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eSports-Profis sind wahre Athleten

Martin Schütz2. Februar 2016

Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule haben eSports-Profis genau untersucht und sind verblüfft. Denn die Spieler sind während der Wettkämpfe ähnlich großen Belastungen ausgesetzt wie andere Spitzensportler.

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Gamescom 2014 in Köln E-Sports
Bild: Riot Games

Vor fünf Jahren hat sich Professor Ingo Froböse zum ersten Mal mit dem Thema eSports befasst. Der Experte für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule (SpoHo) hat damit Neuland betreten, denn es gab keinerlei Daten und Untersuchungen zum Thema eSports. Niemand hatte eine genaue Vorstellung davon, welches Anforderungsprofil ein Profi erfüllen muss, wie er trainieren sollte und welchen Belastungen er bei Turnieren ausgesetzt sind. Die Ergebnisse haben Froböse völlig überrascht.

"Besonders die motorischen Ansprüche und Fähigkeiten haben uns beeindruckt. Die eSportler schaffen bis zu 400 Bewegungen pro Minute an Tastatur und Maus, vier Mal mehr als der Normalbürger! Das Ganze auch noch asymmetrisch, denn beide Hände werden parallel bewegt, es werden unterschiedliche Hirnregionen parallel genutzt." Diese Belastung kennt der Wissenschaftler sonst von keiner anderen Sportart, selbst Tischtennisspieler müssten bei der Hand-Auge-Koordination weniger leisten.

Puls wie bei einem Marathonlauf

Gamescom 2014 in Köln E-Sports
Motorische Ansprüche sind bei eSports höher als bei anderen SportartenBild: Riot Games

Für Laien sehen eSports-Wettkämpfe oft so aus, als ob die Spieler wahllose Kombinationen auf Maus und Tastatur hämmern. Diesem Eindruck widerspricht Ingo Froböse aber vehement. Gerade bei Strategiespielen wie Counter-Strike oder League of Legends sei die Komplexität extrem hoch, weil neben den motorischen Fähigkeiten auch ein enormes taktisches Verständnis nötig ist, um den Gegner zu besiegen.

Deswegen haben die Experten der SpoHo in weiteren Versuchen auch die psychischen Belastungen der eSports-Profis getestet und sie während des Wettkampfs auf das Stresshormon Cortisol untersucht. "Der Cortisolspiegel liegt ungefähr auf dem Niveau von Rennfahrern. Dazu kommt noch ein sehr hoher Puls, teilweise liegt die Herzfrequenz zwischen 160 und 180 Schlägen pro Minute, das entspricht einem sehr, sehr schnellen Lauf, fast einem Marathonlauf. Dazu kommen noch die hohen motorischen Ansprüche, deswegen ist der eSport aus meiner Sicht anderen Sportarten mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen", analysiert Ingo Froböse die Werte.

eSports-Profis müssen Trainingsmethoden verbessern

Allerdings haben das die Athleten noch nicht flächendeckend verinnerlicht, denn bei den Themen Ernährung und Trainingssteuerung tragen sie diesen hohen Ansprüchen aus Sicht des Sportwissenschaftlers noch keine Rechnung. Die jahrelange Forschung hat gezeigt, dass sich die Mehrzahl der Profi-Spieler weitestgehend unprofessionell auf die Wettkämpfe vorbereitet. "Viele unserer Probanden sind im Bezug auf ihre Fitness Normalbürger und der Normalbürger macht mir Sorgen. Sie sind nicht gut trainiert, beispielsweise fehlen Trainingseinheiten, die das gesamte Halte- und Stützsystem im Schulter- und Nackenbereich stärken. Dadurch ließe sich auch die Feinmotorik im Armbereich weiter steigern, die für den Wettkampf enorm wichtig ist."

Solche zusätzlichen Übungen fehlen auch im Trainingsprogramm von René Pinkera. Der 22-Jährige wurde bei der BlizzCon 2015 mit seinem Team "SK Gaming" Weltmeister in "World of Warcraft". Sein Training und das seiner drei Teamkollegen beschränkt sich bisher fast ausschließlich auf reines Spielen am PC. "Wir wärmen uns kurz auf, machen ein paar Dehnübungen für die Arme und Hände. Anschließend spielen wir dann aber, denn darauf kommt es ja an. Mindestens sechs Stunden sollten es sein, es werden aber auch schon mal bis zu 12 Stunden." Diese Dauer der Trainingseinheiten sieht Ingo Froböse kritisch, denn dass täglich stundenlanges "Zocken" auf dem Programm steht, ist seiner Meinung nach die weitestverbreitete Trainingspraxis im eSport. Aus seiner Sicht fehlt es dagegen an Entspannungsübungen und an klassischem Konditionstraining.

Karriereende mit Mitte 20

Rene Pinkera SK Gaming Weltmeisterschaftspokal
WoW-Weltmeister René Pinke (2. v. l.) bei der BlizzCon 2015Bild: SK Gaming

"Was bisher nicht berücksichtigt wird, ist eine Zyklisierung der Belastung, d.h. Pausen und Anspannung müssen sich abwechseln, damit ich mich wieder erhole und die Müdigkeit im Wettbewerb überwinden kann. Dazu zählt auch die richtige Ernährung." Die solle sich an der anderer Leistungssportler orientieren und zusätzlich Komponenten wie Ginseng enthalten, die die Durchblutung des Gehirns steigern. Dass das Thema Ernährung noch nicht bei allen eSports-Profis eine Rolle spielt, beobachtet auch René Pinkera regelmäßig bei Turnieren. "Es gibt immer wieder Gegner, die Energydrinks und zuckerhaltige Getränke dabei haben und nicht auf die Ernährung achten. Wir versuchen auf Zucker zu verzichten, essen vorher Bananen oder einen Müsliriegel und mit Wasser als Getränk kann man aus meiner Sicht nichts falsch machen."

Durch einen professionellen Trainingsplan und eine noch gezieltere Ernährung könnte sich aber ein Problem vieler Profi-Spieler teilweise beheben lassen, glaubt zumindest der Experte der Deutschen Sporthochschule. Denn die Laufbahn der Athleten ist momentan sehr kurz, in der Regel ist mit Mitte 20 Schluss, weil die Reflexe nachlassen und die jüngere Konkurrenz Vorteile hat. Um ein bis zwei Jahre ließe sich die Karriere verlängern, vermutet Ingo Froböse. Davon könnte auch der Weltmeister René Pinkera profitieren. Denn auch er geht davon aus, dass er nur noch vier, maximal fünf Jahre auf hohem Niveau spielen kann. Deswegen arbeitet er auch schon an einer zweiten Karriere und studiert nebenbei noch Informatik.