolizei vermutet Brandstiftung als Ursache. Seit Monaten hatte es in der Region nicht geregnet und so konnte sich in der extrem trockenen Vegetation das Feuer schnell ausbreiten. "Wir hatten in den letzten Tagen eine explosive Kombination aus drei Faktoren: hohe Temperaturen, sehr starke Winde und sehr niedrige Luftfeuchtigkeit", sagte der Gouverneur von Sao Paulo, Tarcisio de Freitas.

Dronenaufnahme von São Paulo. Man sieht die Stadt in einer braunen Smogglocke
Dreckige Luft: Smoke in São Paulo durch angrenzende Waldbrände Bild: JOEL SILVA/REUTERS

Extreme Hitze und Dürre schüren Brände

Die Trockenzeit in Brasilien dauert normalerweise von August bis Oktober. Doch Klimaexperten der World Weather Attribution (WWA), einer Gruppe von Wissenschaftlern, die die Auswirkungen des Klimawandels auf extreme Wetterbedingungen untersuchen, sagten, der vergangene Juni sei der "trockenste, heißeste und windigste" Monat des Landes seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1979 gewesen.

Aufgrund dieser Bedingungen erlebten der Bundesstaat São Paulo und der weiter nördlich gelegene Amazonas-Regenwald die schlimmste Brandsaison seit Jahrzehnten. Im August wurden im Bundesstaat São Paulo mehr als 3.480 einzelne Brände registriert, doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2023. Und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 
gab es im Amazonasgebiet die meisten Feuerausbrüche der letzten 20 Jahre.

Dieselben extremen Bedingungen haben auch die Rekordbrände in der Hochebene vom Cerrado, einer tropischen Savanne und im Pantanal entfacht. Das Pantanal ist das größte tropische Feuchtgebiet der Welt mit einer reichen Vielfalt an verschiedenen Pflanzen- und Tierarten. Es liegt zwischen dem Amazonas und São Paulo. Im Juni verbrannte dort eine Fläche von 6000 Quadratkilometern.

Rund 20 Prozent des Amazonas-Regenwalds sind bereits verschwunden

Anfang August erklärte die WWA In einem Bericht, dass die Brände im Pantanal "aufgrund des Klimawandels um 40 Prozent intensiver" gewesen seien. Die Daten belegen dies: Die jährlichen Niederschläge in den Feuchtgebieten sind seit mehr als 40 Jahren stetig zurückgegangen.

"Diese Megadürren werden immer häufiger und heftiger", sagt Carlos Peres. Der Brasilianer ist Experte für Naturschutzökologie an der University of East Anglia in Großbritannien und fügt hinzu, dass etwa drei Fünftel Brasiliens zunehmend trockener würden.

Anhand einer Analyse von Satellitenbildern deckte das brasilianische Umweltinstitut MapBiomas im Juni auf, dass die Regionen Amazonas und Pantanal "mit einem ernsthaften Wassermangel konfrontiert sind".
Der Amazonas-Regenwald erlebte von Juni bis November 2023 eine historische Dürre, die durch geringe Niederschläge und anhaltend hohe Temperaturen verursacht wurde. Aber das Ökosystem des Pantanal trocknete 2023 am stärksten aus und verzeichnete einen Rückgang der Wasserfläche von 61 Prozent im Vergleich zum historischen Durchschnitt von 1985.

Peres wuchs in den 1960er und 1970er Jahren als Sohn eines Viehzüchters im Bundesstaat Pará am östlichen Rand des Amazonas-Regenwalds auf. Im Laufe seines Lebens hat er miterlebt, wie der Amazonas um etwa 20 Prozent schrumpfte. Und mit dem Verlust des Waldes geht auch ein Teil des verbliebenen Waldes zunehmend in Flammen auf.

"Bis vor etwa 25 Jahren brannten die Wälder im Amazonasgebiet nicht, selbst wenn sie auf Sandböden und saisonal trockenen Gebieten lagen, es sei denn, es gab irgendeine Art von Störung durch den Menschen, wie z.B. Holzgewinnung", sagt Peres. "Aber das hat sich geändert."

