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Der steile Aufstieg des Wolodymyr Hroisman

Roman Goncharenko12. April 2016

Wolodymyr Hroisman soll nach dem Rücktritt von Arseni Jazenjuk voraussichtlich der neue Premier der Ukraine werden. Der junge Politiker gilt als Vertrauter des Präsidenten Poroschenko, aber nicht als Visionär.

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Volodymyr Hroisman könnte der zukünftige Premier der Ukraine werden (Foto: AFP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Chuzavkov

Als Arseni Jazenjuk im ukrainischen Parlament Bilanz zog, klang das wie eine Abschiedsrede. "Hören Sie doch zu, vielleicht ist es das letzte Mal", appellierte der Ministerpräsident Mitte Februar an die heiter gestimmten Abgeordneten. "Warum so pessimistisch?", entgegnete der Parlamentsvorsitzende Wolodymyr Hroisman leicht ironisch. Damals überstand Jazenjuk das Misstrauensvotum, um knapp zwei Monate später doch zurückzutreten. Seine Regierungskoalition zerfiel, die Kritik wegen schleppender Reformen wurde immer lauter. Das Parlament soll voraussichtlich in den kommenden Tagen Hroisman als seinen Nachfolger wählen.

Poroschenkos Gefolgsmann

Damit schlüpft der 38-jährige Politiker in die Rolle, die Präsident Petro Poroschenko bereits vor anderthalb Jahren für ihn vorgesehen haben soll. Hroisman war nach Berichten ukrainischer Medien Poroschenkos Wunschkandidat als Ministerpräsident im Herbst 2014. Doch das überraschend gute Abschneiden von Jazenjuks Partei "Volksfront" bei der Parlamentswahl machte dem Präsidenten einen Strich durch die Rechnung. Hroisman wurde Parlamentsvorsitzender. Nun scheint Poroschenko zu bekommen, was er wollte: eine Regierung mit einem Vertrauten an der Spitze.

Die Verfassung definiert die Ukraine als eine parlamentarische Demokratie, in der der Ministerpräsident über mehr Macht verfügt als der Staatschef. Poroschenko fühlte sich zur Zusammenarbeit mit seinem politischen Konkurrenten Jazenjuk eher gezwungen. In Hroisman sieht er wohl seinen Gefolgsmann. "Hroisman ist flexibel und zuverlässig", sagte der Kiewer Politik-Experte Anatoli Okstjuk im Gespräch mit der DW. "Der Präsident, sein politischer Ziehvater, kann sich auf ihn verlassen." Hroisman werde "Poroschenkos Arm" in der Exekutiven sein.

Aufsteiger aus der Provinz

Schaut man auf das Alter, gehören Jazenjuk und Hroisman zur selben Generation. Der scheidende Ministerpräsident ist nur vier Jahre älter als sein möglicher Nachfolger. Und doch liegen Welten zwischen ihnen. Als Jazenjuk nach dem Sieg der pro-westlichen Protestbewegung Ende Februar 2014 zum ersten Mal Ministerpräsident wurde, blickte er auf eine lange politische Karriere zurück: Vizechef der Nationalbank, Wirtschaftsminister, Außenminister, Parlamentsvorsitzender und Anführer der größten Oppositionspartei. Deshalb hat Jazenjuk den Ruf, Teil des alten politischen Systems in der Ukraine zu sein. Dieses gilt als korrupt und unfähig, sich zu reformieren.

Der ukrainische Premier Arseni Jazenjuk (Foto: EPA)
Premier Jazenjuk kündigte am Sonntag seinen Rücktritt anBild: picture-alliance/dpa/S. Dolzhenko

Hroisman dagegen ist ein Aufsteiger und wirkt relativ unverbraucht. Dem breiten Publikum ist er erst seit rund zwei Jahren bekannt. Nach dem Machtwechsel in Kiew wurde Hroisman Vizeregierungschef und Minister für regionale Entwicklung in der ersten Regierung Jazenjuk. Zuvor war das Leben des jungen Politikers und Familienvaters eng mit seiner zentralukrainischen Heimatstadt Winnyzja verbunden. Sie liegt rund 260 Kilometer südwestlich von Kiew.

Jüngster Bürgermeister der Ukraine

Noch als Schüler verdiente Hroisman Geld in einer Firma seines Vaters, eines Geschäftsmanns, später wurde er Geschäftsführer. Er studierte Jura und Volkswirtschaftslehre. Seine politische Karriere begann 2002, als er in den Stadtrat von Winnyzja gewählt wurde. Nach dem Sieg der sogenannten "Orangenen Revolution" im Jahr 2004, als der pro-westliche Politiker Viktor Juschtschenko Präsident wurde, trat Hroisman in seine Partei "Unsere Ukraine" ein. Zwei Jahre später wurde der 28-Jährige zum Bürgermeister von Winnyzja gewählt - als jüngster Bürgermeister im Land. 2010 wurde er wiedergewählt.

In Winnyzja lernte Hroisman Petro Poroschenko kennen, der mit Juschtschenko eng befreundet war. Die Stadt gilt als informelles Zentrum für Poroschenkos Schokoladenkonzern "Roshen". Der heutige Präsident besitzt in Winnyzja eine Süßwarenfabrik und holte dort früher mehrmals ein Direktmandat fürs Parlament. Ähnlich wie Poroschenko war Hroisman ein erfolgreicher Geschäftsmann, bevor er in die Politik ging. 2015 verdiente er zusammen mit seiner Ehefrau rund drei Millionen ukrainische Hriwna (umgerechnet rund 100.000 Euro), hieß es in seiner Einkommenserklärung als Parlamentsvorsitzender - in einem Land, in dem der Durchschnittslohn bei etwa 2.500 Euro im Jahr liegt.

Als Bürgermeister hatte Hroisman schon früh einen guten Ruf. Besonders berühmt ist sein Straßenbahnprojekt. Die Stadt Zürich schenkte Winnyzja mehr als 100 ausrangierte Straßenbahnen. Hroisman ließ in den Waggons WLAN installieren, damit die Bürger auf der Fahrt kostenlos im Internet surfen können. Außerdem ließ er viele marode Straßen renovieren und sorgte für mehr Transparenz und einen kundenfreundlicheren Umgang in städtischen Ämtern.

Reformversprechen - aber kein großer Wurf

Trotz seiner beiden Jahre in hohen Ämtern in Kiew gilt Hroisman bis heute als unbeschriebenes Blatt. Als Minister und Parlamentsvorsitzender war sein Arbeitsstil unauffällig. Der Politiker gilt als jemand, der Konflikte glätten und Kompromisse aushandeln kann. Für viele ist Hroisman vor allem Poroschenkos engster Vertrauter. Er wurde auf der Liste der Poroschenko-Partei gewählt und hat, anders als Jazenjuk, keine eigene politische Partei hinter sich.

Anders als Jazenjuk spricht Hroisman kein fließendes Englisch. Auch in dieser Hinsicht ist er kein Konkurrent für Poroschenko, der gerne mit seinen Englischkenntnissen glänzt.

Wie seine Politik als Ministerpräsident aussehen könnte - das ließ Hroisman in einem Artikel für die Kiewer Wochenzeitung "Dserkalo Tyschnja" am Samstag skizzieren. Er bekannte sich zur europäischen Ausrichtung des Landes, versprach mehrere Reformen, darunter im Gerichtssystem und im öffentlichen Dienst. Doch ein großer Wurf war das nicht: Denn es fehlten wirklich neue Initiativen.