1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

SPD: "Europa ist der beste Platz der Welt"

Nina Werkhäuser, Berlin2. Juli 2016

Das Brexit-Votum hat die deutschen Sozialdemokraten geschockt. Auf einer Konferenz in Berlin debattierten sie über die Zukunft der EU - und forderten ein sozialeres und gerechteres Europa.

https://p.dw.com/p/1JI1g
SPD-Regionalkonferenz Berlin Schulz (Foto: picture alliance/dpa/W. Krumm)
EU-Parlamentspräsident und SPD-Mitglied: Martin Schulz spricht bei der SPD-KonferenzBild: picture alliance/dpa/W. Krumm

Wann immer die SPD in Schwierigkeiten steckt, bemüht sie die politischen Weisheiten des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt. "Wenig ist von Dauer", zitiert Parteichef Sigmar Gabriel den großen deutschen Sozialdemokraten. Das habe für den Austritt der Franzosen aus der NATO gegolten, und das gelte hoffentlich auch für den angekündigten Austritt der Briten aus der EU.

Die Chancen stünden gut, dass die Briten eines Tages zurückkehren, spricht Gabriel den Parteimitgliedern aus ganz Deutschland Mut zu. Die SPD hat sich in Berlin versammelt, um über das europapolitische Programm der Partei zu beraten. Dass diese Beratungen unter der dunklen Wolke des Brexit-Votums stattfinden würden, hatte die Partei bei der Planung der Konferenz nicht vermutet. Und so ist der Applaus immer dann besonders groß, wenn die europäischen Werte beschworen werden, als deren Verteidiger die Sozialdemokraten sich sehen.

Kritik an den Tories

Mit britischen Konservativen geht Parteichef Gabriel hart ins Gericht: Das Ergebnis des Referendums lastet er auch dem "Duo Infernale" an, dem konservativen britischen Premierminister David Cameron und seinem Parteikollegen Boris Johnson, der die Brexit-Kampagne angeführt hatte. Wenn die britischen Konservativen nun meinten, die EU verlassen und gleichzeitig die größten Vorteile behalten zu können, dann lägen sie falsch.

SPD-Regionalkonferenz Berlin Steinmeier, Schulz, Gabriel in Berlin (Foto: picture alliance/dpa/W. Krumm)
Schulterschluss für die EU. Außenminister Steinmeier, EU-Parlamentspräsident Schulz und Parteivorsitzender GabrielBild: picture alliance/dpa/W. Krumm

Es sei aber "ein gutes Zeichen, dass die Jugend in Großbritannien klüger ist, als ihre seltsame politische Elite", sagt Gabriel. Es gelte nun, den Kontakt zu den jungen Briten nicht abreißen zu lassen, die mit großer Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt haben. Denkbar ist für den SPD-Chef, in Deutschland lebenden Briten neben der britischen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzubieten, damit sie EU-Bürger bleiben können.

Was nun, EU?

Und was sollte der Rest Europas nun tun? Nicht jammern, sagt Gabriel, sondern die EU besser machen. "Europa ist der beste Platz der Welt." Nirgendwo sonst könne man so frei und demokratisch leben. Die EU müsse diese Qualitäten wieder stärker nach vorne stellen und gleichzeitig mehr für die 25 Millionen Arbeitslosen tun. "Der Wettbewerb in Europa darf nicht dazu führen, dass Menschen ihre Jobs verlieren", sagt Gabriel. Der Wettbewerb in Europa dürfe keiner um die schlechtesten Löhne oder die niedrigsten Steuersätze sein.

Verbindliche Mindeststeuersätze in Europa fordert auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Außerdem müssten die Unternehmen ihre Gewinne in dem europäischen Land versteuern, in dem sie diese erwirtschafteten. Wer mit seinen Steuern europäische Banken retten müsse, während er selbst keinen Job finde, der wende sich verständlicherweise von der EU ab, sagt Schulz. Freiheit sei in der EU vielleicht doch zu sehr als Freiheit des Kapitals betrachtet worden, gibt Gesine Schwan zu bedenken, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission.

Als Friedensmodell bewundert

Das Fazit der Sozialdemokraten: Die EU muss in vielen Bereichen sozialer und gerechter werden, die Bürger stärker beteiligen. Etwa am Abschluss des Handelsabkommens CETA mit Kanada, das die EU-Kommission ohne die Mitwirkung der nationalen Parlamente ratifizieren wollte. "Törichter kann man nicht sein. Das zerstört das Vertrauen in die europäische Demokratie", so Gabriel.

Die EU sei aber jetzt schon viel besser als ihr Ruf. Außerhalb Europas werde sie als Friedensmodell bewundert, berichtet Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Warum wächst dann auf dem alten Kontinent die Skepsis? "Wir haben Hasstiraden gegen die EU nicht entschieden genug gekontert", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer und nimmt sich selbst von dieser Kritik nicht aus. Während der Brexit-Debatte seien viele Unwahrheiten über die EU verbreitet worden.

EU-Parlamentspräsident Schulz erinnert an die Entstehungsgeschichte der Europäischen Union als Gegenmodell zu Hass und Krieg: Wer die Axt an die EU anlege, warnt er, der setze Dämonen wie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus frei - und die hätten Europa schon einmal zerstört.