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Heilige Familie

21. Dezember 2013

Weihnachten - da sollen alle zu Hause sein. Ob sie wollen oder nicht. Kann das gut gehen? Und wenn ja - wie? Darüber denkt Petra Schulze aus Düsseldorf für die evangelische Kirche nach.

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Patchwork Familie
Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Heilige Familie

"Und wenn das zehnmal dein Geburtstag ist – du bist Weihnachten zu Hause!“ Die Mutter ist zornig. Der Vater steht stumm hinter ihr. Wütend wendet sich der Sohn ab und geht zur Tür. Soweit eine Szene, die überall spielen könnte. Doch der junge Mann hat nicht nur einen Bart und lange Haare. Er hat auch einen Heiligenschein. Genau wie seine Mutter. Ganz klar: Die Heilige Familie ist es, bei der nicht „stille Nacht“ sondern Zoff angesagt ist. Die hübsche kleine Familienszene erreichte mich über Facebook als Karikatur.

Weihnachten – alle zu Hause?

„Und wenn das zehnmal dein Geburtstag ist – du bist Weihnachten zu Hause.“ – „Ihr werdet doch vorbeikommen, oder? Du weißt doch, Papa, legt viel Wert drauf, dass Weihnachten alle zusammen sind.“ – „Nicht dass du uns falsch verstehst… aber deine Freundin…Ich mein, Heiligabend, da ist man doch eher so im engen Familienkreis…“ Solche oder ähnliche Sätze fallen hier und da in den Familien vor Weihnachten. Und da ist klar – ganz gleich wie vorsichtig Mütter oder Väter, Omas oder Opas solche Wünsche formulieren, sie sorgen für Zoff und schlechte Stimmung.

Woher kommt eigentlich der jedenfalls in Deutschland häufig verbreitete Mythos, dass man Weihnachten am besten und richtig eigentlich nur im engsten Familienkreis feiern könnte?

Tag der offenen Tür

Vater, Mutter, Kinder – Maria Josef und das Jesuskind - diese Drei bilden das Zentrum unserer Bilder von Familie und unserer Weihnachts-Krippen. Und mit diesen Figuren verengt sich oft der Blick auf das, was Weihnachten ausmacht. Dabei ist das Umfeld der biblischen Kleinfamilie ganz schön bunt: Da sind einige Hirten mit ihren Hirtenjungen und Schafen dabei, Ochse und Esel und dann noch drei Männer, Astronomen, Sterndeuter, die von weit her kommen. Für Josef und Maria Fremde wie die Hirten. Die Heilige Familie, sie hat sich nicht in einem Reihenhäuschen mit Tannenbaum und Gänsebraten eingeschlossen. Bei ihr ist im Gegenteil Tag der offenen Tür. Hereinspaziert – hier gibt’s was zu gucken. Was zu feiern. Kommet zuhauf.

Weihnachten - Testfall Familie

Weihnachten – das wird für viele zum Testfall: Sind wir noch eine Familie? Was sind wir einander wert? Wie viel bin ich den anderen wert? Der Sohn will die Mutter nicht enttäuschen und gibt sich Mühe, nicht zu zeigen, wie sehr er seine Freundin vermisst. Die Ausgeladene versucht das gleiche in ihrer Familie zu tun. Die Mutter will den Vater nicht enttäuschen und spielt Freude vor über ein Geschenk, das mal wieder so gar nicht zu ihr passt. O du fröhliche schallt es von der Weihnachts-CD und Merry Christmas. Und dann kann es passieren: Fauler Friede und geheuchelte Freude vergiften den Genuss der Weihnachtsgans. Die Sahne auf dem Eis schmeckt sauer.Manche fragen sich: Wo ist sie geblieben, die Weihnachtsfreude?

Rituale sind wichtig

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich habe nichts gegen Rituale. Die sind sinnvoll und wichtig. Und sie einzuhalten, auch wenn es mir erst einmal schwer fällt, ist eine wichtige Übung. Erst wenn ich täglich bete oder über einem Satz aus der Bibel meditiere, spüre ich irgendwann: Ich werde ruhiger. Ich konzentriere mich einmal am Tag auf etwas, das außerhalb meiner kleinen engen Sorgenwelt liegt. Langsam öffnet sich etwas in mir – für Gottes wärmendes Licht. Und manchmal löst sich dann ein Knoten im Hirn. Ich komme auf eine ungewöhnliche Idee, wie sich eine schwierige Situation lösen lässt.

Feiern üben – das ganze Jahr!

Das Weihnachtsfest mit der Familie als Ritual – es kann den Zusammenhalt stärken. Da ist endlich Zeit füreinander. Einmal alle an einem Tisch. Spielen, reden, essen und trinken. Das kann schön sein. Und es gelingt wie jedes Ritual besser, wenn ich es über das Jahr oft geübt habe. Wenn ich viele kleine Weihnachten zwischendurch feiere. An Geburtstagen, an Sonn- und Feiertagen. Und je geübter wir darin sind, desto eher gelingt es uns, auch andere mit einzuladen. Uns zu öffnen für die, die vielleicht keine Familie haben oder mit ihr gebrochen haben. Familienweihnachtsfriede auf Knopfdruck – das ist schwierig. Auch gute Gemeinschaft braucht Übung. Deshalb – erwarten Sie nicht, dass alle Ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Feiern Sie mit denen, die gern kommen. Und freuen Sie sich an dem, was ist. Da hat dann die Weihnachtsfreude reichlich Platz.

Zur Autorin:

Evangelische Pfarrerin Petra Schulze
Bild: Petra Schulze

Petra Schulze, Jahrgang 1965, studierte Evangelische Theologie, Publizistik und Sozialpsychologie in Bochum. Sie absolvierte eine Jahreshospitanz beim WDR-Hörfunk sowie ein mehrwöchiges Praktikum beim WDR Fernsehen in Köln und ist seitdem für den WDR und andere Sender als freie Journalistin tätig sowie u.a. für die Wochenzeitung "Unsere Kirche". Von 2006-2011 war Schulze die Evangelische Senderbeauftragte für das Deutschlandradio und die Deutsche Welle in Berlin.Ab November 2011 ist sie die Evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR in Düsseldorf.