1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pipelines im Kaukasus sorgen für Unabhängigkeit

Birgit Wetzel6. Juli 2005

Hohe Berge und klare Flüsse durchziehen das fruchtbare Land zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer. Diese scheinbare Idylle ist ein zentraler Schauplatz für den Kampf um immer teurer werdende Energieressourcen.

https://p.dw.com/p/6sgF
Georgien profitiert von Öl- und GasdurchleitungenBild: dpa

Sie gehörte zu den umstrittensten Infrastruktur-Projekten der vergangenen Jahre und trägt einen Namen aus drei Buchstaben: die Öl-Pipeline BTC. Stellvertretend für Baku, Tiflis und Ceyhan und den Weg, den sie vom Kaspischen Meer bis zum Mittelmeer nimmt. Umweltschützer kritisierten die knapp 1.700 km lange Rohrleitung, da sie durch Naturschutzgebiete und Erdbebenzonen führt. Die Regierungen der Region versprachen sich dagegen neue Einnahmequellen und mehr internationale Aufmerksamkeit. Nun soll eine Gaspipeline zur Ölleitung hinzukommen und unter anderem Georgien von russischen Lieferungen unabhängiger machen.

Wachstum mit Öl und Gas

Baku-Tbilisi-Ceyhan pipeline
Einweihung der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC) südlich von Tiflis (Archiv 2003)Bild: AP

Unter der Erdoberfläche ziehen sich zwei neue Pipelines wie feine Fäden durch den Südkaukasus, der erst jetzt aus den Turbulenzen der post-sowjetischen Ära seinen Weg in die Weltpolitik und zu den Märkten Europas findet. Die eine Pipeline, die teuerste und längste der Welt, ist im Mai 2005 eingeweiht worden und transportiert Öl vom kaspischen Baku zum türkischen Mittlermeerhafen Ceyhan. Das steigende Interesse des Westens am Südkaukasus als Transitkorridor für die kostbaren Energieträger aus der kaspischen Region soll auf Jahre hinaus dort Wachstumsimpulse, Sicherheit und Stabilität geben.

Die zweite Pipeline, eine Gaspipeline namens South Caucasus Pipeline (SCP), soll die Region, die einst den äußersten südlichen Rand des Sowjetimperiums darstellte, endgültig aus der energiepolitischen Abhängigkeit von Moskau lösen. Früher nutzte die Moskauer Regierung ihr Monopol in der Gasversorgung als Instrument der Macht. Politische Meinungsunterschiede wurden nicht selten gelöst, indem man kurzfristig die Gasversorgung der Querulanten verknappte oder gar ganz abstellte. Nun arbeiten die Regierungen in Tiflis und in Baku fieberhaft an einer von Moskau unabhängigen Energieversorgung.

Gas statt Gebühren

Noch am 25. Februar betonte der georgische Präsident Saakaschwili, die Regierung werde nichts tun, was das Land von einem monopolistischen Apparat abhängig mache. Die russische Firma Gazprom, an die der Satz gerichtet war, ist bis heute der einzige Versorger der Region. Sie wird ihre Monopolstellung verlieren, sobald die neue SCP das Gas aus Aserbaidschan in georgische Rohre und weiter nach Westen leitet. Georgien erhält statt Transitgebühren billiges Gas, so billig und so viel, dass die jetzt wachsende Wirtschaft noch viele Jahre davon profitieren wird.

Weitere Informationen zu Georgien finden Sie hier

"Wir haben sie um Gas als Ware gebeten, denn wir sind Netto-Importeure und wir brauchen Gas. Wir brauchen kein Geld, um dann nach Russland zu gehen und teureres Gas zu kaufen", erklärt ein Berater der georgischen Regierung, der Ingenieur Teimuraz Gogitashwili. "Wir haben einen sehr guten Vertrag bekommen." Fünf Prozent des Transit-Gases bekommt Georgien nun kostenlos - so genanntes Options-Gas für Georgien.

Viel Spielraum

Die neue Gaspipeline hat mit 20 Billionen Kubikmetern Gas pro Jahr eine normale Kapazität. Die vereinbarten fünf Prozent des durchgeleiteten Gases, die Georgien kostenlos beziehen wird, sind genug, um das Land heute komplett zu versorgen.

Bei voller Auslastung der Pipeline liegt die Kapazität der neuen Versorgungslinie noch um die Hälfte höher. Georgien könnte dann sogar 1,5 Billionen Kubikmeter Gas pro Jahr kostenlos erhalten. Nach Berechnungen von Experten ist damit das kleine Land sogar bei günstiger wirtschaftlicher Entwicklung bis zum Jahre 2020 komplett und kostenlos mit kaspischem Gas versorgt. Sollte der georgische Verbrauch noch höher steigen, wird man weitere Lieferungen zu Preisen erhalten, die deutlich unter den Weltmarktpreisen liegen.

Europäisches Interesse

Am kaspischen Gas sind insbesondere die neuen EU-Länder im Osten und Südosten Europas interessiert. Auch Deutschland hat Interesse bekundet, denn ein Drittel des verbrauchten Gases kommt allein aus russischen Pipelines. Weil ihre Kapazitäten weitgehend erschöpft sind, der Verbrauch aber weiter steigt, soll nun eine Versorgungslinie aus Russland durch die Ostsee nach Norddeutschland und bis nach Großbritannien gebaut werden. Wenn eine politische Erpressbarkeit verhindert werden soll, werden dringend andere Quellen gebraucht. Eine Möglichkeit wäre das Gas aus dem Kaukasus. Experten aus der Region und Kollegen aus der Ukraine sprechen jetzt über Wege und Preise, wie Mitteleuropa vom Kaspischen Meer aus versorgt werden kann.

Für die energiehungrigen Mitteleuropäer, die dringend nach weiteren Energieressourcen suchen, wie auch für den Südkaukasus, der für seine Unabhängigkeit die internationalen Märkte erreichen muss, ist das kaspische Gas von enormer Bedeutung. So gewinnen Georgien als Transitland und Aserbaidschan als Lieferant enorm an Bedeutung. Mit einer modernen Infrastruktur zum Vertrieb seiner Ölvorräte wird Aserbaidschan zur Drehscheibe für kaspisches Öl und Gas: Hier treffen sich die drei Erdölleitungen Baku-Supsa, Baku-Noworossijsk und Baku-Tiflis-Ceyhan, sowie die Gaspipeline Baku-Tiflis-Erzurum.

Die Integration der kleinen Kaukasus-Staaten in das europäische Wirtschaftssystem kommt damit einen großen Schritt voran. Die geplanten Erdöl- und Erdgaspipelines bewirken eine transportpolitische Neuordnung der kaukasisch-zentralasiatischen Region, der Staatenwelt des Schwarzen Meeres und des Mittelmeers. Ein Schritt, um die handels- und wirtschaftspolitischen Beziehungen in der Region sowie zwischen Europa und Asien zu vertiefen.