Äthiopien: Machtkampf eskaliert weiter
7. November 2020Der Machtkampf in Äthiopien zwischen der Bundes- und der Regionalregierung der Region Tigray nimmt an Schärfe zu. Wie der staatliche Fernsehsender Fana BC meldet, erlaubte das Parlament in Addis Abeba der Bundesregierung, die Regionalregierung aufzulösen und auszutauschen. Am Freitag hatte die Regierung Luftangriffe auf Tigray geflogen, nachdem in den vergangenen Tagen bereits heftige Kämpfe in der Region stattgefunden hatten.
Auslöser der militärischen Konfrontation war der mutmaßliche Angriff der paramilitärischen Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) auf eine Militärbasis am Mittwoch. Der Angriff verschärfte die seit Monaten bestehenden Spannungen zwischen der Bundesregierung in Addis Abeba und der Regionalregierung in Tigray.
Die Regionalregierung hatte im September Wahlen abgehalten, obwohl das Parlament in Addis Abeba wegen der Corona-Pandemie alle Amtszeiten verlängert und sämtliche Wahlen im Land verschoben hatte. Die Regionalregierung erklärte, die Bundesregierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed nicht mehr anzuerkennen.
Abiy Ahmed teilte am Freitag mit, die Armee habe mit den Luftschlägen und Offensiven in Tigray unter anderem Infrastruktur und Waffen der TPLF zerstört. Die TPLF fordert wie die Regionalregierung mehr Autonomie von der Regierung in Addis Abeba.
Die Regierung Äthiopiens habe mehrere Monate lang versucht, die Differenzen zwischen der TPLF-Führung friedlich zu lösen, twitterte Abiy Ahmed. Doch dies sei gescheitert. Der Präsident der Region Tigray, Debretsion Gebremichael, sprach am Donnerstag von "Feinden, die gegen die Region Tigray Krieg führen" und sagte, man werde die Angriffe "abwehren und diesen Krieg gewinnen".
Frieden mit den Nachbarn, Spannungen im eigenen Land
Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat und wurde jahrzehntelang von Meles Zenawi regiert, der aus der Region Tigray stammt. Die TPLF war die dominante Partei in dessen Koalition, die ihre Macht in dem ostafrikanischen Land mit harter Hand durchsetzte.
Dies änderte sich, als Abiy Ahmed 2018 an die Regierung übernahm: Er brachte Reformen auf den Weg, entfernte Funktionäre der alten Garde und gründete eine neue Partei, der die zuvor in der Parteienkoalition vertretene TPLF nicht beitrat. Die TPLF und viele Menschen in Tigray fühlen sich von der Zentralregierung nicht vertreten und wünschen sich größere Autonomie.
Abiy Ahmed wurde wegen des Friedensabkommens, das er mit dem Nachbarland Eritrea abschloss, 2018 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Unter seiner Führung sind die ethnischen Spannungen und Konflikte in Äthiopien mit seinen rund 112 Millionen Einwohnern angestiegen.
AR/as (epd, dpa, afp)