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Sind Elektroautos Ladenhüter?

Sabine Kinkartz 2. Dezember 2014

Eigentlich sollten jetzt 100.000 Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, so der Plan von Bundesregierung und Industrie. Weit gefehlt. Die Autobauer schieben der Politik die Schuld zu.

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Elektroauto
Bild: picture-alliance/dpa

Elektroautos auf deutschen Straßen – ein Flop?

Es ist der vierte Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) und er hätte ein Meilenstein werden sollen. Immerhin endet mit Ablauf dieses Jahres die erste von drei Phasen, in deren Verlauf sich Deutschland bis 2020 zum weltgrößten Markt für Elektroautos aufschwingen will. Eine Million stromangetriebene Fahrzeuge, so verkündete die Bundeskanzlerin vor vier Jahren zusammen mit Industrievertretern und Gewerkschaftlern, sollen dann auf deutschen Straßen unterwegs sein.

Die sogenannte "Marktvorbereitung", wie Phase eins genannt wurde, haben sich Industrie und Bundesregierung einiges kosten lassen. 17 Milliarden Euro investierten die Automobilbauer in den vergangenen vier Jahren in die Weiterentwicklung der Elektromobilität. Von staatlicher Seite kamen 1,5 Milliarden Euro Fördermittel dazu. Aus 17 Serienmodellen deutscher Hersteller können Käufer inzwischen wählen, im kommenden Jahr sollen zwölf weitere Modelle ausgeliefert werden.

Deutschland nur Mittelmaß

Doch die Käufer greifen einfach nicht zu. 100.000 Elektroautos sollten Ende 2014 auf deutschen Straßen unterwegs sein und einen ersten Etappensieg markieren. Tatsächlich ist im vierten Fortschrittsbericht aber nur von 24.000 die Rede. Zwar relativiert der NPE-Vorsitzende Henning Kagermann das 100.000-Ziel inzwischen. Das sei lediglich "eine Hausnummer" gewesen, eine Antwort auf die Frage, "was hätten wir denn gerne" und "besser, als im Kaffeesatz zu lesen". Trotzdem zieht Kagermann aktuell nur eine "gemischte Bilanz". Deutschland sei zwar Leitanbieter und rangiere beim Angebot nach den USA auf Platz zwei. "Wir befinden uns beim Ziel Leitmarkt zu werden jedoch derzeit nur im Mittelfeld."

Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität
Zufriedene Gesichter sehen anders aus: NPE-Chef Kagermann übergab den Fortschrittsbericht an die BundeskanzlerinBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Eine wohlwollende Beurteilung, wirft man einen Blick auf die Entwicklung in anderen Ländern. 223.600 Elektroautos sind in den USA unterwegs, in Japan sind es 88.500. In Europa liegen die Niederlande und Norwegen ganz vorne, beides Länder, die selbst keine Elektroautos herstellen. "Gucken sie mal, was da vom Staat ausgegeben wird", relativiert Kagermann. In Deutschland fehlten finanzielle Anreize, und das mache sich eben bemerkbar. "Bei dem bisschen, was wir tun, ist die Entwicklung in Deutschland enorm", sagt er.

Kaufprämien und Steuererleichterungen

Tatsächlich ist es vor allem der hohe Preis, der potenzielle Käufer abschreckt. Die USA, China und Frankreich bieten daher Kaufprämien, um den Absatz zu fördern. Die niederländische und die norwegische Regierung bieten hohe steuerliche Anreize. Fünf bis achttausend Euro können Käufer bei einem Mittelklassewagen so sparen. Auch in Deutschland wird seit Jahren gefordert, den Absatz von Elektroautos mit finanziellen Anreizen anzukurbeln. Doch die Bundesregierung winkte bislang stets ab, der ausgeglichene Haushalt hatte Vorrang.

