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Am Limit

Nina Werkhäuser7. November 2014

Kaputte Flugzeuge, marode Ausrüstung - die Bundeswehr ist in keinem guten Zustand. Das passt nicht zur Rolle, die sie in der deutschen Außenpolitik spielen soll - mit immer neuen Auslandseinsätzen.

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Bundeswehr-Soldaten mit roten Baretten beim Appell, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/Hendrik Schmidt

Als die Bundeswehr im September Waffen und Ausbilder in den Nordirak fliegen wollte, waren gleich mehrere Transportmaschinen vom Typ Transall defekt. Die Ankunft des Materials verzögerte sich, und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen musste sich einigen Spott über den "Schrottplatz" Bundeswehr anhören. Mehr als 40 Jahre haben die reparaturbedürftigen Transall-Maschinen auf dem Buckel, die das Rückgrat des deutschen Lufttransports sind. Unfreiwillige Flugpausen sind da an der Tagesordnung.

Verärgerung über die Hersteller

Aber auch neueres Fluggerät findet sich im Moment eher im Hangar als in der Luft. "Hubschrauber bleiben am Boden, Transportflüge fallen aus, Kampfjets müssen in die Werkstatt", räumte die Ministerin kürzlich vor Kommandeuren der Bundeswehr ein - und sprach von "Hiobsbotschaften". Lieber hätte sie sowohl den Soldaten als auch der Ausrüstung ein gutes Zeugnis ausgestellt. So aber musste von der Leyen zugeben, dass die Probleme mit dem Material die Truppe weiter belasten werden. Und reichte den Schwarzen Peter gleich an die Industrie weiter: Mit vier Jahren Verspätung komme der neue Airbus A 400M, der Transall-Nachfolger, bei der Bundeswehr an, beklagte von der Leyen. Solche Milliardenprojekte könnten einfach nicht mal schnell anderweitig kompensiert werden. "Die stärkste Macht der EU unterhält anscheinend eine Armee, die weder fahren noch fliegen noch schwimmen kann", stichelte die renommierte "Neue Zürcher Zeitung".

Der künftige Militärtransporter der Bundeswehr, der Airbus A 400M, im Flug, Foto: Reuters
Lange verspätet, sehnsüchtig erwartet: Der Airbus A 400M soll künftig Soldaten und Material transportierenBild: Reuters

Misswirtschaft bei Rüstungsvorhaben

Dass die Versäumnisse sowohl bei der Industrie als auch in ihrem Haus liegen, hat die Verteidigungsministerin inzwischen Schwarz auf Weiß. Sie selbst hatte nach ihrem Amtsantritt ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, das die Probleme bei neun großen Rüstungsprojekten analysieren sollte. Die Sachverständigen stießen auf schlecht ausgehandelte Verträge, Fertigungsmängel und Planungsfehler. So kommt zum Beispiel der A 400M nicht nur um Jahre zu spät, die Flotte kostet auch mehrere Milliarden Euro mehr als ursprünglich vereinbart. Die Gutachter bemängeln, dass sich das Verteidigungsministerium im Fall von Verspätungen oder Produktionsfehlern von den Herstellern über den Tisch ziehen lasse.

Da die Leitung des Hauses häufig zuletzt von den Problemen erfährt, sind fehlgesteuerte Rüstungsprojekte für jeden Verteidigungsminister eine Stolperfalle. Das musste auch von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière erfahren, den das Missmanagement bei der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" beinahe das Amt gekostet hätte. Nach ihrem Amtsantritt tauschte von der Leyen die für Rüstung zuständigen Spitzenbeamten daher kurzerhand aus. Nun will sie gegen "handwerkliche Fehler" und die überbordende Bürokratie in ihrem Haus vorgehen, die noch jeden Beschaffungsprozess verkompliziert haben.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit Soldaten beim Gelöbnis, Foto: dpa
Baustelle Bundeswehr: Ministerin von der Leyen, seit knapp einem Jahr im Amt, muss an vielen Stellen nachbessernBild: picture-alliance/dpa

Auf militärische Fähigkeiten verzichten?

Auch das Prinzip "Breite vor Tiefe", nach dem die Bundeswehr ein möglichst breites Spektrum von Waffensystemen bei Heer, Luftwaffe und Marine vorhalten soll, steht auf dem Prüfstand. "Die Bundeswehr muss sich auf Fähigkeiten konzentrieren, die sie verlässlich für multinationale Einsätze bereitstellen kann", argumentieren etwa die Grünen, "auf andere muss sie dafür verzichten". Der Wehretat von gut 32 Milliarden Euro sei völlig ausreichend, meint die Linke: "Die in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Pannen sind nicht Ausdruck einer Unterfinanzierung, sondern des Umbaus der Bundeswehr zu einer Armee im globalen Dauereinsatz." Nach Ansicht der Linken ist das aber die falsche Ausrichtung der Bundeswehr.

Mehr Missionen mit weniger Soldaten

Während die Bundeswehr mit Problemen bei der Ausrüstung und Engpässen beim Personal zu kämpfen hat, liebäugelt die Ministerin mit neuen Auslandseinsätzen. Seit die Bundesregierung Anfang des Jahres selbstbewusst verkündet hat, dass sie sich künftig außenpolitisch stärker engagieren werde, hebt Deutschland bei jeder internationalen Krise den Finger. Insgesamt 16 Auslandseinsätze mit insgesamt 3400 Soldaten listet das Verteidigungsministerium inzwischen auf, darunter viele kleine wie die UN-Mission im Südsudan mit 16 Soldaten. Weitere sind im Gespräch, etwa eine Ausbildungsmission für die kurdischen Peschmerga im Nordirak.

Deutsche Militärausbilder trainieren Soldaten in Mali, Foto: dpa
Deutsche Militärausbilder in MaliBild: picture-alliance/dpa

Der größte Einsatz, jener der ISAF in Afghanistan, läuft zum Ende des Jahres aus und wird von einer bedeutend kleineren Ausbildungsmission abgelöst werden. Damit dürfte für die Bundeswehr die Zeit der personalintensiven Interventionen zu Ende gehen - mehr als 5000 deutsche Soldaten standen zu Spitzenzeiten in Afghanistan oder im Kosovo. In Zukunft wird es eine Vielzahl kleinerer Missionen geben, die unter der Überschrift "Ausbildung, Transport, Unterstützung" stehen.

Neues Weißbuch als Kompass

Nach welchen Kriterien aber sollen die Einsätze künftig ausgewählt werden? Bisher erwecken Außenminister und Verteidigungsministerin den Eindruck, Deutschland müsse möglichst überall Solidarität und Präsenz zeigen, von Afghanistan bis Mali. Aber ist das auf Dauer machbar und sinnvoll? Antworten soll ein neues sicherheitspolitisches Weißbuch geben, das die Bundesregierung bis 2016 vorlegen will. Da das letzte Weißbuch aus dem Jahr 2006 stammt, hält der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn eine Überarbeitung dringend für nötig: Sicherheitspolitik dürfe nicht "nach subjektivem Bedrohungsgefühl und Kassenlage" gemacht werden.