Dürre und Feuer zerstören das Feuchtgebiet Pantanal

Er sagt, dass die aufeinanderfolgenden Dürren und kürzeren Regenzeiten den Böden nicht genug Zeit geben, sich mit Wasser zu versorgen, wodurch die Vegetation darüber anfälliger für Brände wird.

Luciana Gatti, die eine Gruppe von Forschern am INPE leitet, dem brasilianischen Institut für Weltraumforschung, sagt, dass sich das Problem nur noch verschärft. "Wir beschleunigen den Klimakollaps", so Gatti gegenüber der DW. Sie betont, dass die Abholzung mehr zur Temperaturerhöhung im Amazonasgebiet beitrage als der globale Klimawandel selbst. "Der verbleibende Wald ist nicht mehr derselbe; es ist, als wäre der Amazonas krank."

Bäume und andere Pflanzen wirken als Klimaregulatoren, indem sie zum einen das Treibhausgas CO2 absorbieren. Zum anderen geben Bäume Wasserdampf in die Luft ab, die sogenannte Evapotranspiration. In Brasilien wirke das aus den Feuchtgebieten des Amazonas und des Pantanal verdunstete Wasser als "Klimapuffer", durch die zunehmenden Waldbrände und die Abholzung wird dieser Puffer geschwächt.

In der Zeitschrift Nature veröffentlichten Studieschrieb Gatti 2021, dass Teile des südöstlichen Amazonasgebiets sogar als CO2-Quelle zu wirken beginnen, anstatt es wie üblich zu absorbieren. Und während die Abholzungen in den letzten Jahren etwas zurückgegangen seien, habe sich die Waldschädigung durch Feuer und andere Faktoren verschlimmert. "Und das Problem ist, dass das Feuer jedes Mal unkontrollierbarer wird."

Dürren und Waldbrände werden häufiger

"Diese Extremereignisse werden immer häufiger", sagt die brasilianische Pflanzenökologin und Postdoktorandin Julia Tavares an der schwedischen Universität Uppsala. Sie und ihre Kollegen stellten in einer 2023 veröffentlichten  Studie fest, wie verschiedene Teile des Regenwalds auf die wärmeren, trockeneren Bedingungen reagierten und dass Teile des Amazonas-Regenwalds zunehmend unter Druck gerieten.

Das World Resources Institute berichtet, dass Waldbrände auf der ganzen Welt schlimmer werden und doppelt so viele Bäume zerstören wie noch vor 20 Jahren. Und ein Bericht des UN-Umweltprogramms aus dem Jahr 2022 prognostiziert, dass extreme Brände bis 2050 um 30 Prozent zunehmen werden.

Tavares sagt jedoch, dass der Klimawandel die Brände in Brasilien nicht direkt auslöst. Natürlich auftretende Brände seien in einem tropischen Klima sehr selten. "Sie werden von Menschen verursacht, von menschlichen Handlungen, die durch den Klimawandel noch verstärkt werden, weil dann bessere Bedingungen für die Ausbreitung des Feuers bestehen."

Sie verwies auf die riesigen Landflächen, die oft von Viehzüchtern und Bauern gerodet werden, die mit einer als Brandrodung bekannten Technik Feuer legen und so den unberührten Regenwald ständig zerstören.

"Die Dinge ändern sich sehr schnell", sagt Carlos Peres und schildert, wie die zunehmende Zahl von Bränden und Dürren die Wasser- und Nahrungsmittelsicherheit gefährde, die Artenvielfalt vernichte und die menschliche Gesundheit schädige.

Er wies darauf hin, dass jedes Mal, wenn ein Wald brennt, die Voraussetzungen für "häufigere und intensivere Brände beim nächsten Mal" geschaffen werden, da mehr von der Vegetation abstirbt und zu Brennstoff für den nächsten Waldbrand wird.

"Wenn der Wald das dritte Mal brennt, dann haben Sie keinen Wald mehr", sagt Peres. "Und der Schaden, der dadurch entsteht, sowohl was den Verlust der Artenvielfalt als auch den Verlust der Kohlenstoffspeicherung angeht, ist enorm."

Adaptiert aus dem Englischen von Gero Rueter