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Südsudan: Gräueltaten, stockende Verhandlungen

Sarah Steffen1. Juli 2015

Frauen und Mädchen sollen von Soldaten vergewaltigt worden sein, Kinder für Kämpfe zwangsrekrutiert. Friedensverhandlungen für den Südsudan bleiben ergebnislos. Wohin steuert das Land?

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Afrika Bildergalerie Kindersoldaten im Süd-Sudan
Bild: DW/A. Stahl

Vergewaltigungen, Morde, Zwangsrekrutierungen - neue Zeugenaussagen über die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Südsudan sind erschütternd. Nach einem jüngsten UN-Bericht sollen Regierungssoldaten und deren verbündete Milizen Frauen und Mädchen vergewaltigt und sie dann in ihren Hütten verbrannt haben. Auch hätten Kämpfer der Shilluk-Miliz im Juni bis zu 1000 Kinder in ein militärisches Ausbildungslager verschleppt, berichtet die ostafrikanische zwischenstaatliche Entwicklungsorganisation IGAD. Unter den zwangsrekrutierten Kindern sollen die jüngsten erst 13 Jahre alt gewesen sein.

"Die Gewalt im Südsudan hat ein neues Level an Brutalität erreicht", sagte Christophe Boulierac, Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF. Vor allem Kinder in den vom Bürgerkrieg am schlimmsten betroffenen Bundesstaaten Unity, Upper Nile und Jonglei seien gefährdet. "Wir haben Hinweise darauf, dass die Rekrutierung von Kindern steigt. Das hat natürlich mit den Kämpfen zu tun", sagte er der DW. "Je mehr Kämpfe es gibt, desto mehr Kinder werden rekrutiert. Der Südsudan braucht vor allen Dingen erst einmal Frieden."

Die Vereinten Nationen (UN) schätzen, dass es rund 13.000 Kindersoldaten im Südsudan gibt. Darüber hinaus sind 250.000 Kinder von schwerer Unterernährung bedroht, warnt Boulierac.

Anhaltende Gewalt seit Jahrzehnten

"Der Südsudan ist nicht auf einem Weg der Besserung, sondern leider auf einem Weg, in dem die Gräueltaten jeden Tag zunehmen und auch die Gewalt zunehmend eskaliert", sagte Tim Glawion, Südsudan-Experte am GIGA-Institut in Hamburg im Gespräch mit der DW. "Mit jedem verstrichenen Tag verhärten sich die Positionen, es wird immer einfacher, für Kommandeure oder Soldaten mit Gewalttaten durchzukommen."

Salva Kiir und Riek Machar unterzeichnen Abkommen
Kiir (links) und Machar (rechts) haben schon mehrere Abkommen unterzeichnet - und wieder gebrochenBild: AFP/Getty Images

Der Bürgerkrieg begann im Dezember 2013, als Präsident Salva Kiir seinen Vize Riek Machar wegen eines angeblichen Putschversuches entließ. Doch auch schon vor der Unabhängigkeit des Sudans 2011 gab es eine lange Geschichte von Gewalt und Bürgerkrieg, so Glawion. Zwar werde oft gesagt, dass der Bürgerkrieg vor 2005 zwischen dem Süden und dem Norden Sudans stattfand, "aber das ist eine völlige Fehldarstellung. In Wirklichkeit ist seit den 60er Jahren der Bürgerkrieg nicht nur zwischen dem Süden und dem Norden [in einem damals noch einheitlichen Sudan], sondern auch innerhalb des Südens in extremen Ausmaßen abgelaufen. Das heißt, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Süden bekämpfen sich seit Jahrzehnten."

Erst am Wochenende waren Gespräche zwischen Präsident Salva Kiir und Rebellenführer Riek Machar in Nairobi ergebnislos auseinandergegangen. Auch wenn sich der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta als Vermittler darum bemühte, allein schon das Zusammentreffen der beiden Konfliktparteien als positiv zu verkaufen, wurde Rebellensprecher Mabior Garang deutlicher: Die Gespräche hätten keine konkreten Ergebnisse hervorgebracht.

