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Übt Ilmchan Alijew de facto die Vollmachten des Präsidenten Aserbaidschans aus?

22. Juli 2003

– Experten gehen vom baldigen Treffen Putins und Khatamis mit dem Sohn des aserbaidschanischen Präsidenten aus

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Moskau, 22.7.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Arif Ussejnow, aus Baku

Der Besuch von Präsident Wladimir Putin in Baku ist in dieser Woche zum dritten Mal vertagt worden. Die offiziellen Gründe der erneuten Verlegung des Treffens des russischen und des aserbaidschanischen Präsidenten werden aus ethischen Überlegungen nicht genannt: der jetzige Präsident Aserbaidschans und der einzige auf den heutigen Tag registrierte Präsidentschaftskandidat (von der regierenden Partei "Jeni Aserbaidschan") ist schwer krank. Wie bald er die türkische Klinik "Gülhane Askeri Tip Akademisi" (Militärhospital – MD) verlassen wird, wo das Staatsoberhaupt offiziellen Meldungen zufolge weiterhin medizinisch untersucht wird, kann niemand sagen. Die Öffentlichkeit wird sowohl durch Meldungen der türkischen Massenmedien genervt, Alijew liege im Koma und sein Zustand verbessere sich nicht, weswegen sein Sohn Ilmchan sich die ganze letze Woche an seinem Krankenbett aufgehalten habe, als auch durch Überschriften wie "Gejdar Alijew setzt erfolgreich die medizinische Untersuchung fort" auf den Titelseiten der aserbaidschanischen regierungstreuen Zeitungen...

Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass der hochrangige Patient am 22. Juli aus der türkischen Klinik entlassen wird und in den Präsidentenpalast nach Baku zurückkehrt. Genau an diesem Tag wollte der russische Präsident auf dem Weg nach Malaysia (dieser Besuch wurde wegen des Terroranschlags in Tuschino abgesagt) einen kurzen Zwischenstopp in der aserbaidschanischen Hauptstadt einlegen. Klar ist, auch wenn der Besuch von Putin in Malaysia stattgefunden hätte, wäre es ihm trotzdem nicht gelungen, Alijew zu treffen. Wegen der Krankheit ist dem Präsidenten Aserbaidschans der Andrej-Perwoswannyj-Orden immer noch nicht überreicht worden, mit dem Russland ihn am 80. Geburtstag auszeichnete. Aus dem selben Grund können mit Gejdar Alijew die Moskau interessierenden Probleme der regionalen Sicherheit, der Beilegung des Karabach-Konfliktes und, was am wichtigsten ist, die Frage der möglichen Kandidaten für das Amt des Präsidenten Aserbaidschans nicht erörtert werden.

Heute warten 18 Kandidaten darauf, von der Zentralen Wahlkommission registriert zu werden. Jeder von ihnen muss mindestens 50 000 Unterschriften von Wählern vorlegen, die ihn unterstützen. Experten sind jedoch der Ansicht, dass der gewichtigste Beitrag zur Wahlkampagne eines der Anwärter die Unterstützung Moskaus wäre. Einer der Versionen zufolge steht der Besuch von Wladimir Putin mit der Absicht Russlands in Zusammenhang, die Kandidatur des Sohnes von Gejdar Alijew, Ilmchan, für das Amt des Präsidenten zu unterstützen. Der Botschafter Russlands in Baku, Nikolaj Rjabow, dementiert solche Behauptungen natürlich kategorisch: "Wir werden mit dem Staatsoberhaupt zusammenarbeiten, das das Volk wählt."

In dieser nicht einfachen Situation erinnerte Washington in der letzten Woche ganz unerwartet daran, dass das US-Außenministerium hofft, dass "die für den Oktober vorgesehenen Wahlen in Aserbaidschan entsprechend der Verfassung und den Normen des internationalen Rechtes verlaufen werden". Außenamtssprecher Richard Boucher hob die Wichtigkeit der Wahlen hervor und unterstrich, dass "die USA den Wahlprozess aufmerksam verfolgen werden". Konkreter äußerte sich über die Ereignisse in der Republik der Berichterstatter der PACE-Beobachtungsgruppe Andreas Gross: "Die Hoffnung auf demokratische Wahlen könnte sich als Illusion herausstellen." OSZE und PACE machen keinen Hehl daraus, dass bei ihnen Besorgnis die Tatsache hervorruft, dass es keine wahrheitsgemäßen Informationen darüber gibt, in welchem Gesundheitszustand sich Gejdar Alijew befindet und inwieweit er im Stande ist, an der Wahlkampagne teilzunehmen.

Experten kommen bei der Analyse der Ereignisse zu der Schlussfolgerung, dass der Besuch des russischen Präsidenten in Baku auf jeden Fall in der nächsten Zeit stattfinden wird. Es ist nämlich so, dass demnächst der iranische Präsident Mohammed Khatami Aserbaidschan einen Besuch abstatten wird. Lokale Beobachter gehen davon aus, dass er, sollte der Präsident des Landes nicht anwesend sein, mit Ilmchan Alijew die Perspektiven der Entwicklung der politischen Situation in Aserbaidschan erörtern wird. Allem Anschein nach interessiert dieses Thema sowohl Moskau als auch Washington. Die Experten gehen davon aus, dass es für Alijew sehr wichtig sei, sich die Unterstützung von Moskau und Teheran zu sichern. Nicht minder wichtig sei es aber, mit den Treffen mit Putin und Khatami den Westen zu warnen, dass - sollte die Rechtmäßigkeit der Wahlen im Land aus irgendwelchen Gründen angezweifelt werden - Baku sich mit den Konkurrenten Washingtons in der Region enger zusammenschließen könnte. (lr)