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Die Deutschen und der Bart

28. Oktober 2010

Echte Männer tragen Bärte – sagen die einen. Bärte sind spießig und hässlich, so die anderen. Neuerdings aber sieht man in Deutschland immer öfter junge Männer, die Bart tragen, sei es Vollbart oder Schnauzer.

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Schnurrbart-Collage: sechs Detailfotos zeigen jeweils einen Schnurrbart und sind nebeneinander angeordnet (Foto: Insa Moog)
Viele, viele Schnurrbärte...Bild: Insa Moog

Es ist noch nicht lange her, da galt der Oberlippenbart als Merkmal der Stillosigkeit. Doch wie das mit der Mode so ist: Was gestern "in" war, ist heute "out", ist morgen wieder "in". Und wenn sich dann plötzlich Hollywoodstars wie Brad Pitt, Jude Law oder Leonardo Di Caprio wieder mit Schnauzer oder Vollbart in der Öffentlichkeit zeigen, dann hat das auch in Deutschland seine Wirkung.

Glatt wie eine Frau? Kommt nicht in die Tüte...

Porträt Gunnar Hämmerle (Foto: Gunnar Hämmerle)
Bart mit Hut: Gunnar HämmerleBild: Gunnar Hämmerle

Seit einer Weile sind Vollbart und Schnurrbart auch wieder zurück auf deutschen Straßen – allerdings vorwiegend bei Männern unter 30 Jahren. Verwunderlich ist das im Grunde nicht, erlebt doch der Stil der 1980er Jahre mit knallengen Röhrenjeans, Leggins und Fledermausshirts schon seit mehreren Jahren ein großes Revival. Nun ist also das Gesichtshaar an der Reihe. "Der Bart feiert ein Comeback, egal ob Vollbart oder Schnauzer", sagt auch Gunnar Hämmerle. Der 39-jährige Fotograf ist regelmäßig in den Metropolen der Welt unterwegs, immer auf der Suche nach Menschen mit besonderem Stil. Bekannt geworden ist er als "Styleclicker", seine Bilder veröffentlicht er im gleichnamigen Modeblog. "Skandinavien ist in Sachen Trends meist etwas voraus, Bärte und Schnäuzer habe ich dort schon vor zwei, drei Jahren gesehen", sagt er. Doch die Welle schwappe erst jetzt nach Deutschland. Vollbärte werden seiner Beobachtung zufolge gerade in alternativeren Kreisen schön länger getragen, den "Nasenbesen" – so kann man den Schnurrbart auch bezeichnen – sehe er bislang noch seltener.

Vorbei ist es nach Meinung von Hämmerle nun aber mit dem androgynen Styling, das für Männer bis zuletzt angesagt war: glattrasiert im Gesicht und am ganzen Körper. Eine Entwicklung, die er begrüßt, denn für ihn ist der Bart "Teil des Mannseins". "Warum sollte ich versuchen, so glatt wie eine Frau zu sein?" Hämmerle selbst trägt einen Vollbart, den er regelmäßig stutzt. Weil es sich gut anfühlt, Bart zu tragen und "weil ich damit älter, seriöser, ein bisschen professorenhaft aussehe."

Flash-Galerie Der Bart ist zurück
Umfrage auf der Straße: Für diesen jungen Mann ist der Bart ein Muss. "Glattrasiert sehe ich fünf Jahre jünger aus". Das bestätigt auch seine Freundin - sie mag den Bart...Bild: Insa Moog

Internationale Bartmeisterschaften

Willi Preuß hat es gar nicht erst mit androgynem Styling versucht. Der 52-Jährige Omnibusfahrer ist Präsident des Verbandes Deutscher Bartclubs mit Sitz in Amberg in der Pfalz. Seit Jahren organisiert er Bartmeisterschaften im In- und Ausland mit und nimmt selbst aktiv teil. Im Jahr 2000 wurde er Europameister in der Kategorie "Vollbart naturale mit gestylter Oberlippe". Bei den Wettbewerben in 17 verschiedenen Bartkategorien ist der Altersdurchschnitt meist 50 Jahre und älter. Bei der Europameisterschaft Anfang Oktober im österreichischen Leogang hat Willi Preuß aber auch Teilnehmer unter 30 Jahren gesehen. Sie messen sich vor allem in der Kategorie "Kinnbart" und "Backenbart" und zwar jeweils im Bereich "Freistil" – Kreativität gehört dazu. Er selbst ist Bartträger aus Überzeugung: "Weil er bei der Damenwelt gut ankommt. Vorausgesetzt natürlich, er ist sauber und gepflegt."

Drei Männer mit Vollbart (Foto: Claus Zimmer)
Das ist ein richtiger Bart: Wilhelm Preuß (1. v.l.)Bild: Claus ZImmer

Eine knappe Viertelstunde widmet Preuß täglich der Bartpflege. "Der wird normal mitgewaschen, danach gibt es eine Sprühkur und es wird gebürstet. Abends noch einmal sprühen und bürsten." Will man an den Bartmeisterschaften teilnehmen, darf man allerdings nur bestimmte – zugelassene – Hilfsmittel verwenden. Auf der Internetseite des Bartclub-Verbandes heißt es dazu: "Erlaubt sind Bartwichse, Haarspray, Haarlack, Schaumfestiger, Haarwachs und Haargel. Nicht erlaubt sind Fremdhaare, Haarnadeln, stützende Elemente und ähnliches."

Kreative Gesichtsoptimierung

Bärte stylen – dafür ist auch die Düsseldorfer Promi-Friseurin Carine Bartholomé zuständig. Auf der Suche nach neuen Styling-Ideen verlässt sie sich aber nicht nur auf ihre Kreativität, sondern setzt auf Trends aus Hollywood. Sie guckt sich die neusten "Paparazzi-Fotos" auf Mode-Seiten im Internet an und kommt damit dem Kundenwunsch zuvor. "Man ist erstaunt, wie sehr auch Männer Stars nacheifern wollen." Vorbilder sind in der Regel die US-amerikanischen Schauspieler. Zwar stehe nicht jedem der Bart von Ben Affleck, Frisur und Gesichtshaar könnten aber gezielt eingesetzt werden um die Gesichtsform zu optimieren, denn "ein Bart gibt einen Schatten, damit kann man spielen", erklärt Carine Bartholomé. Generell gilt: Ein Schnurrbart verbreitert und empfiehlt sich nur für schmale bis hagere Gesichter. Dreitagebart und Vollbart geben einem runden Gesicht Kontur und lassen es länglicher wirken.

Während sich die Friseurmeisterin vor allem mit Optimierung des Typs auseinandersetzt, geht Modeblogger Gunnar Hämmerle weiter: "Ich würde mich freuen, wenn die Leute in Deutschland mit Stil und Mode mutiger würden. Mit dem Aussehen zu experimentieren, kann dabei helfen, sich selbst besser kennenzulernen." Einen Bart sollte außerdem jeder Mann einmal gehabt haben, findet der ehemalige Europameister Willi Preuß.

Autorin: Insa Moog

Redaktion: Petra Lambeck