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Von Palmyra zur Hamburger Speicherstadt

Sarah Judith Hofmann7. Juli 2015

Eine Erklärung zum Schutz von gefährdetem Welterbe, 24 neue UNESCO-Stätten und eine historische Entschuldigung. Das war die UNESCO-Konferenz in Bonn. Was bleibt?

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Theater Palmyra
Bild: picture-alliance/CPA Media/Pictures From History/D. Henley

Zehn Tage lang haben sie debattiert, gestritten, sich auf neue Welterbestätten geeinigt. Und darum gerungen, wie gefährdetes Weltkulturerbe gerettet werden könnte. Am Mittwoch (8.7.2015) geht die 39. Sitzung des Welterbekomitees der UNESCO in Bonn zu Ende. Ein kurzer Überblick der Ereignisse:

Gleich zu Beginn zeigten sich die insgesamt 2260 Delegierten aus 160 Ländern politisch – und verabschiedeten einstimmig eine Resolution zum Schutz und Erhalt bedrohter Welterbestätten. Darin verurteilten sie die "barbarischen Angriffe, die Gewalt und die Verbrechen, die in jüngster Zeit vom sogenannten Islamischen Staat begangen wurden" und äußerten explizit eine "tiefe Sorge" über die Eroberung der antiken syrischen Oasenstadt Palmyra durch die Terroristen. "Das war ein klares Bekenntnis, dass solche Terroristischen Akte, Kriegsverbrechen sind", sagt die Vorsitzende des Welterbekomitees Maria Böhmer der DW.

Was aber kann eine solche Erklärung gegen den IS ausrichten? Die UNESCO kann schließlich keine Schutztruppen nach Syrien und in den Irak schicken. Aber sie kann eine Empfehlung an Länder aussprechen, illegalen Handel mit Kulturgütern zu unterbinden - so wie dies auch die Resolution der UN-Vollversammlung im Mai getan hat. In Deutschland wird bereits an einer Überarbeitung des Kulturgüterschutzgesetzes gearbeitet. "Das heißt, bei uns darf zukünftig ein Kulturgut nur eingeführt werden, wenn eine Erlaubnis da ist, dieses aus dem jeweiligen Land auszuführen", betont Staatsministerin Böhmer. Eine der Lehren, die man aus der Erfahrung mit dem IS ziehen müsse, sei, die Kräfte vor Ort zu stärken, "so dass man nicht erstarrt dasteht, bis die Terroristen wüten".

Syrien Palmyra Flagge Islamischer Staat
Auf der Burg in Palmyra weht die IS-FlaggeBild: picture-alliance/AP Photo

Das bedeute, dass Kulturgut, welches transportiert werden könne, frühzeitig in Sicherheit gebracht werden müsse. Aber auch, dass – wenn es zum "worst case", zur Zerstörung, komme – Dokumente zur Verfügung stünden, um die Kulturgüter später wieder herzustellen. "Wir haben sehr deutlich gesagt", so Böhmer, "dass wir Staaten beistehen, die mit der Zerstörung von Kulturerbe belastet sind - ob das aus terroristischen Gründen geschieht oder ob das aus Naturkatastrophen heraus passiert."

Wie bemisst sich die Unterstützung?

Womit wir beim Kostenpunkt wären. Das UNESCO-Welterbekomitee entscheidet nicht über Budgetfragen, das steht allein der UNESCO Hauptversammlung zu. Rund fünf Millionen US-Dollar beträgt das Budget des Welterbefonds. Einer der Kritikpunkte, den selbst das Welterbekomitee in seinem Budget-Bericht äußert, ist, dass rund 75 Prozent dieses Budgets an die Evaluierung von Nominierungen und gefährdetem Welterbe geht. Für die Konservierung von bestehendem Welterbe – und damit auch von "Kräften vor Ort", bleiben also gerade einmal 25 Prozent.

Auch wenn die Retter der kostbaren Schriften von Bamako einen bewegenden – und sehr positiven – Bericht über den Stand des Wiederaufbaus nach der Zerstörung von Boko Haram vorlegten: Von malischer Seite wurde auch die Kritik laut, die versprochene UNESCO-Hilfe sei nicht ausreichend angekommen. Für Nepal, das in der "Bonner Erklärung" ebenfalls explizit als gefährdetes Kulturerbe genannt wurde, wurde kein Budget festgesetzt. Denn auch dafür ist das Welterbekomitee nicht zuständig. Es kann lediglich Empfehlungen aussprechen, die sich an die UNESCO und an einzelne Länder richtet. Dass es jedoch keine Erklärung zur finanziellen Situation gab, stößt auf Kritik. Nach wie vor leide die UNESCO unter massiver struktureller Unterfinanzierung, beklagte die Organisation World Heritage Watch. "Wir haben aber außer Appellen nichts darüber gehört, wie diese Unterfinanzierung behoben werden soll", erklärte der WHW-Vorsitzende Stephan Dömpke am Dienstag in Berlin.

