1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hitlers ersehnter Krieg

Tillmann Bendikowski29. August 2014

Adolf Hitler fühlte sich im Jahr 1939 allmächtig. Der Beginn des Krieges war für ihn zunächst ein Triumph. Doch auch wenn es zunächst noch Erfolge geben sollte – der Abstieg des Diktators begann am 1. September 1939.

https://p.dw.com/p/1D2gg
Adolf Hitler 1939 Copyright: Max Schirner/Topical Press Agency/Getty Images)
Bild: Getty Images/Topical Press Agency/Max Schirner

Auch dieser Krieg beginnt mit einer Lüge: "Polen hat nun heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen." Das behauptet Adolf Hitler am Vormittag des 1. September 1939 vor dem Reichstag. In Wirklichkeit haben SS-Kommandos den von der NS-Propaganda empört geschilderten Überfall auf den oberschlesischen Rundfunk-Sender Gleiwitz vorgetäuscht, und schon haben die zuvor in Stellung gegangenen deutschen Soldaten an zahlreichen Stellen die Grenze zu Polen überschritten. Adolf Hitler hat diesen Krieg gegen Polen gewollt, doch der politische Hasardeur hat sich verspekuliert. Binnen weniger Tage stellen sich allen voran Großbritannien und Frankreich an die Seite Polens: Hitler hat einen Weltkrieg begonnen. Und auch wenn es zunächst noch Erfolge geben sollte – der Abstieg des Diktators beginnt an diesem 1. September 1939.

Adolf Hitler fühlt sich im Jahr 1939 allmächtig. Seine Deutschen haben ihm zu seinem 50. Geburtstag am 20. April schließlich überwiegend entzückt zugejubelt, Propagandaminister Joseph Goebbels hat eine kolossale Feier in Berlin organisiert, Zeitungen und Kinos im gesamten Reich waren voll vom Jubel über den nationalen "Erlöser". Wem von den politischen Gegnern die Flucht in die Emigration gelungen war, muss sich traurig eingestehen, dass der "Führer"-Mythos in breiten Schichten des Volkes denkbar groß ist. Und der Terror im Land selbst hatte bekanntlich zu keiner tragfähigen Solidarität mit den Opfern geführt. Hitler fühlt sich unangreifbar. Als Hermann Göring ihn drei Tage vor Kriegsbeginn generell darauf hinweist, es sei doch nicht immer nötig, stets das äußerste Risiko zu gehen, da hält ihm der Diktator lakonisch entgegen: "Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt." Und bisher ist er ja auch damit durchgekommen …

Überfall auf Polen Angriff auf Warschau Copyright: ullstein bild - SV-Bilderdienst
Eine deutsche motorisierte Division auf dem Vormarsch vor WarschauBild: ullstein bild - SV-Bilderdienst

"Jetzt muß es sich entscheiden, ob Hitler allmächtig, ob seine Herrschaft eine unabsehbar dauernde ist, oder ob sie jetzt, jetzt fällt." So notiert Victor Klemperer bei Kriegsbeginn in seinem Tagebuch. Werden die Deutschen Hitlers Weg mitgehen? Sie tun es. Anfangs zögerlich (woran man sich nach 1945 gerne erinnerte), aber nach wenigen Tagen überschwänglich jubelnd, als erste Siegesmeldungen eintreffen und die Niederwerfung Polens so atemberaubend schnell vonstattengeht (dieser Jubel ist den Deutschen später verständlicherweise peinlich). Dabei ist dieser Krieg gegen Polen von Beginn an ein Krieg neuer Qualität: Mit dem 1. September gewöhnen sich die deutschen Soldaten erstmals daran, dass Kriegsführung und Massenmorde im ausgerufenen "Volkstumskampf" fortan untrennbar zusammengehören. Und die Wehrmacht beteiligt sich bereitwillig an diesen Verbrechen, eine wahre Orgie von Grausamkeiten wird entfesselt. Er sei entschlossen, "das polnische Volk zu vernichten", erklärt Hitler am Tag des Überfalls – seine Soldaten und Mordkommandos sind ihm dabei behilflich.

Adolf Hitler hat kaum Widerspruch zu fürchten. Dabei kommt die ernüchternde Nachricht schon am 3. September: Wenn die deutschen Truppen sich nicht umgehend aus Polen zurückziehen, befindet sich ab sofort Großbritannien im Kriegszustand mit dem Deutschen Reich; und dem britischen Ultimatum folgt kurz darauf das französische. "Wie versteinert saß Hitler da und blickte vor sich hin", erinnert sich ein Augenzeuge an die Situation, als die Meldung eintraf. Nach einer Weile wendet er sich an Außenminister Ribbentrop, der ebenfalls wie erstarrt dastand. "Was nun?", fragt ihn Hitler in diesem Moment, da aus dem Feldzug ein europäischer Krieg wird.

Soldaten der Wehrmacht an der Küste der Normandie Copyright: imago/Seeliger
Soldaten der Wehrmacht an der Küste der NormandieBild: Imago

Was nun kommt, ist die zwingende Folge aus der bisherigen Herrschaft des NS-Regimes. Getragen und geblendet von den raschen Erfolgen gegen das in jeder Hinsicht militärisch hilflose und zudem gleichermaßen der Sowjetunion ausgelieferte Polen wendet sich Hitler 1940 gegen Frankreich. Und wieder gibt es einen atemberaubend schnellen Sieg, der die Wahnvorstellungen von der nahe erscheinenden deutschen Weltherrschaft weiter nährt. Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion ein Jahr später markiert dann bereits das Ende. In atemlosem Tempo treibt Hitler die deutschen Armeen in die Schlachten, wie entfesselt wüten deutsche Soldaten auf dem Kontinent. Es begann am 1. September 1939, und seit diesem Tag gab es kein Zurück mehr. Adolf Hitler und das Deutsche Reich hatten einer ganzen Welt den Krieg erklärt, das musste in einer Katastrophe enden.