Es geht um Öl

Doch auch konkrete Ergebnisse - wie etwa Waffenstillstandsabkommen - sind oft das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen. Zahllose solcher Abkommen wurden nur kurz nach der Einigung wieder gebrochen. Die Konfliktparteien diskutierten jetzt über Machtteilungsabkommen und überlegten, etwa Posten wie einen Premierminister oder einen zweiten Vizepräsidenten einzurichten, so Glawion. Doch um solche Details ginge es eigentlich gar nicht. "Worum es eigentlich geht ist Macht. Und durch Macht bekommt man auch den Zugang zu den Ölressourcen", sagt Glawion. Das Problem sei, dass Riek Machar keine Möglichkeit in Südsudans Einparteiensystem sehe, selbst zum Parteivorsitzenden und damit zum Präsidenten zu werden. "Das will er aber. Und darum hat er unter anderem auch zu den Waffen gegriffen. Salva Kiir auf der anderen Seite möchte auf keinen Fall seine Macht verlieren."

Jubel nach Rückkehr von Salva Kiir
Die Freude über die jüngste Einigung währte nur kurzBild: picture-alliance/dpa/Dhil

Doch beide Parteien glaubten immer noch, dass sie durch militärische Mittel gewinnen könnten und haben deshalb kein ernsthaftes Interesse an Friedensabkommen, bilanziert Glawion.

Kampf um Macht und Einfluss

Es sei ein opportunistischer Kampf zwischen Eliten, so Glawion weiter. "Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen werden durchaus oft entlang ethnischer Linien mobilisiert, ich würde es eher manipuliert nennen. Das sieht dann oft aus, als ob es ein ethnischer Konflikt wäre, aber wenn man mal in die Details schaut, dann sieht man, dass in manchen Regionen Dinka gegen Dinka kämpfen, in anderen Nuer gegen Nuer und die Shilluk von der einen Seite zur anderen wechseln."

Die von General Johnson Olony geführte Shilluk-Miliz, die nach dem jüngsten UN-Bericht auch für die Zwangsrekrutierungen von Kindern verantwortlich gemacht wird, kämpfte zunächst auf der Seite der Regierung. Im Mai schloss sie sich aber der Rebellenallianz um Machar an.

Die UN erwägt nun, auch Sanktionen gegen sechs Generäle zu verhängen. Sie sollen mit einem Reiseverbot belegt werden; ihre Konten sollen eingefroren werden. Dieser Bann soll jeweils drei Personen aufseiten der Regierung und der Rebellen treffen. Diese Strategie hält die International Crisis Group für falsch. "Diese Generäle jetzt mit Sanktionen zu belegen, würde die Menschen im Südsudan, die ein Friedensabkommen befürworten, gegen die internationale Gemeinschaft aufbringen", so die Crisis Group in ihrer jüngsten Analyse. "Keiner der sechs genannten Generäle ist dafür verantwortlich, dass kein brauchbares Abkommen zustande gekommen ist. Sie sind keine politischen Schlüsselfiguren."

Karte Südsudan DEU
Bild: DW

Von solchen Sanktionen gegen Individuen rät auch Glawion ab. Genauso wie vor übereilten Schnellschüssen. "Der Reflex der internationalen Gemeinschaft ist immer: 'Wir brauchen jetzt eine massive humanitäre Hilfe'. Dieser Reflex ist aber sehr oft kontraproduktiv, denn diese Entwicklungshilfegelder werden fehlgeleitet, sie landen in den falschen Händen", so Glawion. "Wenn man diese Probleme lösen möchte, wenn man aufhören will mit der Rekrutierung von Kindersoldaten und der Vergewaltigung von Frauen, wenn man Hungerskatastrophen oder Epidemien verhindern will, dann ist die Lösung nicht, ein Krankenhaus zu bauen oder Reintegrationszentren für Kindersoldaten." Die Lösung muss eine politische sein, sagt Glawion, "in der die militärischen Machthaber ihre Macht verlieren und sie wieder zurück in zivile Hände geht".

Um zivile Kräfte zu stärken, müsste man den militärischen Machthabern den Geldhahn zudrehen - sprich die Öleinnahmen einfrieren. "Es ist durchaus Potential da, dass sich alle im Südsudan involvierten Länder zusammensetzen und endlich konsequente Maßnahmen beschließen", so Glawion.

Mitarbeit: Mark Caldwell