Kritikpunkt: Die UNESCO-Liste bleibt eurozentristisch

Von 36 nominierten wurden in diesem Jahr 24 neue Stätten in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Spitzenreiter in Sachen UNESCO-Titel ist Italien - mit bisher 50 Welterbestätten. Jetzt gehören auch das arabisch-normannische Palermo und die nahgelegenen Kathedralen von Cefalù und Monreale dazu. Weitere neue Kulturerbestätten sind die Nekropole Bet She'arim in Israel als Wahrzeichen der jüdischen Erneuerung und die Forth Bridge in Schottland als einst längste Stahlauslegerbrücke der Welt.

Und auch die Hamburger Speicherstadt und das Kontorhausviertel wurden ausgezeichnet. Damit hat Deutschland mittlerweile 40 Welterbestätten, auch wenn der Naumburger Dom, den Deutschland ebenfalls nominiert hatte, es in diesem Jahr nicht geschafft hat. Der Antrag wurde zur Überarbeitung zurückgewiesen. "Ich hoffe, es gelingt beim nächsten oder übernächsten Mal", sagt Maria Böhmer. Die Organisation World Heritage Watch sieht das anders. Bund und Länder sollten mindestens fünf Jahre keine neuen Welterbestätten nominieren und dafür ärmere Staaten bei ihren Nominierungen unterstützen.

Baudenkmal: Die Hamburger Speicherstadt

Immerhin: Die Karibikinsel Jamaika wurde mit den Blue and John Crow Mountains gleich doppelt ausgezeichnet - als Weltnatur- und Kulturerbe. Die Bergkette ist sowohl Heimat vieler bedrohter Tierarten, als auch kulturell bedeutsam: Denn sie ist eng verbunden mit der Geschichte der "Maroons" und ihrem Kampf gegen die Sklaverei. Der afrikanische Kontinent aber scheint völlig unterrepräsentiert. Kein einziger Titel wurde in diesen Teil der Welt verliehen. "Wir brauchen mehr Partnerschaften, wenn es um Afrika geht, einen Know-How-Transfer, aber auch finanzielle Unterstützung", gibt die Vorsitzende des Welterbekomitee zu. "Früher reichten für eine Nominierung einige Seiten, heute müssen sie dicke Bände einreichen", so Böhmer.

UNESCO-Welterbekandidaten
Die "Blue and John Crow Mountains" auf JamaikaBild: Government of Jamaica

Diplomatischer Erfolg: Japan und Südkorea

Anders sieht es in Asien aus: Gleich mehrere Weltnatur- und Kulturerbestätten wurden in dieser Region aufgenommen. Darunter ein Ensemble von 23 japanischen Industriestätten, die im Vorfeld für eine Kontroverse gesorgt und fast zu einem diplomatischen Eklat mit Südkorea gesorgt hätten. Dass Japan in Bonn erstmals zugab, dass dort auch koreanische Zwangsarbeiter schuften mussten - und sich bereits erklärte "angemessene Maßnahmen" zu ergreifen, um "der Opfer zu gedenken", gehört wohl zu einem der großen Erfolge der Konferenz.

Moderne Geisterstädte
Nein, dies ist kein "gefährdetes Kulturerbe", sondern die Ruineninsel Hashima. Seit diesem Jahr Weltkulturerbe in Japan.Bild: Nina Fischer & Maroan el Sani und VG Bild- Kunst, 2012 Courtesy Galerie Eigen+Art, Berlin

Und auch beim Naturerbe Great Barrier Reef wurde ein Kompromiss geschlossen: Das weltgrößte Korallenriff, das in den vergangenen 30 Jahren etwa die Hälfte seiner Korallendecke verloren hat, wurde nicht in die Rote Liste des gefährdeten Kulturerbes aufgenommen. Aber die australische Regierung verpflichtete sich, bis 2016 einen Bericht zum Schutz des Great Barrier Reef vorzulegen.

"Man kann es nicht nur bei der Freude über die Einschreibung belassen", sagt Maria Böhmer, "sondern ab diesem Moment gilt die Verantwortung". Dieser Gedanke müsse noch viel stärker ausstrahlen, auch über die UNESCO-Stätten hinaus - als Verantwortung für jedes Kultur- und Naturdenkmal.

Seit der Bonner Konferenz gibt es weltweit nun 1031 Welterbestätten. Die nächste Sitzung der UNESCO findet 2016 in Istanbul statt.