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Eine Schule für alle

30. November 2009

Integrieren statt sortieren - so lautet das Motto an der katholischen Grundschule im Bonner Stadtteil Mehlem. Muslimische und christliche Kinder lernen hier gemeinsam Deutsch und Arabisch, lesen den Koran und die Bibel.

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Kindern beim Lernen im Klassenzimmer (Foto: Ludolf Dahmen)
Zusammen lernenBild: Ludolf Dahmen

Auf die Unterschiede in ihren Religionen angesprochen, sehen sich Joris, Yousra, Fatima und Clara etwas ratlos an. "Die Muslime lesen im Koran und die Christen in der Bibel", erklärt die siebenjährige Yousra zögernd. "Die Muslime beten auf Teppichen, Christen nicht", sagt der achtjährige Joris, um dann bestimmt hinzuzufügen: "Das war’s eigentlich."

Wer von ihnen Moslem und wer Christ ist, wissen sie genau, aber es interessiert sie nicht besonders. Wichtiger ist dagegen, ob Fatima und Joris im Unterricht nebeneinander sitzen dürfen oder Yousra und Clara gemeinsam ihr Lied vortragen können.

Alle Kinder sind gleichberechtigt

Annie Kawka-Wegmann, Rektorin der katholischen Grundschule Bonn-Mehlem, im Unterricht (Foto: Annie Kawka-Wegmann)
Rektorin Annie Kawka-WegmannBild: Annie Kawka-Wegmann

Die Chancen dazu stehen gut. Denn in der katholischen Grundschule Bonn-Mehlem bestehen alle Klassen je zur Hälfte aus muslimischen und aus christlichen Schülern. Das war nicht immer so. Wie an vielen konfessionellen Schulen in Deutschland habe es bis vor sechs Jahren auch an der katholischen Grundschule kaum muslimische Kinder gegeben, erzählt Rektorin Annie Kawka-Wegmann. Im Gegensatz zur benachbarten Gemeinschaftsgrundschule. Dort sei es genau umgekehrt gewesen.

"Bei uns gab es eine richtige Apartheit", erzählt Annie Kawka-Wegmann. "Die Kinder waren regelrecht sortiert, die Lehrer und Eltern der beiden Schulen gingen sich aus dem Weg." Während an der Gemeinschaftsgrundschule kaum ein Schüler den Weg aufs Gymnasium schaffte, war es an der katholischen Grundschule die Mehrzahl. Von Chancengleichheit konnte also keine Rede sein.

Kein Platz für Vorurteile

Schüler im Klassenzimmer (Foto: Ludolf Dahmen)
ArabischunterrichtBild: Ludolf Dahmen

Im Jahr 2003 wurden beide Schulen zusammengelegt. Die Leitung der neuen konfessionellen, interkulturellen Grundschule übernahm Annie Kawka-Wegmann. Seitdem stehen Sprache, Kultur und Religion aller Kinder gleichberechtigt nebeneinander. Kinder aus arabischsprachigen Ländern, die die Mehrzahl der muslimischen Schüler stellen, werden im Deutschunterricht von einer Arabischlehrerin unterstützt. Nebenbei lernen die deutschen Kinder spielend arabisch. Das fördert bei allen die Sprachkompetenz.

"Viele Eltern hatten damals Angst, ihre Kinder würden leistungsmäßig abfallen, wenn wir die Klassen mischen", erzählt Annie Kawka-Wegmann. "Es war harte Arbeit, sie von unserem Konzept einer bekenntnisorientierten Grundschule mit interkulturellem Profil zu überzeugen, aber es hat sich gelohnt." Heute gibt es nicht nur eine gezielte sprachliche Förderung, die vielen Migrantenkindern den Weg aufs Gymnasium ebnet. Im evangelischen, katholischen und islamischen Religionsunterricht lernen sie gegenseitigen Respekt und Toleranz.

Den "dritten Weg" suchen

Ein Schüler zeigt mit dem rechten Zeigefinger auf ein arabisches Schriftzeichen(Foto: Ludolf Dahmen)
Was steht da?Bild: Ludolf Dahmen

"Mein Sohn hat regelmäßig die katholische Schulmesse besucht", erzählt Sophia Falchie. "Außerdem haben wir als ganze Familie die Weihnachts- und Osterfeste an der Schule mitgefeiert und dabei viel über das Christentum gelernt." Elternsprecherin Christine Hober wiederum nimmt mit ihrem achtjährigen Sohn Amadeus an den Ramadanfestlichkeiten teil. "Durch die Beschäftigung mit dem Islam ist mir mein eigener Glaube neu bewusst und wertvoll geworden", sagt sie. Außerdem habe sie Vorurteile abbauen können – etwa gegenüber verschleierten Müttern.

Ein friedvolles und respektvolles Miteinander der Religionen sei nur über persönliche Beziehung möglich, betont auch Annie Kawka-Wegmann. So versucht die Rektorin, Konflikte - etwa über die Teilnahme am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten - in jedem einzelnen Fall zu lösen. "Der dritte Weg ist immer der richtige Weg", sagt die Pädagogin. "Nicht ich habe Recht oder du hast Recht, diesen Alleinanspruch auf Wahrhaftigkeit und Wahrheit haben wir hier nicht."

Autorin: Sabine Damaschke

Redaktion: Klaus Krämer