1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

Österreich wählt: Was steht auf dem Spiel?

29. September 2024

Bei den Wahlen in Österreich entscheidet sich, ob die rechte FPÖ die meisten Stimmen holt. Lange galt dies als recht wahrscheinlich. Doch der Vorsprung schwindet.

https://p.dw.com/p/4l7xe
Wien | FPÖ-Wahlparty mit Herbert Kickl und Harald Vilimsky (Juni 2024), daneben eine klatschende Frau vor Personen mit Schildern "Danke Österreich"
Wird die rechte FPÖ ihren Wahlerfolg von den Europawahlen bei den nationalen Wahlen wiederholen können? Im Bild Parteichef Herbert Kickl und EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky bei der Wahlparty im Juni 2024. Bild: Helmut Fohringer/APA/dpa/picture alliance

Bei den Wahlen an diesem Sonntag werden die politischen Karten neu gemischt. Und das voraussichtlich für die nächsten fünf Jahre, denn so lange dauert eine volle Legislaturperiode in Österreich. Die rund 6,3 Millionen wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher können sich zwischen sehr unterschiedlichen Parteien aus dem politischen Spektrum entscheiden. Vor allem geht es aber um die Frage, ob die rechte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) erneut die stärkste politische Kraft wird. Denn bereits bei den Europawahlen im Juni holten die Rechtspopulisten die meisten Stimmen in der Alpenrepublik. 

Rechte FPÖ führt Umfragen seit Monaten an

Seit mehr als einem Jahr liegt die FPÖ in den Umfragenauf dem ersten Platz - lange Zeit mit knapp 28 Prozentpunkten. Dicht gefolgt von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) mit meist um die 25 Prozent und den Sozialdemokraten mit rund 20 Prozent. Die derzeit noch mitregierenden Grünen und die liberale Partei NEOS kämpfen mit Werten um die zehn Prozent um den vierten Platz. Mit der Kommunistischen Partei Österreich (KPÖ) und der Bier-Partei des Kabarettisten Dominik Wlazny hoffen noch zwei Kleinstparteien darauf, die Hürde von vier Prozent zu schaffen und in die Abgeordnetenkammer einzuziehen.

Üblicherweise gehe es bei der Wahlentscheidung um eine Fülle von Themen, sagt Sylvia Kritzinger, Professorin für Politikwissenschaften an der Uni Wien, im DW-Gespräch. Doch bei dieser Wahl seien Migration und Sicherheit besonders wichtig für viele Wähler in Österreich.

Extreme Rechte: die neue Macht in der EU?

Hat Rechtspopulist Kickl Chancen auf die Kanzlerschaft? 

"Euer Wille geschehe" verspricht der Rechtspopulist Herbert Kickl auf Wahlplakaten im Land. Ein "Volkskanzler" wolle er werden, verspricht er seinen Wählern. Ein Begriff, der in den 1930er Jahren auch für Adolf Hitler genutzt wurde, wobei Kickl eine gezielte Anspielung bestreitet. Doch selbst, wenn er die meisten Stimmen bekommen sollte, stehen seinem Vorhaben mindestens noch zwei andere Männer im Weg. Erstens der noch amtierende Kanzler Karl Nehammer von der ÖVP und dann auch noch Alexander Van der Bellen. 

Der ehemalige Grünen-Politiker ist österreichischer Bundespräsident und damit zuständig für die Ernennung des Bundeskanzlers. In seiner Entscheidung, wen er dazu ernennt, sei das Staatsoberhaupt frei und unabhängig, sagt Peter Filzmaier. In Österreich werde der Bundeskanzler nämlich nicht durch das Parlament gewählt, erklärt der Politikprofessor der Donau-Universität Krems auf DW-Anfrage.

Van der Bellen hat im Vorfeld durchblicken lassen, dass er Kickl nicht als Kanzler vereidigen würde. Der Regierungsauftrag könnte also nicht unbedingt an den Wahlsieger gehen.

