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Mit Imamen gegen radikale Salafisten

Marcel Fürstenau, Berlin28. August 2015

Die SPD warnt vor einer zunehmenden islamistischen Gefahr in Schulen, Moscheen und Gefängnissen. Ein bundesweites Netzwerk soll den Trend umkehren und muslimische Seelsorger eine Schlüsselfunktion übernehmen.

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Der sogenannte Hassprediger Pierre Vogel (M.) hat großen Einfluss auf Salafisten
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Terrorbekämpfung ist ihr täglich Brot als Berufspolitiker: Burkhard Lischka ist innenpolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, sein Kollege Uli Grötsch Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste. In diesen Funktionen müssen sie sich ständig mit Fragen terroristischer Bedrohungen auseinandersetzen. Größte Achtsamkeit ist ihres Erachtens im islamistischen Milieu nötig. Die Anziehungskraft des Islamischen Staats (IS) auch auf deutsche Muslime ist nach Einschätzung von Sicherheitsexperten ungebrochen groß. Deshalb präsentierten die beiden SPD-Abgeordneten am Freitag in Berlin ein Strategiepapier für eine bessere landesweite Vernetzung und den Ausbau bestehender Präventionsprogramme.

Das größte Gefährdungspotenzial geht nach Lischkas und Grötschs Einschätzung von inhaftierten Salafisten in Gefängnissen aus. "Wir müssen aufpassen, dass diese nicht zur Brutstätte für neue Radikalität werden." Abhilfe könnten nach Ansicht der Bundestagsabgeordneten Imame schaffen, die flächendeckend zum Einsatz kommen und besonders geschult werden müssten. "Es muss sichergestellt sein, dass kein Hassprediger unter dem Deckmantel der Seelsorge in Gefängnissen tätig werden kann", heißt es in dem vierseitigen Papier. Als Vorbilder empfehlen die SPD-Politiker Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo neben christlichen Seelsorgern auch muslimische im Einsatz sind.

Seelsorger Durmosch: "Gefundenes Fressen für Rattenfänger"

Als Idealbesetzung für diese Form der religiösen Präventionsarbeit kann Chalid Durmosch gelten. Der Sohn einer Berlinerin und eines Syrers kümmert sich inzwischen hauptberuflich um Jugendliche, die den Gefahren des radikalen Islams ausgesetzt sind. Der 38-Jährige blickt auf eine jahrelange ehrenamtliche Tätigkeit in Schulen, Moscheen und eben Gefängnissen zurück. Er kennt das gefährliche Geschäft also und hat die Entwicklung insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA aufmerksam verfolgt. Seine Erfahrung: Junge Häftlinge würden zu wenig betreut und seien überwiegend religiös ungebildet. Dadurch seien sie ein "gefundenes Fressen für Rattenfänger".

Der muslimische Seelsorger Chalid Durmosch
Seelsorger Charlid Durmosch plädiert für mehr religiöse Aufklärung unter MuslimenBild: DW/M. Fürstenau

Ähnliche Beobachtungen macht Durmosch auch außerhalb der Gefängnismauern. Wichtig seien muslimische Ansprechpartner. Andere würden kaum ernst genommen. Der zum Islam konvertierte Seelsorger arbeitet für die Beratungsstelle "Violence Prevention Network". Wichtig ist ihm dabei vor allem, die Jugendlichen zur Selbstreflexion anzuregen. Dabei setzt Durmosch auch auf die Unterstützung der islamischen Gemeinde. Denn die Religion sei für viele Inhaftierte zum Rückhalt geworden. Radikalisierte Rückkehrer aus Kriegsgebieten würden Jugendliche beeinflussen. "Wenn man das Vakuum nicht füllt, hat man ein Problem."

Tatort Internet und Lernort Internet

Teil des geplanten Netzwerks soll auch die Bundeszentrale für politische Bildung sein. Deren Präsident Thomas Krüger hält eine bessere Aufklärung über religiöse Begriffe und Praktiken für unverzichtbar. Als wichtigsten Lernort betrachtet Krüger dabei das Internet. Im weltweiten Netz findet die Propaganda religiöser Fanatiker hauptsächlich statt. Schon im September soll auf dieser Plattform eine Aufklärungs- und Präventionskampagne der Bundeszentrale starten. Mit Unterstützung von "Youtube"-Stars wie LeFloid und Hatice Schmidt hofft Krüger junge Muslime zu erreichen. Sie sollen als Multiplikatoren über Themen wie Glaube, Scharia oder Kalifat reden.

Auf politischer Ebene wollen die SPD-Initiatoren Burkhard Lischka und Uli Grötsch im Herbst das Gespräch mit dem Koalitionspartner CDU/CSU suchen. Die angestrebte Vernetzung bedarf nach ihren Vorstellungen einer Beratungsstelle auf Bundesebene, um die schon bestehenden, über ganz Deutschland verteilten Projekte koordinieren zu können. Das wünscht sich auch Chalid Durmosch. Zunächst aber unternimmt er eine Pilgerreise nach Mekka und Medina. Der Berliner nennt es zwar "Urlaub", es ist aber auch eine Bildungsreise. Denn die Eindrücke, mit denen er in seine Heimat zurückkehren wird, dürften auch für seinen Beruf als Seelsorger nützlich sein.