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YouTube-Star Firas Alshater

Sarah Judith Hofmann 5. Februar 2016

Er ist witzig, charmant und spricht das richtige Thema an: Firas Alshater wurde auf YouTube über Nacht zum Star. Als Flüchtling hat der Filmemacher in Deutschland einen Nerv getroffen.

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Deutschland aus der Perspektive eines Flüchtlings Screenshot vom YouTube Video
Bild: YouTube/Zukar

Firas Alshater: YouTube-Star und Flüchtling

Selbstbewusst schaut Firas Alshater in die Kamera. Nein, er schaut nicht, er strahlt. Der Charme scheint ihm geradezu aus jeder Pore zu dringen. Er trägt weißes Hemd und Weste, Goldknöpfe in den Ohren. Mit Rauschebart und Glatze wirkt er wie eine Mischung aus Klischee-Islamist, Pirat und italienischem Schmierenkomödianten. Er lümmelt sich auf einem spießigen Sofa, an der Wand baumelt eine Lichterkette - ein kaum zu überbietendes Detail an Scheußlichkeit. Eins ist klar: Hier sitzt einer, der weiß, wie er sich inszenieren will.

In sehr klarem und zugleich bewusst gebrochenem Deutsch stellt Alshater sich im Clip "Zukar: Wer sind diese Deutschen?" als Syrer vor, der seit zweieinhalb Jahren in Berlin wohnt.

Vor rund einer Woche hat er das Video ins Netz gestellt und seither 2,5 Millionen Klicks bei Facebook und YouTube erzielt. Inzwischen kann sich Firas Alshater kaum mehr retten vor Interview- und Drehanfragen. Alle deutschen Medien wollen plötzlich unbedingt mit ihm reden, über seine Lebensgeschichte als Flüchtling aus Syrien und über seine YouTube-Serie.

Alshater scheint eine Leerstelle in der deutschen Medienlandschaft zu füllen: Ein Flüchtling erklärt der Welt, wer eigentlich diese Deutschen sind. Damit dreht er den Spieß um, denn bislang zerbrachen sich ja die Deutschen den Kopf darüber: Wer sind diese Flüchtlinge? Und: Das Ganze auch noch als YouTube-Comedy, die perfekt durchkomponiert ist, bis ins kleinste Detail.

Hier ist ein Profi am Werk

Gute drei Minuten ist sein Clip lang und er enthält sämtliche Erfolgszutaten von YouTube-Comedians: kurze knackige Texte, deren Pointen mit Symbolen und Sounds untermalt und von kurzen Clips per Schiebeblende unterbrochen werden. Mal fährt für Sekunden eine Weltkarte ins Bild und pflockt mit einem "Doing-Geräusch" eine Stecknadel in Syrien, mal taucht ein Foto des völlig zerstörten Damaskus auf, das tatsächlich zum Lachen taugt, wenn wenig später die nach wie vor völlig intakte Skyline von Berlin folgt.

Die gesamte Dramaturgie könnte aus einem Lehrbuch mit Titel "Wie mache ich erfolgreich ein YouTube-Video?" stammen. All diese Zutaten haben auch schon YouTuber wie JokaH Tululu viele Klicks gebracht. Auch er macht übrigens Comedy gegen Rassismus - und bedient sich Street-Comedy-Experimenten wie Alshater, die wiederum schon andere YouTuber vor ihm erfolgreich gemacht haben.

Im Zukar-Video von Alshater steht dieser mit verbundenen Augen auf dem Alexanderplatz, neben sich ein Schild: "Ich bin syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir. Vertraust du mir? Umarme mich!".