Nehammer will nicht mit Kickl in Regierung sitzen

Karl Nehammer wiederum hat mehrfach ausgeschlossen, mit Kickl in eine Koalition zu gehen oder auch nur Regierungsverhandlungen zu führen. In einem Fernsehduell in dieser Woche bezeichnete der noch amtierende Bundeskanzler seinen Herausforderer als "radikalisiert" und warf ihm Verschwörungsmythen vor. Diese Haltung bezieht sich allerdings nur auf die Person Herbert Kickl, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ hat Nehammer nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Österreichs Kanzler Karl Nehammer an Mikrofon vor Österreich- und Europaflagge
Der derzeitige Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat eine Zusammenarbeit mit dem Rechtspopulisten Herbert Kickl bereits ausgeschlossen. (Archivbild) Bild: Michael Indra/SEPA.Media/IMAGO

Welche Koalitionen sind möglich?

Beobachter sehen Schnittmengen zwischen ÖVP und FPÖ, etwa im Bereich der Wirtschafts- oder Migrationspolitik. Beide stehen für einen restriktiven Kurs in der Migrationspolitik. So setzt sich die ÖVP in ihrem Wahlprogramm für ein "striktes Asylsystem" ein und will illegale Migration stoppen und Verfahren im Ausland schaffen.

Die FPÖ wirbt weiter mit einer "Festung Österreich", will Zurückweisungen an der österreichischen Grenze, Grenzzäune in sensiblen Gegenden und eine Aussetzung des Asylrechts bei Überlastung. Außerdem steht die Partei für eine sogenannte "Remigration". Der Begriff selbst ist umstritten, die Rechtspopulisten sagen, sie verstehen darunter die "Rückführung aller illegal Eingereisten auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen". Der Begriff wird im österreichischen Verfassungsschutzbericht 2023 als rechtsextremistisch eingestuft und steht, laut diesem, in Verbindung mit der identitären Bewegung.

Zuletzt gab es eine ÖVP-FPÖ Koalition unter dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz. Diese endete schlagartig durch die sogenannte "Ibiza"-Affäre. Innerhalb der FPÖ gilt es als ausgeschlossen, dass die Partei im Falle eines Wahlerfolgs ihren Spitzenkandidaten Kickl für eine Regierungspartei opfert. Denkbar wäre deshalb, dass sich die ÖVP um die Sozialdemokraten und um eine dritte Partei, beispielsweise die NEOS, bemüht. Mit den Grünen, mit denen sie derzeit noch regiert, hat sich die ÖVP insbesondere wegen des sogenannten Renaturierungsgesetzes verkracht. Ein Dreierbündnis wäre in Österreich ein Novum.

Die ÖVP holt auf den letzten Metern auf

Doch noch sind nicht alle Kreuzchen der Wähler gesetzt. Die jüngsten Umfragen sehen den Abstand der FPÖ zur ÖVP nur noch bei ein bis zwei Prozent. Das könnte auch an dem verheerenden Hochwasser liegen, das vor knapp zwei Wochen weite Teile des Landes überflutet hat Für den amtierenden Kanzler Nehammer war es zumindest eine Gelegenheit, sich als tatkräftiger Krisenmanager zu präsentieren. Für die FPÖ sei das "sicher ein Nachteil" gewesen, meint Politologe Filzmaier. Denn bis zum Hochwasser habe das Thema Zuwanderung, und damit ein Kernthema der FPÖ, den Wahlkampf beherrscht.

Hochwasser Österreich | Feuerwehrwagen bei einem Einsatz durchfährt Wasser auf einer Straße
Wird das Hochwasser zum "Game-Changer" bei den Österreich-Wahlen? Hier abgebildet ein Feuerwehrwagen bei einem Einsatz im niederösterreichischen Pottenbrunn am 16. September 2024. Bild: Christian Bruna/Getty Images

Alexander Pröll will für die ÖVP in den Nationalrat einziehen. Gemeinsam mit anderen Wahlkampfhelfern verteilte er im Wahlkampf Tüten - oder Sackerl, wie es in Österreich heißt - mit kleinen Geschenken, darunter auch Taschentücher. Von denen würden viele gebraucht werden, sollte Kickl Kanzler werden, heißt es auf der Packung. Aber so weit werde es gar nicht kommen, sagt Pröll: "Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Kanzler weiter Karl Nehammer heißt."

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel