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600 Opfer des Srebrenica-Massakers feierlich beigesetzt

1. April 2003

– Am Jahrestag des Massakers sollen weitere 250 Opfer die letzte Ruhe finden

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Köln, den 31.3.2003, DW-radio / Bosnisch, aus Srebrenica

In der Gedenkstätte von Potocari bei Srebrenica wurden heute 600 Opfer des größten Massakers in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg beigesetzt. Unser Korrespondent Marinko Sekulic berichtet von der Trauerfeier:

Bei den jetzt Beerdigten handelt es sich um die Leichen der bisher identifizierten Opfer aus Massengräbern. An der gemeinsamen Trauerfeier, die das Oberhaupt der Islamischen Gemeinde von Bosnien und Herzegowina Reis Ul Ulema Mustafa Efendija Ceric abhielt, nahmen über 10 000 Menschen teil, die aus allen Gebieten des Landes angereist waren.

(Einblendung Ceric) "Gott hat in der Thora und im Koran auch folgendes geschrieben: Kopf um Kopf und Auge um Auge und Nase um Nase und Ohr um Ohr und Zahn um Zahn, aber Wunden müssen mit Wahrheit und Gerechtigkeit geheilt werden. Derjenige, der von dem Recht auf Rache Abstand nimmt, wird als Preis Gnade von seinen Sünden bekommen."

An der Trauerfeier für die Opfer nahmen die höchsten Repräsentanten des Landes und internationale Vertreter teil. Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, sagte, dass die internationale Gemeinschaft die Schutzzone Srebrenica verraten habe. Er sagte, sie habe dies als tragischen Fehler anerkannt und werde alles dafür tun, dass sich ein Srebrenica nie mehr irgendwo wiederholt.

(Einblendung Ashdown) "Ich hoffe, dass dieser Ort uns allen als Mahnung dienen wird, was passiert, wenn ein Volk den Kopf verliert und Einigkeit, Toleranz und Menschlichkeit vergisst, die die Grundlage des Friedens sind. [...] Vor allem möchte ich, dass dieser Ort die Welt daran erinnert, was passiert, wenn wir daneben stehen und nichts tun, während das Böse sich ausbreitet."

Das Mitglied der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina Sulejman Tihic begrüßte die Anwesenden im Namen der Präsidentschaft und fügte hinzu: "Aus diesem Anlass möchte ich in meinem Namen sprechen, denn wenn es um Srebrenica geht, ist es leider noch immer nicht möglich, im Namen der ganzen Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina zu sprechen." Er sagte ferner, die heutige Trauerfeier ist ein Zeichen dafür, dass Srebrenica niemals vergessen werden darf. Aber er rief gleichzeitig die Behörden und Institutionen des Landes sowie die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Rückkehr nach Srebrenica und die Wiederbelebung der Stadt zu fördern.

Im Namen der Familien der Vermissten sprach die Lehrerin Almedina Dautbasic, die in Srebrenica beide Eltern verloren hatte: "Ich möchte all denjenigen, denen das Messer und die Kugel Recht waren, sagen: Sie haben unsere Kinder ermordet, unsere Väter, unsere Mütter, unsere Brüder, unsere Ehemänner. Sie haben versucht, ein ganzes Volk zu ermorden. Aber merken Sie sich, sie haben unser Gedächtnis nicht ermordet."

Außenminister Mladen Ivanic ist unter den Serben der erste hohe Repräsentant der

Republika Srpska, der nach Potocari kam. Die politische Bedeutung dieses Schritts wollte er allerdings nicht kommentieren: "Es ist ein Ereignis, das uns allen bewusst

machen muss, dass sich so etwas nie wiederholen darf, und wir teilen den Schmerz der Familien. Ich sehe das als meine Aufgabe als Vorsitzender des Ministerrates. Ich denke, dass dieses Ereignis kein Politikum sein sollte."

In etwas mehr als drei Monaten, am 11. Juli, dem Tag als vor acht Jahren Tausende von Muslimen aus Srebrenica ermordet wurden, sollen in Potocari die Überreste von weiteren 250 Opfern beigesetzt werden. Tausende von anderen sterblichen Überresten in Plastiksäcken warten jedoch leider immer noch auf ihre Identifizierung. (md)