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Nachwuchs-Star Anna Maria Mühe

Andreas Main/jk6. März 2009

Sie ist erst Mitte 20 und gilt doch schon als Shooting-Star der Branche. Und sie ist die Tochter berühmter Schauspieler. Andreas Main hat sie in Berlin getroffen.

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In "Novemberkind" war sie jüngst im Kino zu sehenBild: Schwarz Weiss Filmverleih

Es ist ein großer Schatten, aus dem sie heraustritt. Doch Anna Maria Mühe ist auf dem besten Wege. Es ist der Schatten der Schauspieler Ulrich Mühe und Jenny Gröllmann. Beide starben innerhalb eines Jahres an Krebs. Vorher befehdeten sie sich in den Medien. Das waren schwere Schicksalsschläge für Anna Maria Mühe, und kein Porträt über sie kommt an dem Streit von Vater und Mutter vorbei. Doch Anna Maria Mühe lässt sich nicht mehr auf die Eltern reduzieren. Sie ist ausgesprochen präsent im deutschen Fernsehen und Kino. Sie ist eine der bemerkenswertesten jungen Schauspielerinnen Deutschlands.

Und doch: Wie sie durch die Tür kommt und das Cafe in Berlin-Mitte betritt, da ist sie alles Mögliche - nur keine Diva! Anna Maria Mühe entschuldigt sich, dass sie ein paar Minuten zu spät ist. Parkplatzsuche. Eine ganz und gar unprätentiöse, normale junge Frau. Blondes halblanges Haar. 1,61 Meter klein. Sehr große blaue Augen. Sie antwortet kurz und knapp, sie reißt sich nicht gerade um Interviews. Sie ist lieber am Set. Dort arbeitet sie mit den ganz Großen zusammen: mit Schauspielern wie Ulrich Matthes oder Devid Striesow, mit Regisseuren wie Julie Delpy oder Til Schweiger. "Die schüchtern mich ein," sagt sie, "ich habe erstmal extremen Respekt." Aber letztlich seien das doch auch "ganz normale Menschen, die eine tolle Arbeit machen und dafür Anerkennung bekommen".

"Ich darf noch Fehler machen"

Anna Maria Mühe mit Ulrich Matthes Novemberkind
Anna Maria Mühe mit Filmpartner Ulrich Matthes (Novemberkind)Bild: picture-alliance / SCHROEWIG/Eva Oertwig

Sie genießt es, noch als Nachwuchs-Star gesehen zu werden. Das gebe ihr das Recht, "Fehler machen zu dürfen". Aber sie macht wenig Fehler. Die Kritiken fallen regelmäßig freundlich aus, oftmals begeistert. Wohl auch deshalb, weil sich Anna Maria Mühe auch an komplexe Filmstoffe wagt, an ambitionierte Projekte. Sie schien lange auf die düsteren Themen abonniert zu sein: Sie spielte eine junge Mütter mit Borderline-Syndrom, ein Vergewaltigungsopfer oder ein Sektenmitglied. Mühe scheint wie geschaffen für Opferrollen. Aber sie hat auch an der Seite von Daniel Brühl in "Was nützt die Liebe in Gedanken" eine Frau gespielt, die allen Männern den Kopf verdreht.

Die Liste der Filme ist lang, in denen diese junge Frau bereits zu sehen war. Und doch ist Anna Maria Mühe in der Lage, Selbstzweifel zuzulassen: "Wenn die Leute in fünf Jahren die Nase von mir voll haben, dann ist das halt so. Da kann ich nichts gegen machen. Ich kann mir nur treu bleiben." Das heißt: Sie wird weiter nur Projekte annehmen, die sie interessieren - und "keine nur wegen des Geldes."

Die Karriere begann in der Kneipe

Portrait Ulrich Mühe
Vater Ulrich MüheBild: AP

Die Höhen und Tiefen eines Schauspielerlebens hat sie in ihrer Familie hautnah miterlebt. Wobei dort die Höhen überwogen. Immer wieder ist vermutet worden, die berühmten Eltern Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe hätten nachgeholfen, damit die Tochter Karriere macht. Doch Anna Maria Mühe besteht darauf, dass ihre Eltern nichts damit zu tun hatten: "Es ist wirklich wahr: Ich wurde in einem Berliner Lokal entdeckt - im 'Route 66 in der Pariser Straße."

Da war sie 15 Jahre alt. Ulrich Mühe, einer der bekanntesten deutschen Schauspieler – sowohl zu DDR-Zeiten als auch im vereinten Deutschland – dieser Ulrich Mühe wollte, dass seine Tochter studiert und einen ordentlichen Beruf ergreift. Sie verließ die Schule, gegen den Willen der Eltern. "Ich bereue keinen Tag, dass ich die Schule abgebrochen habe." Es sei bis heute "ein großes Freiheitsgefühl." Wobei sie einräumt, dass sie Glück gehabt hat. "Es hätte auch ganz anders laufen können. Aber es hat sich alles gefügt." Und so macht sie bis heute einen großen Bogen um die Schauspielschule. "Wieso soll ich noch mal vier Jahre die Schulbank drücken? Ich hasse die Schulbank." Außerdem könne und wolle sie es sich nicht leisten, vier Jahre von der Bildfläche zu verschwinden.

Der Name Mühe ist eine Bürde

Schauspielerin Anna Maria Mühe
Bei der 59. Berlinale war sie mit dem Film "Eden is West" dabeiBild: picture-alliance/dpa

Immer wieder hat Anna Maria Mühe beklagt, der Name der berühmten Eltern sei ihr zeitweise lästig gewesen. Und doch reagiert sie nicht genervt, wenn sie auf ihre Eltern angesprochen wird. "Ich bin ja nun mal die Tochter. Und ich bin da auch stolz drauf." Die Herkunft aus einer großen Künstlerfamilie belastet sie aber. "Ein enormer Druck. Ich muss ja mindestens genauso gut sein wie die Eltern. Und das geht natürlich nicht. Wie soll das gehen mit meinen 23 Jahren?" Sie versucht diese Bürde umzudeuten: "eine Herausforderung", schmunzelt sie.

Anna Maria Mühe hat innerhalb kurzer Zeit beide Elternteile verloren. Eltern, die sich noch auf dem Krankenbett aufs heftigste bekriegten. Eine sehr deutsche Ehetragödie. Er warf der Ex-Frau vor, sie habe ihn im Auftrag der DDR-Staatssicherheit bespitzelt. Ein Vorwurf, der nie bewiesen wurde, aber seitdem in der Luft hängt. Dieser Ehe-Krieg wurde auch auf den Titelseiten der Boulevard-Blätter ausgetragen. Dazu sagt Anna Maria Mühe nur eines: "Ich habe beide geliebt und werde niemals öffentlich Schiedsrichter spielen."

Vorsichtiger Umgang mit der Öffentlichkeit

Vom Vater habe sie die Ungeduld geerbt, und aufgrund der vielen Umzüge mit der Familie sei sie offen für neue Menschen. Aber mehr Privates will sie nicht offenbaren. Sie hat sich einen vorsichtigen Umgang mit der Öffentlichkeit verordnet. Als bäte sie um eine Schonfrist. Und das ist schlau. Denn es besteht die Gefahr, verheizt zu werden. Anna Maria Mühe wird schon jetzt hoch gehandelt. Nachwuchs-Star ist sie schon heute. Wie lang es wohl dauern werde, bis sie nicht mehr als Nachwuchs-Star bezeichnet wird, sondern als Star. "Darüber mache ich mir nun wirklich keine Gedanken." Und wieder dieses entwaffnende Lächeln. "Das sollen andere entscheiden."