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2021: Dynamisches Wachstum, weniger Jobs

Thomas Kohlmann
28. Dezember 2020

2021 wird ein Übergangsjahr, in dem einige Branchen schneller die Corona-Folgen überwinden als andere. Besonders in einem Punkt erwarten die wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände aber eine spürbare Veränderung.

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Deutschland Werk der Heidelberger Druckmaschinen AG
Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Wenn das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) traditionell gegen Jahresende mehr als 40 Branchenverbände nach ihrer Stimmungslage befragt und von ihnen wissen will, mit welchen Erwartungen sie ins nächste Jahr starten, dann ergibt sich selten ein einheitliches Bild. Das gilt noch mehr in diesem, von der Corona-Pandemie so stark geprägten Jahr, unterstreicht IW-Direktor Michael Hüther im Gespräch mit der DW. Obwohl die überwiegende Mehrheit der Verbände über eine schlechtere Wirtschaftslage ihrer Mitgliedsunternehmen als noch vor einem Jahr klagt, sehen die IW-Konjunkturforscher auch Lichtblicke.

"Wir haben auf der einen Seite eine sehr schlechte Stimmungslage zum Jahresende. 34 Branchen sagen, es ist schlechter als vor einem Jahr. Und wenn man bedenkt, das vor einem Jahr in den Industriebereichen schon länger eine Rezession zu spüren war, dann zeigt es, wie scharf die Lage ist." Auf der anderen Seite erwarteten aber 26 Branchen beim Blick ins nächste Jahr eine deutlich bessere Produktions-Entwicklung und steigende Investitionen. Insofern bewertet das IW 2021 als Übergangsjahr, das vor allem durch die Hoffnung auf Corona-Impfstoffe und die Überwindung der Pandemie bestimmt wird. 

Wenig überraschend: Die Stimmungslage in den deutschen Unternehmen ist nach dem Konjunktureinbruch durch die erste Corona-Welle im Frühjahr deutlich gedrückter als noch vor einem Jahr: Vier von fünf Verbänden, die das Institut der deutschen Wirtschaft traditionell zum Jahresende befragen, gaben an, die Wirtschaftslage ihrer Mitglieder habe sich gegenüber dem Jahreswechsel 2019/2020 verschlechtert.  

Infografik Umfrage IW Erwartungen für 2021 DE

Manche Verbände sind derzeit sogar so stark mit den Folgen der Pandemie beschäftigt, dass sie erst gar nicht an der IW-Verbandsumfrage teilgenommen haben. "Die sagen: 'Wir sind so überlastet, dass wir im Augenblick keine Chance sehen, die Lage einzuschätzen'" erklärt Hüther. "Das sind aber nicht die kritischen Branchen, abgesehen von der Tourismuswirtschaft, die aber ein allgemeines Statement abgegeben hat." Die Tourismusbranche rechne damit, dass auch das Jahr 2021 ein sehr schwieriges Jahr werden wird und die Geschäftsausfälle gegenüber der Zeit vor Corona weiterhin gewaltig sein werden. "In den anderen Branchen, in der Industrie, in den Dienstleistungsbereichen ist gemeldet worden. Insofern haben wir eine breite Basis der Einschätzung."

Höhere Produktion, aber nicht überall

Der Großteil der deutschen Wirtschaft erwartet für 2021 eine höhere Produktion. 21 Branchen, die an der IW-Verbandsumfrage teilnahmen, sehen einen etwas höheren und fünf Verbände sogar einen wesentlich höheren Output. Dazu gehören aber Bereiche wie die Autobauer und ihre Zulieferer aus der Stahl- und Metallverarbeitung, die nach dem Krisenjahr 2020 ihre künftige Produktion von einem niedrigen Niveau aus betrachten.

Daraus ergibt sich ein durchwachsenes Bild: Denn 13 der 43 befragten Wirtschaftsverbände gehen davon aus, dass ihr Produktionsniveau im Jahr 2021 unter dem des Krisenjahres 2020 liegen wird. Einzelne Bereiche wie der Schiffbau, die Textil- und Modebranche sowie die Ernährungsindustrie rechnen damit, dass die Produktion im kommenden Jahr wesentlich niedriger sein wird als 2020. Ebenfalls gedämpfte Erwartungen haben die Bauwirtschaft und der Bankensektor. Dort kommt neben den Umsatzeinbußen durch die Pandemie auch ein Rückgang bei den Investitionen hinzu.

Deutschland Berlin Flüchtlinge und Arbeitsmarkt Michael Hüther
IW-Chef Hüther: Erst zur Jahreswende 2022 kommt die deutsche Wirtschaftsleistung wieder auf ihr Vorkrisen-NiveauBild: DW/H. Kiesel

Sonderfälle Pharma, Automobil und Banken

Eine Ausnahme bildet hier die Pharmabranche, die in allen drei Bereichen, der Produktion, den Investitionen und der Beschäftigung eher positiv nach vorne blickt.

Bei einer ganzen Reihe von Branchen haben die Investitionsabsichten aber wenig mit den Folgen der Pandemie zu tun. Sie stecken mitten im Strukturwandel, dessen Takt die Klimapolitik vorgibt. "Das gilt für die Automobilindustrie, die Maschinen- und Anlagenbauer und die chemische Industrie", erklärt Hüther. In der Stahlbranche komme man beim Thema Dekarbonisierung nur mit Investitionen und neuen Lösungen voran. In anderen Bereichen, wie im Bankensektor, treibe die Digitalisierung die Investitionskosten in die Höhe. Immerhin wollen 17 Branchen mehr investieren und nur zwölf weniger als im auslaufenden Jahr.

Dunkle Wolken am Arbeitsmarkt

Wenn es um die Entwicklung bei der Beschäftigung geht, signalisieren die befragten Wirtschaftsverbände allerdings einen deutlichen Negativtrend. "Am Arbeitsmarkt sind die Aussichten stark durch dunkle Wolken geprägt. Wir haben 23 Branchen, die sagen, es gibt weniger Beschäftigung", räumt Hüther ein. In der Industrie setze sich damit der Trend der beiden vergangenen Jahre weiter fort, durch Personalabbau die Folgen eines Geschäftsrückgangs aufzufangen und sich fitter für die Zukunft zu machen.

In vielen Branchen werde die Beschäftigung aber stabil bleiben, so der IW-Direktor, und im Vergleich zur Finanzkrise 2009, in der fast alle Branchen Jobs abgebaut hatten, sehe es bei den Jobs für 2021 durchaus günstiger aus. Wenn man daran denke, dass es damals bei der Beschäftigung schnell besser wurde und der Arbeitsmarkt sich relativ schnell stabilisiert hatte, ist Hüther eher optimistisch: "Ich glaube, die Arbeitslosenquote wird nicht über sechs Prozent hinausgehen. Das wäre mit Blick auf die massiven Einbrüche, die wir in der Produktion erlebt haben, eine sehr positive Aussage", unterstreicht der IW-Direktor.

Weil die weitere Erholung in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen sehr unterschiedlich verlaufen wird, wird die deutsche Volkswirtschaft nach Einschätzung des IW erst zur Jahreswende 2022 das Vorkrisenniveau wieder erreichen.