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Warum ein Interview mit Putins Tochter Empörung auslöst

Daniela Natalie Posdnjakova
17. Januar 2024

Worüber sprach Maria Woronzowa? Wladimir Putins älteste Tochter, die fast nie öffentlich auftritt, hat ein langes Interview gegeben. Es hat in Russland, aber auch in Deutschland für Empörung gesorgt.

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Maria Woronzowa, die ältere Tochter von Wladimir Putin, spricht in ein Mikrofon
Maria Woronzowa, die ältere Tochter von Wladimir PutinBild: Alexei Danichev/SNA/IMAGO

Ein Interview mit der ältesten Tochter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Maria Woronzowa, das zwei Tage vor Neujahr auf YouTube erschien, blieb zunächst nahezu unbeachtet. Russische Medien und User sozialer Netzwerke bemerkten es erst am 11. Januar.

Ein Video mit dem 42-minütigen Interview wurde am 28. Dezember auf dem YouTube-Kanal Promomed Russia veröffentlicht, der zu diesem Zeitpunkt lediglich 145 Abonnenten hatte.

Als Quelle wird das Projekt Medtech.moscow der Stadt Moskau genannt. Das Moskauer Zentrum für innovative Technologien im Gesundheitswesen soll Forscher bei ihrer Arbeit in diesem Bereich unterstützen.

Die 38-jährige Ärztin und Wissenschaftlerin beantwortete Fragen für den russischen Podcast #ProNauku (über die Wissenschaft), der sich nach Angaben des Moderators an junge Wissenschaftler und angehende Startups richtet.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Interviews hatte das Medtech.moscow-Projekt selbst weniger als 3000 Abonnenten im russischen sozialen Netzwerk Vkontakte, weniger als 2000 Abonnenten bei Telegram und nur 49 auf YouTube.

Wer ist Maria Woronzowa?

Dennoch wurde das Interview, nachdem die Medien darauf aufmerksam gemacht hatten, Hunderttausende Mal angeschaut. Woronzowa sprach hauptsächlich über Wissenschaft, Medizin und ihre Forschung im Bereich Genetik, insbesondere über die Erforschung des menschlichen Genoms.

Als sie über die Behandlung von Patienten in Russland sprach, betonte sie, dass "für uns immer noch der Wert des menschlichen Lebens der höchste Wert ist". Allerdings verlor sie kein Wort über den Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Auch ihren Vater erwähnte sie kein einziges Mal.

Der Kreml hält alle Einzelheiten über Wladimir Putins Familienangehörige geheim. Putin selbst bestätigte nie offiziell, dass Maria Woronzowa seine älteste Tochter ist.

In allen offiziellen Dokumenten, die von russischen Medien veröffentlicht wurden, wird sie jedoch als Maria Wladimirowna Woronzowa, geboren 1985, aufgeführt. Der russische Präsident hat immer wieder betont, dass er stolz auf seine beiden Töchter sei, und dass diese weder in der Politik noch in der Wirtschaft aktiv seien.

Kombibild mit den Portraits von Wladimir Putin und seinen beiden Töchtern Jekaterina Tichonowa und Maria Woronzowa
Wladimir Putin und seine beiden Töchter Jekaterina Tichonowa und Maria WoronzowaBild: Eastnews/imago/Mikhail Klimentyev/SPUTNIK /AFP/Dmitry Feoktistov/TASS/picture alliance

Wie Journalisten jedoch herausfanden, gründete Maria Woronzowa 2019 in Moskau das Unternehmen Nomeko, das milliardenschwere Gesundheitsprojekte umsetzt. Auf der Website des Unternehmens ist Woronzowa als Mitglied des Vorstands aufgeführt.

Nach Berechnungen des Teams des inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny, die am 15. Januar veröffentlicht wurden, verdiente Woronzowa als Aktionärin von Nomeko im Jahr 2020 rund 232 Millionen Rubel (2,4 Millionen Euro) an Dividenden. Neuere Daten liegen nicht vor. Darüber hinaus beträgt Woronzowas Gehalt bei Nomeko laut den Recherchen 700.000 Rubel (7.300 Euro) pro Monat.

Nawalnys Mitarbeiter stellten ferner fest, dass Nomeko sein gesamtes Geld vom Unternehmen SOGAZ Medizina erhielt. In den Kliniken dieser Kette würden sich einflussreiche russische Politiker und Geschäftsleute aus Putins engstem Kreis behandeln lassen, berichtete Radio Liberty im Jahr 2021. Im August 2022 wurden die Kliniken von Nomeko-Topmanagern aufgekauft.

