"Geboren, um zu töten"
23. März 2015Vor der Terrassentür meines Appartements auf der hawaiianischen Insel Molokai miaut es lautstark. Als ich die Tür öffne, spaziert eine getigerte Katze herein und schaut mich erwartungsvoll an. Eigentlich mag ich Katzen wirklich sehr. Jetzt aber betrachte ich das Raubkätzchen mit gemischten Gefühlen.
Hawaii ist nach Australien und Neuseeland der dritte Landstrich, den ich besuche, in dem Artenschützer über streunende und verwilderte Katzen fluchen. Denn selbst noch so süß aussehende Katzen haben spitze Zähne und scharfe Krallen - und damit setzen sie der einheimischen Vogelwelt ganz schön zu. Denn Landraubtiere sind den Vögeln hier im Zuge der Evolution erspart geblieben - sie stehen ihnen wehrlos gegenüber.
"Eines der besten Raubtiere auf unserem Planeten"
Besonders verhasst sind Katzen in Neuseeland. Dort brüten viele Vogelarten auf dem Boden oder haben sich sogar das Fliegen komplett abgewöhnt - zum Beispiel der in Neuseeland so geliebte Kiwi.
Katzen sind mit ihren hervorragenden Augen und Ohren verdammt gute Jäger. Dafür hat der Mensch sie schließlich domestiziert: zum Mäusefangen. "Katzen sind geboren, um zu töten", sagt Rachel, Bäuerin im neuseeländischen Owhango. "Sie müssen nicht mal hungrig sein, um zu töten."
Zustimmung kommt aus Australien: "Katzen sind eines der besten Raubtiere auf unserem Planeten", sagt Artenschützer Ben frustriert. Er arbeitet im Wildlife-Park "Desert Park" in Alice Springs. 18 Millionen wilde Katzen gibt es laut Ben in Australien. Sie töten im Outback nicht nur Vögel, sondern potenziell so ziemlich alles, was weniger als fünf Kilogramm wiegt - darunter typisch australische Beuteltiere und Nagetiere mit lustigen Namen wie Zottel-Hasenkänguru, großer Kaninchennasenbeutler und große Häschenratte. Viele dieser Tierarten sind in Freiheit bereits ausgestorben.
Hohe Zäune und viel Elektrizität
Der Alice Springs Desert Park züchtet bedrohte Tiere nach und setzt sie in einem von Katzen geschützten weitläufigen Freigehege aus. Als ich das Gehege besuche, ist es, als würde ich ein militärisches Sperrgebiet betreten: Erst geht es durch ein Tor in einem mannshohen Zaun mit Übersteigschutz, dann folgt etwa hundert Meter weiter ein noch höherer Zaun. "Beim Durchgehen keinesfalls nach oben strecken", warnt Ben. Dort verläuft ein Elektrozaun mit etwa 60.000 Volt Spannung. Nur innerhalb eines solchen Zauns, über den keine Katze gelangt, kann man heutzutage noch bedrohte australische Tiere wie Zottel-Hasenkänguru nachzüchten, erklärt mir Ben.
Woher aber kommen die vielen verwilderten Katzen? "Die meisten wurden ausgesetzt", erklärt mir Ben. "Man hat es nicht übers Herz gebracht, die süßen, aber unerwünschten Kätzchen zu töten - also schenkte man ihnen die Freiheit", fügt er bitter hinzu. Natürlich ohne sie vorher zu kastrieren.
Tierschützer sehen das anders
Nicht jeder teilt die Meinung der Artenschützer: "Das Hauptproblem für die Tierwelt auf Hawaii sind Menschen", sagt mir eine aufgebrachte Pam Burns von der Tierschutzorganisation #link:http://hawaiianhumane.org/AboutUs:Hawaiian Humane Society#. "Aber die Leute sind immer schnell drin, Katzen die Schuld zu geben."
Pam setzt sich wie viele andere Tierschützer dafür ein, streunende Katzen einzufangen, zu kastrieren und wieder freizulassen. Das sei die Lösung. Tatsächlich gibt es auf Hawaii etliche sogenannte Katzen-Kolonien. Jeweils bis zu 100 kastrierte Streunerkatzen werden dort regelmäßig von Privatpersonen gefüttert.
Rachel im neuseeländischen Owhango hält von diesem Vorgehen nichts. "Katzen leben über zehn Jahre. In dieser Zeit können sie schrecklich viele Tiere töten." Neuseeland fängt wilde Katzen daher mit Fallen ein - um sie dann kurz und schmerzlos zu töten.
In Hawaii geht das nur im Geheimen, erzählt mir die Mitarbeiterin einer Naturschutzorganisation. "Natürlich fangen wir in Naturschutzgebieten auch alle Katzen weg und töten sie. Aber das sagen wir niemandem, sonst gäbe es einen Aufschrei der Tierrechtsaktivisten." In den USA sei die Tierschutzlobby extrem stark.
Auch das getigerte Kätzchen auf meiner Terrasse ist kastriert. Das sehe ich daran, dass ihr ein Stück vom Ohr fehlt. Ich streichle sie ausgiebig und lasse sie dann wieder fortziehen. Füttern würde ich sie nach allem, was ich erfahren habe, nicht. Das ist mir laut Hausordnung meines Appartementkomplexes sowieso verboten.