Deutschland aus der Perspektive eines Flüchtlings Screenshot vom YouTube Video
Ein Street-Experiment am Berliner Alexanderplatz: Wer umarmt den Flüchtling?Bild: YouTube/Zukar

Auf den ersten Blick ist es die Kopie eines Videos, das ein Pariser YouTuber und Moslem nach den Terroranschlägen im November machte. Doch Alshater dreht das Ganze weiter. Die Pointe: In Deutschland dauert es etwas länger, bis die Menschen kommen, aber wenn, dann hören sie nicht mehr auf. Auch das übrigens ist inszeniert. Schaut man auf die große Uhr gleich hinter Alshater im Video, lässt sich leicht erkennen, dass er in Wahrheit recht schnell erfolgreich in Punkto Umarmungen war (oder waren es ohnehin Freunde, die ihn da umarmten?).

Neues Video mit Katzen als Gast-stars

In seinem neuen Video geht es dann auf einmal um Katzen - oder genauer genommen darum, dass Katzen Alshater wohl den Job weg nehmen. Dabei meint der YouTuber doch nur, dass Miezen "ohne was zu machen" viel mehr Klickzahlen mit ihren Videos erreichen würden als er mit seiner Plattform.

Ob rechte Gruppierungen dabei zuhören, ist ungewiss, aber spätestens wenn Alshater sagt, dass Katzen "überall Asyl bekommen", wird es offensichtlich, dass er PEGIDA und co auf die Schippe nimmt. Denn "wenn man sich anstrengt, kann man alles hassen" – so Firas Alshater.

Alshater war schon in Syrien Filmemacher. Bevor der Krieg in seiner Heimat begann, studierte er Schauspiel in Damaskus. Die Demonstrationen gegen Diktator Baschar al-Assad filmte er mit einer Kamera. Doch er wurde verhaftet, ins Gefängnis gesteckt, gefoltert. Nach neun Monaten gelang es seiner Familie ihn aus der Haft des Regimes freizukaufen, allein um kurz darauf erneut wegen seiner Filme – diesmal von Islamisten – für einige Tage verschleppt zu werden.

Firas al-Shater
In Syrien filmte Firas al-Shater unter Lebensgefahr.Bild: Firas al-Shater

Filmen trotz Lebensgefahr

Wer glaubt, Alshater habe sich danach kaum mehr getraut, eine Kamera anzufassen, liegt falsch. Für den Film "Syria Inside", eine Mischung aus Dokumentarfilm und Komödie des Deutschen Jan Heilig und des Syrers Tamer Al-Awam filmte auch Alshater – nachdem Tamer Al-Awam mit der Kamera in der Hand gestorben war. 2013 reiste Alshater für das Projekt nach Deutschland – und beantragte Asyl.

Mit Jan Heilig arbeitet er auch jetzt eng zusammen. Er steckt als Produzent hinter der Serie "Zukar". So zufällig im Wohnzimmer aufgenommen wie das Video auf den ersten Blick scheinen mag, ist es keinesfalls. Auch wie es weitergehen soll, ist schon geplant. Angedacht sind zehn dreiminütige Folgen auf Deutsch mit arabischen Untertiteln. Sie folgen - da kann man sich sicher sein - einer wohl ausgefeilten Dramaturgie.

Zurück zu der Frage, was das Video mit Alshater nun eigentlich so erfolgreich macht. Ganz einfach: Er macht genau das, was YouTube-Fans seit langem lieben - aber: Er ist Flüchtling. Und das macht ihn zum Helden der Stunde in Deutschland. Während in Politik und Medien, in endlosen Talkrunden über die Unlösbarkeit der Flüchtlingsfrage gestritten wird, auf Demos lautstark gegen Flüchtlinge gegrölt oder von der anderen Seite mit Willkommensplakaten gehalten wird, tut es gut, über das Thema auch mal lachen zu können.

Vielleicht wird er tatsächlich Deutschlands neuer YouTube-Superstar. Vielleicht auch irgendwann ohne den Zusatz "Flüchtling". Als "Flüchtlings-YouTuber" bezeichnet zu werden, das hat Alshater nun schon in mehreren Interviews gesagt, gefällt ihm nämlich ganz und gar nicht.