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Russland-EU

28. September 2010

Der im September 2010 erhobene DW-Trend offenbart interessante, aber auch paradoxe Ergebnisse im Verhältnis der Russen zu Europa und der Europäischen Union.

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Teilnehmer des deutsch-russischen Jugendregionalparlaments (Foto: DW)
48 Prozent der 18- bis 29-Jährigen wollen EU-BeitrittBild: Dirk Uhlebrock

Das Verhältnis der Russen zu Europa und der Europäischen Union war ein zentraler Teil im ersten DW-Trend, den das Markt- und Meinungsforschungsinstitut IFAK im Auftrag der Russischen Redaktion der Deutschen Welle Anfang September 2010 nach repräsentativen Methoden in Russland erhoben hat.

Russland – ein Teil Europas

Die Hälfte der Russen (51 Prozent) sieht in Russland einen integralen Bestandteil Europas. Dabei stimmten 34 Prozent der Aussage "Russland ist ein integraler Bestandteil Europas" vollständig zu und 17 Prozent stimmten zu. Weitere 17 Prozent konnten dieser Aussage weder zustimmen noch sie ablehnen, waren also unentschieden. Weniger als ein Drittel der Befragten (28 Prozent) waren nicht der Meinung, dass Russland ein integraler Bestandteil Europas sei.

Infografik DW-Trend zur Frage: Ist Russland ein integraler Bestandteil Europas? (Grafik: DW)

Russland – eine eigene Zivilisation

Obwohl also eine Mehrheit der Russen Russland für einen festen Bestandteil Europas hält, sieht nur eine Minderheit Russland als ein rein europäisches Land an: Nur 12 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Russland historisch und kulturell europäisch und somit als ein europäisches Land bezeichnet werden könne. Mehr als drei Viertel der Befragten (77 Prozent) sehen Russland als eine eigene Zivilisation und als Brücke zwischen Asien und Europa. Lediglich 3 Prozent sagten, dass sie Russland für ein asiatisches Land halten.

Wann soll Russland der EU beitreten?

In der Frage, wann Russland der Europäischen Union beitreten sollte, damit es für Russland am günstigsten wäre, ist die russische Gesellschaft gespalten. Eine Mehrheit von 57 Prozent reagierte grundsätzlich ablehnend oder konnte keine Antwort auf diese Frage geben. Jedoch befürworteten 38 Prozent einen Beitritt Russlands zur EU bereits in den nächsten zehn Jahren, unter der jüngsten Befragtengruppe der 18- bis 29-Jährigen wünschten dies bereits 48 Prozent. Die deutlichste Ablehnung eines russischen EU-Beitritts ist mit 34 Prozent bei den 30- bis 39-Jährigen zu finden.

Infografik DW-Trend zur Frage: Wann sollte Russland Mitglied der EU werden? (Grafik: DW)

Russen sehen in EU Wirtschafts- und Sicherheitsunion

Bei der Befragung der Russen nach ihrer Sichtweise auf die Europäische Union offenbarte sich, dass für die Russen die EU vor allem eine Wirtschafts- und Sicherheitsunion ist und weniger eine auf gemeinsamen Werten eintretende Gemeinschaft.

Für mehr als die Hälfte der Russen (55 Prozent) setzt sich die Europäische Union für wirtschaftliches Wachstum in der gesamten EU ein. Diese Wahrnehmung ist auch deckungsgleich mit dem, was der Mehrheit der Befragten persönlich wichtig ist (52 Prozent). Die zweithäufigste Nennung bei dieser Frage, wonach sich die EU in erster Linie richtet, war mit 27 Prozent die Entwicklung eines gemeinsamen Sicherheitssystems in Europa. Dies wurde mit 35 Prozent sogar signifikant häufiger als persönliche Priorität genannt.

Die Entwicklung gemeinsamer Werte, Demokratie und Meinungsfreiheit sowie die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität hält nur eine deutliche Minderheit mit jeweils unter 15 Prozent der Befragten für ein Ziel der Europäischen Union. Zugleich gaben aber auch jeweils weniger als 15 Prozent an, dass Ihnen persönlich diese Ziele wichtig seien. Die Europäische Union wird somit eher mit wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Aspekten als mit freiheitlich-demokratischen Werten in Verbindung gebracht.

Infografik DW-Trend zur Frage: Wofür steht die EU? (Grafik: DW)

Russen sehen EU-Osterweiterung gelassen

Eine Erweiterung der Europäischen Union nach Osten um Staaten wie Belarus, die Republik Moldau und die Ukraine wird von den Russen nicht sehr skeptisch gesehen. Auf die Frage, wie Russland auf eine solche Erweiterung reagieren sollte, gaben nur 7 Prozent an, dass Russland dem entgegenwirken solle. Nach Meinung von 26 Prozent sollte Russland gar nicht darauf reagieren, und 38 Prozent gaben an, dass Russland dann selbst eine Mitgliedschaft in der EU anstreben sollte.

Ziele der russischen EU-Politik

Zu den wichtigsten Zielen in der Zusammenarbeit der russischen politischen Führung mit der Europäischen Union zählen daher die Russen auch die Bereiche gemeinsame Sicherheitspolitik (40 Prozent), höhere Investitionen in Russland (39 Prozent) und visafreie Einreise in die EU-Staaten (28 Prozent). Nur 8 Prozent nannten eine EU-Mitgliedschaft als vorrangiges Ziel der russischen Außenpolitik.

Infografik DW-Trend zur Frage: Was sollte Russland in den Beziehungen zur EU anstreben? (Grafik: DW)

Visafreiheit zwischen Russland und der EU

Eine visafreie Einreise russischer Bürger in die Europäische Union wäre ein deutlicher Reiseanreiz. Mehr als die Hälfte der Russen (54 Prozent) gaben an, dass Sie bei einem Wegfall der Visumspflicht häufiger in die Europäische Union reisen würden. Nur 8 Prozent hatten kein Interesse dann häufiger in die EU zu reisen. 30 Prozent gaben an, dass sie auf Grund fehlender Mittel nicht häufiger in die Europäische Union reisen würden.

Methode der Umfrage

Die Befragung wurde bevölkerungsrepräsentativ in Russland durchgeführt. Es wurden 1000 Personen an 39 Sample-Points in ganz Russland im Zeitraum vom 01. September bis zum 13 September befragt. Die Gesamtheit der Befragten entspricht der Bevölkerungsstruktur Russlands.

Autoren: Ingo Mannteufel, Sergey Govoruha
Redaktion: Markian Ostaptschuk