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Kein Durchbruch, aber Optimismus

Barbara Wesel, Brüssel4. Juni 2015

Nachdem Kanzlerin Merkel ihr politisches Gewicht in die Waagschale geworfen hat, spielte EU-Kommissionspräsident Juncker einmal mehr den Moderator zwischen Griechenland und seinen Gläubigern. Nähern sich beide Seiten an?

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Alexis Tsipras und Jean-Claude Juncker in Brüssel (Foto: Reuters)
Treffpunkt Brüssel: Alexis Tsipras und Jean-Claude JunckerBild: Reuters

"Es war ein sehr gutes Treffen", sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nach mehr als vierstündigen Beratungen im 13. Stock des Brüsseler Kommissionsgebäudes. Die Gespräche würden in ein paar Tagen fortgesetzt, fügte er noch hinzu. Und der griechische Premier Alexis Tsipras sprach von Bereichen, in denen es Übereinstimmung gebe, und anderen, wo noch Dissens herrsche.

Zu Beginn des Abends hatte Jean-Claude Juncker dem griechischen Ministerpräsidenten vor dem Sitzungssaal fast väterlich den Arm um die Schulter gelegt - für Clownereien wie sie der Kommissionspräsident sonst gerne macht, ist die Sache inzwischen zu ernst. Denn auch wenn Tsipras mit einem eigenen umfangreichen Reformpapier angereist war: Auf dem Tisch in Brüssel liegt inzwischen das sogenannte "letzte Angebot" - der Vorschlag, den Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Francois Hollande und die übrigen Gläubigervertreter am Montagabend zusammengestellt haben.

"Wir geben keinen laufenden Kommentar zu den Verhandlungspositionen ab", so hatte Kommissionsprecher Margaritis Schinas in Brüssel alle Journalistenfragen nach dem Inhalt des Vorschlags abgewehrt. Ebenso schmallippig blieb EZB-Präsident Mario Draghi bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz: Er betonte lediglich, dass man eine "starke Einigung" brauche, die Wachstum in Griechenland fördere, für soziale Fairness sorge und eine nachhaltige Lösung für die griechischen Haushaltsprobleme bringe. Damit macht er deutlich, dass es nicht um einen halbgaren Kompromiss gehen soll, nur um das Land um jeden Preis im Euro zu halten. Die Frage für Draghi ist, ob Griechenland mittel- und langfristig seine Schulden tragen kann - ansonsten habe die EZB eben ihre Regeln und werde sich daran halten.

Mario Draghi (Foto: Reuters)
Mario DraghiBild: Reuters/Kai Pfaffenbach

Es gibt etwas Annäherung

Einige Details drangen trotz der Informationssperre inzwischen nach außen: So soll die Forderung nach dem sogenannten Primärüberschuss im Haushalt drastisch gesenkt worden sein: Auf ein Prozent in diesem und zwei Prozent im nächsten Jahr. Damit wäre eine der wichtigsten Forderungen der Griechen erfüllt, weil so die Sparauflagen leichter zu tragen wären. Der griechische Premier lobte dieses Entgegenkommen ausdrücklich. Aber selbst dieser kleine Haushaltsüberschuss wird schwer zu erzielen sein: Die OECD hat die Wachstumsaussichten für Griechenland in diesem Jahr auf kümmerliche 0,1 Prozent herabgestuft.

Rentner in Athen (Foto: AP)
Mit einer weiteren Kürzung seiner Bezüge nicht einverstanden: griechischer RentnerBild: dapd

Etwas Bewegung gibt es wohl auch in Sachen Mehrwertsteuer - die griechische Regierung scheint zu einer gewissen Erhöhung bereit. Und der griechische Premier hatte zuvor angedeutet, er könne die im Land verhasste Immobiliensteuer erhalten, um die Staatseinnahmen zu stärken. Damit rückte er von einem seiner Wahlversprechen ab. Die Gläubiger signalisierten ihrerseits Kompromissbereitschaft bei der geforderten Rentenkürzung: Sie wollen angeblich mit einem Schnitt von einem Prozent zufrieden sein.

Die Knackpunkte aber stecken nach wie vor in der Forderung nach einer weiterreichenden Renten- und Arbeitsmarktreform. Tsipras hat zwar inzwischen erklärt, er sei bereit, die Regeln für Frühpensionierungen schrittweise zu verschärfen - aber was er bietet, ist wohl den Europäern und dem Internationalem Währungsfonds (IWF) nicht genug. Und gegen eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes steht die Parteilinke seiner Syriza auf: Tsipras hat offensichtlich zunehmend Probleme, seine Parlamentsmehrheit für die notwendigen Reformgesetze in Athen zusammenzuhalten.

Vorwärts, rückwärts, seitwärts ?

Der Chor der Erwartungen vor der jüngsten Gesprächsrunde war so dissonant wie schon bei früheren Treffen: Angela Merkel erklärte in Berlin, man arbeite mit Hochdruck an einer Lösung. Sie hat jetzt ihr politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um die Verhandlungen mit Griechenland zu einem schnellen Ende zu bringen. Auf jeden Fall möchte sie wohl nicht, dass das leidige Thema die Tagesordnung beim G7- Gipfel in Elmau dominiert. Sie klinkte sich per Telefonkonferenz auch in diese Verhandlungsrunde in Brüssel beim Vorgespräch ein. Der französische Staatschef Hollande, der an dem "finalen Vorschlag" für die Griechen mitgearbeitet hatte, zeigte sich inzwischen schon fast enthusiastisch: Man könne, wenn nicht in Stunden, jetzt doch in Tagen zu einer Lösung finden.

Jeroen Dijsselbloem (Foto: Getty Images)
Jeroen DijsselbloemBild: Getty Images/Afp/John Thys

Eurogruppenchef Dijsselbloem und der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble dagegen gaben sich wie gewohnt pessimistisch: Es sei noch viel Arbeit zu erledigen. Tsipras selbst hatte seine Gläubiger zum "Realismus" aufgefordert: Griechenland wolle aus dem "wirtschaftlichen Ersticken" herauskommen und den "Untergangszenarien ein Ende machen".

Die Zeit drängt

Die am Freitag dieser Woche fällige Rückzahlung von 300 Millionen Euro an den IWF kann Athen wohl noch aus eigenen Mitteln aufbringen, so glauben EU-Experten. Auch Tsipras sagte in Brüssel, darüber solle sich niemand Sorgen machen. In der zweiten Monatshälfte aber müssen erneut 1,3 Milliarden gezahlt werden, und damit rückt die Staatspleite gefährlich nahe. Allerdings könnte Griechenland den IWF um Zahlungsaufschub bis zum Monatsende bitten. Praktisch ist es jedoch kaum noch möglich, die ausstehende Trance aus dem letzten Hilfspaket rechtzeitig auszuzahlen, selbst wenn eine politische Einigung über Reformzusagen jetzt schnell gehen sollte.

In der nächsten Woche müssten jedenfalls auf der Arbeitsebene die technischen Details einer Einigung formuliert werden. In gut zwei Wochen könnten die Finanzminister der Eurogruppe dann den Deal absegnen - das ist das Szenario für den besten Fall. Schließlich müssen in einigen Ländern noch die nationalen Parlamente zustimmen. Und einig sind sich alle darüber, dass Griechenland mit den ausstehenden 7,2 Milliarden aus der letzten Tranche der Hilfen nur knapp über den Sommer kommen kann. Im Juli und August drohen weitere Rückzahlungen in Milliardenhöhe, vor allem an die EZB. In Brüssel ist längst klar: Nach der Griechenland-Rettung ist vor (einer weiteren Runde) der Griechenland-Rettung.