Iran und Israel: Eskalation eines Schattenkrieges
10. April 2024Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen hat Israel auch seine Angriffe auf Teherans Verbündete im Libanon und Syrien verstärkt. In diesem Kontext waren bei Luftangriffen auf ein iranisches Konsulatsgebäude in Syriens Hauptstadt Damaskus Anfang April mindestens 13 Menschen getötet worden, darunter sieben hochrangige Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden. Der Iran, Syrien und Russland machten Israel für den Angriff verantwortlich. Israel selbst äußerte sich nicht zu diesem Vorfall.
"Der Angriff auf ein iranisches Konsulatsgebäude war beispiellos. Nach einem langen Schattenkrieg mit dem Iran scheint Israel seine Strategie geändert zu haben", sagt der Nahost-Experte Arash Azizi gegenüber der DW. Azizi unterrichtet Geschichte und Politikwissenschaften an der Clemson University im US-Bundesstaat South Carolina. Er ist der Autor des Buchs "The Shadow Commander" über den Anfang 2020 durch einen US-amerikanischen Drohnenangriff getöteten General der Revolutionsgarden Quasem Soleimani und die regionalen Ambitionen Irans.
Die Kommandeure der iranischen Revolutionsgarden spielen eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung und Finanzierung der Hisbollah-Miliz im Libanon, die für zahlreiche Anschläge gegen Israel verantwortlich ist. Als Reaktion auf den Angriff auf das Konsulat in Damaskus droht die Führung in Teheran, israelische Vertretungen im Ausland ins Visir zu nehmen.
Der Iran sei gezwungen, auf die gezielten Tötungen hochrangiger Offiziere der Revolutionsgarden zu reagieren, meint Azizi. "Wenn der Iran jetzt nicht reagiert, würde das heißen, dass der Iran keine Abschreckungsmöglichkeiten gegen Israel hat".
Azizi geht gleichzeitig davon aus, dass die Reaktion des Iran in einem beschränkten Rahmen bleibt. Der Iran suche jetzt keine große militärische Konfrontation mit Israel. Denn ein Angriff auf Israel könnte die USA zwingen, sich in den Konflikt einzumischen, was unabsehbare Folgen für Teheran haben könnte.
Aus Verbündeten wurden Feinde
Der Iran und Israel sind seit Jahrzehnten verfeindet. Teheran spricht Israel das Existenzrecht ab und droht dem "zionistischen Regime" mit Vernichtung. Israel seinerseits betrachtet den Iran als seinen Erzfeind. Das war aber nicht immer so.
Bis zur Islamischen Revolution 1979 im Iran waren beide Länder eng verbündet. Der Iran zählte sogar zu den ersten Staaten, die 1948 das Existenzrecht Israels und seine Unabhängigkeit anerkannten. Israel betrachtete im Nahostkonflikt den Iran als Alliierten gegenüber den arabischen Staaten. Für Teheran bildete das ebenfalls von Washington unterstützte Israel ein willkommenes politisches Gegengewicht zu den arabischen Nachbarländern.
Israel bildete iranische Agrarexperten aus, lieferte technisches Know-how und half beim Aufbau und Training der persischen Streitkräfte. Der Schah bezahlte dafür mit Öl, das im wirtschaftlich aufstrebenden Israel dringend gebraucht wurde.
Im Iran lebte die zweitgrößte jüdische Gemeinde außerhalb Israels. Nach der Revolution verließ zwar ein größerer Teil der Juden das Land. Doch noch heute leben mehr als 20.000 Juden im Iran.
Wendepunkt Islamische Revolution
Nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran 1979 und der Machtübernahme des religiösen Flügels innerhalb der Revolutionäre unter Ajatollah Ruhollah Chomeini annullierte Teheran alle Verträge mit Israel. Ajatollah Chomeini kritisierte Israel wiederholt scharf für seine Besetzung palästinensischer Gebiete. Teheran entwickelte Schritt für Schritt eine gegen Israel gerichtete scharfe Rhetorik mit dem Ziel, die Gunst der arabischen Staaten zu gewinnen oder zumindest die Sympathie der Bevölkerung in diesen Ländern. Das Regime im Iran wollte so den eigenen Einfluss zu vergrößern.
Als Israel 1982 in den libanesischen Bürgerkrieg eingriff und in den Süden des Landes einmarschierte, schickte auch Chomeini iranische Revolutionsgarden nach Beirut, um die dortigen schiitischen Milizen zu unterstützen. Bis heute gilt die damals entstandene Hisbollah-Miliz als verlängerter Arm Teherans im Libanon.
Irans derzeitiger religiöser Führer Ayatollah Ali Chamenei, der in allen Angelegenheiten das letzte Wort hat, führt diese Politik fort. Chamenei und die gesamte Führung der Islamischen Republik Iran stellen zudem immer wieder die historische Realität der systematischen Massenvernichtung der europäischen Juden im Nationalsozialismus in Frage und versuchen sie zu relativieren und gar zu leugnen.
Israel-Politik des Regimes auch im Iran umstritten
Die Feindschaft und der Hass der Teheraner Führung auf Israel wird nicht uneingeschränkt von der Gesellschaft mitgetragen. "Der Iran muss sein Verhältnis zu Israel auf den Prüfstand stellen, denn es ist nicht mehr zeitgemäß", sagte Faezeh Hashemi Rafsandschani Ende 2021 in einem Interview. Faezeh ist die Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani und ehemalige Abgeordnete des iranischen Parlaments. Sie betonte, auch die muslimischen Uiguren in China und die Tschetschenen in Russland würden unterdrückt. "Trotzdem hat Iran enge Beziehungen zu Russland und China".
Auch der prominente regierungskritische Politologe Sadegh Zibakalam kritisierte wiederholt die iranische Israel-Politik. "Diese Haltung hat das Land auf der internationalen Bühne isoliert", betont der Professor an der Universität Teheran 2022 in einem Gespräch mit der DW.
Die Feindschaft zu Israel und die Politik des Widerstands gegen die Großmächte findet aber unter den treuen Anhängern des Islamischen Republik Unterstützer.
Es gebe innerhalb der Unterstützerbasis des Regimes im Land, aber auch regional innerhalb der so genannten "Achse des Widerstands", "einige Frustration" über die iranische Zurückhaltung bei Angriffen Israels im Kontext von Gaza auch gegen den Iran, meint Ali Fathollah-Nejad, Direktor der Berliner Denkfabrik Center for Middle East and Global Order (CMEG) im Gespräch mit der DW. Der Iran-Experte sieht eine "hohe Frustration über die mangelnde Glaubwürdigkeit des Irans als Hauptunterstützer des palästinensischen Anliegens und über die iranische Zurückhaltung, Israel direkt zu konfrontieren."
Fathollah-Nejad geht davon aus, dass der Iran seine pro-iranischen Milizen etwa in Syrien, im Irak oder die Huthis im Jemen nutzen wird, um Vergeltung zu üben.