Worüber sprach Putins Tochter noch?

In dem Interview sprach Maria Woronzowa ferner über einige Momente aus ihrem Leben. Sie erzählte, dass sie seit ihrer Kindheit davon geträumt habe, Ärztin zu werden, aber nach ihrem Schulabschluss Wirtschaftswissenschaften studieren wollte. Am Ende habe sie sich aber für Medizin entschieden und sich an der Fakultät für Grundlagenmedizin der Moskauer Staatlichen Universität eingeschrieben.

Wladimir Putin mit seinen kleinen Töchtern (Jahr unbekannt)
Wladimir Putin mit seinen Töchtern (Jahr unbekannt)Bild: meridian.in.ua/Globallookpress.com/picture alliance

Sie sprach auch über ihr Interesse für Literatur und nannte ihre Lieblingsschriftsteller, darunter Puschkin, Dostojewski und Huxley. Zudem mag sie Musik und Sport.

"Meine Interessen sind sehr breit gefächert: Von Kreativität bis Sport. Mich begeistert alles, was schön ist: Gemälde, Museen, Theater und Musik. Musik ist ein wichtiger Teil meines Lebens, sowohl Klassik als auch Jazz. Ich versuche, mich mehrere Stunden pro Woche dem Sport zu widmen, auch saisonalen Sportarten wie Surfen und Skifahren."

Putins Tochter hat mehrere Jahre in Deutschland gelebt und dort studiert. Mit ihrem ehemaligen Ehemann, dem niederländischen Geschäftsmann Jorrit Faassen, lebte sie bis 2015 in den Niederlanden. Dann kehrte sie nach Moskau zurück.

Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden beide Töchter des russischen Präsidenten, Maria Woronzowa und Jekaterina Tichonowa, von der EU, Großbritannien und den USA mit Sanktionen belegt. Ihre Bankkonten wurden eingefroren, und die Einreise in all diese Länder wurde ihnen untersagt.

Reaktionen auf das Interview in Russland und Deutschland

Das Interview löste bei russischen Bloggern und in sozialen Netzwerken heftige Reaktionen aus. Viele X-Nutzer (ehemals Twitter) warfen Woronzowa beispielsweise Heuchelei vor.

Einer der ersten, der auf das Interview aufmerksam machte, war der russische Journalist Andrej Sacharow. "Sie ist aufgeregt, spricht manchmal in Klischees. Experten werden Ihnen sagen, wie viel der Ring an Ihrer Hand kostet", schrieb er auf seinem Telegram-Kanal und postete einen Link zum Interview.

Auch in den deutschen Medien sorgte das Interview mit Putins ältester Tochter für Empörung. "Putins Tochter gibt skurriles Interview über den 'Wert des menschlichen Lebens'", lautet die Überschrift eines Artikels, der am 12. Januar auf der Nachrichtenwebsite "Der Spiegel" erschien.

"Verstörende Aussagen angesichts der Verbrechen und Opferzahlen im Ukraine-Krieg", schreibt der deutsche Fernsehsender "ntv" auf seiner Website. Dass das Thema Krieg in dem Interview mit Putins Tochter nicht angesprochen wird, bezeichnen deutsche Journalisten als zynisch.

Dies ist nicht der erste Medienauftritt von Maria Woronzowa. Sie hat bereits Interviews gegeben, in denen sie als Endokrinologin vorgestellt wurde.

Ihr jetziges großes Interview vor den Präsidentschaftswahlen im März dieses Jahres könnte auf eine Änderung in Putins Kommunikationsstrategie hinweisen, meint der Medienexperte Jo Groebel. Der mittlerweile 71-jährige Putin bereitet sich darauf vor, zum fünften Mal Präsident Russlands zu werden.

Laut Groebel hat Putin immer getan, was viele Autokraten zuvor getan haben. Die Botschaft des russischen Präsidenten an das Volk beschreibt der Experte so: "Ich bin für das ganze Volk da. Ich habe so etwas Alltägliches wie eine kleine Familie."

Groebel glaubt, dass Putin schnell klar geworden sei, dass ein moderner Wahlkampf notwendig sei. Einen Hinweis zu geben, dass er eine Familie und Kinder hat, kommt gut an", so der Experte.  "Und die Tochter ist ja Ärztin, sie ist eine anerkannte Wissenschaftlerin."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk