Rostock: Gedenken an Opfer rechter Gewalt
22. August 2017Die "schrecklichen Ereignisse" vom August 1992 im sogenannten Sonnenblumenhaus "mahnen und verpflichten uns bis heute auf besondere Weise", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig bei einer Gedenkveranstaltung in der Rostocker Marienkirche.
Dort wird an den Abend des 22. Augusts 1992 erinnert. Vor der überfüllten zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen hatte ein tagelanger Pogrom begonnen. Ein Mob von Randalierern und Rechtsextremen attackierte den elfgeschossigen Plattenbau, der als Erstaufnahme diente, sowie ein benachbartes Wohnheim für vietnamesische Gastarbeiter, mit Steinen und Brandsätzen. 120 Vietnamesen und einige Deutsche hatten sich nur durch Flucht auf das Dach des Hauses vor dem Feuer retten können. Tausende Schaulustige applaudierten und behinderten die Arbeit von Feuerwehr und Polizei. Die Polizei war völlig überfordert. Die Ausschreitungen sorgten weltweit für Entsetzen.
Bilder sorgten weltweit für Entsetzen
Die "furchtbaren Bilder" hätten die Wahrnehmung von Rostock und Mecklenburg-Vorpommern auf Jahre geprägt, erklärte Schwesig. "Der Schock, dass so etwas in unserem Land passieren konnte, hat uns alle lange begleitet." Es sei daher besonders wichtig, dass die Politik diejenigen unterstütze und stärke, die sich für Demokratie einsetzen. Die vielen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in ganz Deutschland und die Aufmärsche von Pegida zeigten, wie wichtig dieses Engagement sei. "Ziel unseres Engagements muss es sein, die Menschen vor Ort zu erreichen, gerade auch junge Menschen, die sich abgehängt fühlen, die dann leicht empfänglich sind für radikale Ideologien", betonte Schwesig.
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, betonte: "Das Rostocker Pogrom ist nicht vergessen." Er nannte die Vorgänge "die massivsten fremdenfeindlich motivierten Übergriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte". Rose kritisierte im Rückblick nochmals das damalige Versagen des Rechtsstaats und die Kapitulation vor dem rechtsextremen Mob auf der Straße. All dies habe die Nazis gestärkt. Rostock sei aber "ein bemerkenswertes Beispiel dafür, dass wir aus der Geschichte, auch aus der jüngsten Zeitgeschichte, lernen können", erklärte Rose. Die umfangreiche Aufarbeitung der Ereignisse von Lichtenhagen sowie die zahlreichen Initiativen, die die Bürgerschaft und die Rostocker Stadtverwaltung in der Folge ergriffen hätten, verdienten Respekt. Auch Sinti und Roma waren 1992 angegriffen worden.
Kaum juristischen Folgen
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und die Linkspartei forderten ein Bleiberecht für die Opfer rassistischer Gewalt. Ein Bleiberecht wäre "ein starkes politisches Signal gegen rechte Gewalt", erklärte Pro Asyl. Überdies würden sie dadurch in die Lage versetzt, in Strafverfahren gegen die Täter mitzuwirken. Gerichtsprozesse gegen Gewalttäter scheiterten heute bisweilen daran, dass Opfer und Zeugen nicht aussagen könnten, weil sie abgeschoben wurden. Ähnlich äußerte sich die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Opfer rassistischer Gewalt abzuschieben, "wäre ein fatales Signal für ein Zusammenwirken von Behörden und rechten Gewalttätern", erklärte sie.
Noch bis Samstag wird in Rostock mit zahlreichen Veranstaltungen an die rassistischen Ausschreitungen vor 25 Jahren erinnert. In den kommenden Tagen werden auch an verschiedenen Orten der Stadt, etwa vor dem Polizeirevier und am "Sonnenblumenhaus", Kunstprojekte aufgestellt.
pab/uh (afp, dpa, kna)