Das könnte sich angesichts der Schieflage ändern. "Wir werden die gesteckten Ziele nur erreichen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, das haben wir immer gesagt", mahnt Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. Im vierten Fortschrittsbericht ist aufgelistet, wo es bei den Rahmenbedingungen hakt. Verbesserungen werden vor allem beim Ausbau der Ladeinfrastruktur gefordert. Für deren Ausbau empfiehlt die NPE eine Kombination aus privaten und öffentlichen Investitionen. Auch die Reichweite der Fahrzeuge soll erhöht werden. "Wir wissen, dass wir weiter investieren müssen", sagt Matthias Wissmann. Der Industrie sei klar, dass das Projekt langfristig angelegt sei und kurzfristig kein "return on invest" zu erwarten sei.

Förderung für Dienstwagen?

Doch nicht nur bei Infrastruktur und Reichweite hapert es noch. An erster Stelle mahnt der Fortschrittsbericht finanzielle Anreize an, um den Kaufpreis abzumildern. Statt einer Kaufprämie setzt die NPE zunächst allerdings nur auf Steuererleichterungen für gewerbliche Nutzer. Sie sollen ihre Dienstwagen besser abschreiben können. Die sogenannte Sonder-Afa biete sich geradezu an, um Innovationen zu beflügeln, argumentiert Wissmann. Sein Verband habe bereits Gespräche mit Flottenmanagern privater Unternehmen geführt und analysiert, dass die Rechnung aufgehen könnte. Bei einer Nutzung von drei bis vier Jahren mache die Afa den "entscheidenden Unterschied" aus.

Elektroautos auf deutschen Straßen – ein Flop?

Henning Kagermann rechnet vor, dass durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Dienstwagen der Absatz von Elektroautos so forciert werden könnte, dass zwischen 2019 und 2021 dann rund 800.000 elektrisch betriebene Fahrzeuge auf der Straße wären. Mehr als die Hälfte davon wären Dienstwagen. Im Gegenzug macht die NPE aber auch die Rechnung auf, was passieren würde, wenn sich nichts ändern würde. Dann würden 2020 statt der geplanten eine Million Fahrzeuge nur 500.000 unterwegs sein, heißt es.

Einem solchen Schreckensszenario setzt die NPE Steuerausfälle von jährlich 200 Millionen Euro entgegen. Im ersten Jahr der Sonderabschreibung wären es sogar nur 30 Millionen Euro. Summen, die auch angesichts knapper Kassen vertretbar seien, argumentiert Wissmann. "Das Ziel von einer Million Fahrzeugen ist von der Politik vorgegeben, also muss die Politik auch ihren Beitrag leisten", ergänzt Kagermann.

Ohne Batterie geht gar nichts

Steuerausfälle sind aber nicht der einzige Beitrag, den die NPE von der Politik verlangt. Bis zum Ende der sogenannten "Markthochlaufphase" 2017 müssten zusätzlich 2,2 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert werden, davon soll die Hälfte aus öffentlichen Töpfen kommen. Unter anderem, um die Weiterentwicklung der Batterien zu fördern. Gerade erst hat Daimler bekannt gegeben, die einzige Fabrik für Batterie-Zellen in Deutschland schließen zu wollen. Die Fertigung ist schlichtweg nicht konkurrenzfähig zu den asiatischen, und dort vor allem den koreanischen Anbietern.

Die Batterie macht allerdings 40 Prozent der Wertschöpfung bei einem Elektroauto aus. Ein Geschäft, das sich die Deutschen auf Dauer nicht nehmen lassen wollen. Man müsse die strategische Chance wahrnehmen, bei der nächsten oder übernächsten Generation von Batterien, die mit Lithium-Schwefel-Zellen oder Lithium-Luft-Zellen gebaut würden, wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen, so Kagermann. Doch das geht nicht ohne finanzielle Unterstützung. VDA-Präsident Wissmann empfiehlt einen Blick in die USA. Dort rechnet der Elektromobilbauer Tesla laut einem Investitionsplan damit, dass der Bau einer neuen Batteriefertigung vom Staat mit bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar gefördert wird.