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Aigner: "Ausbildung ist Schlüssel zum Erfolg für Afrika"

Ludger Schadomsky8. Mai 2013

Auf ihrer Afrika-Reise macht Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner in Südafrika und Äthiopien Station. Dabei will sie auch heikle Themen wie den freien Zugang zum Land ansprechen, sagt sie im DW-Interview.

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Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (Foto: Carmen Jaspersen dpa/lni)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Nach vielen Jahren Schattendasein erlebt Afrikas Landwirtschaft gerade eine Renaissance. Das dürfte Sie als Agrarministerin erst einmal freuen, wirft zugleich aber die Frage auf: Wohin mit den Erträgen? Sie haben sich deutlich positioniert: Auf den Teller soll der afrikanische Mais und schon gar nicht "ins Casino". Darf man das als Seitenhieb auf die Deutsche Bank und deutsche Versicherer werten, die für ihre fortgesetzten Spekulationen mit Agrar-Rohstoffen am Pranger stehen?

Ilse Aigner: Man muss mit Lebensmitteln so umgehen, wie es der Name schon sagt: Es sind Mittel zum Leben. Und das muss gerade in den von Hunger bedrohten afrikanischen Ländern absolute Priorität haben. Ich beobachte mit Sorge gewisse Tendenzen zu einer verstärkten Spekulation mit Lebensmitteln. Die weltweit steigenden Preise haben jedoch viele Ursachen. Kurzfristig könnten auch Spekulationen die Preisschwankungen verstärken. Deshalb hat die Staatengemeinschaft reagiert - zum Beispiel, indem nun auf internationaler Ebene ein Informationssystem aufgebaut wird, das weltweit die zu erwartenden Ernten und die Lagerbestände der wichtigsten Agrarrohstoffe erfasst. So schaffen wir mehr Transparenz auf den Märkten.

Gerade das südliche Afrika hat unter den Verwerfungen auf den Agrarmärkten in Afrika im Zuge der globalen Krise 2007/2008 besonders gelitten. Welche Eindrücke nehmen Sie von ihrem Besuch in Südafrika mit: Ist die Region heute besser aufgestellt, funktionieren die Frühwarnsysteme?

Das ist schon noch ein Generationenprojekt. Es hat auch sehr viel mit dem kritischen Punkt der Landvergabe zu tun. Und wenn tatsächlich Land vergeben wird, lautet die nächste Frage: Wie kann jemand seinen Grund und Boden auch bestellen? Das ist einer unserer politischen Schwerpunkte: Wie kann man die Aus- und Fortbildung und die Erstausbildung überhaupt gewährleisten? Wissen ist der Schlüssel zum Erfolg: Was ein Landwirt gelernt hat, kann ihm keiner mehr nehmen. Deshalb setzen wir genau hier an.

Erntearbeiter mit einem Trecker sprueht ein Kohlfeld (Foto: "picture alliance/WILDLIFE)
Eine Kohlplantage in SüdafrikaBild: picture alliance/WILDLIFE

Sie haben Afrikas Fachkräftemangel angesprochen. Das Problem kennt man seit vielen Jahrzehnten. Es gibt zwar punktuelle Ausbildungs-Projekte, aber warum ist es angesichts der immensen Bedeutung des Agrarsektors für Afrika - mit 85 Prozent der Beschäftigten und 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - nicht gelungen, diese Ausbildung großflächig auszurollen?

Aigner: Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich sagen: Am besten implementiert man die erfolgreiche duale Berufsausbildung, mit der wir in Deutschland so gute Erfahrungen gemacht haben, komplett auch in diesen Staaten. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan. Die Strukturen, die wir in Deutschland und auch in Österreich haben, kann man nicht eins zu eins übertragen. Deshalb ist unsere Zielrichtung: Wir wollen gemeinsam versuchen, in die bestehenden Colleges etwa in Südafrika mehr praxisorientierte Bestandteile einzubauen. Eine wichtige Frage ist auch: Wie kann man Ausbilder ausbilden, um eine größere Flächenwirkung zu erzielen? Hier setzen wir an, im ersten Schritt mit einer Beratung auf Ebene des Ministeriums.

Diese Ausbildung soll ja letztlich der Produktivität von Afrikas Agrarflächen dienen, und die ist notorisch schwach. Südafrikas Agrarsektor ist dagegen relativ entwickelt. Konnten Sie aus den Gesprächen Strategien mitnehmen, die beispielsweise auch in Äthiopien, ihrer zweiten Station, zum Tragen kommen könnten?

Aigner: Dazu war mein Aufenthalt leider zu kurz. Aber ich glaube, dass der entscheidende Schlüssel in allen afrikanischen Ländern stabile politische Verhältnisse und klare Landrechte sind. Dazu kommt das Know-how: Wie kann ich die Wertschöpfungstiefe in den Ländern vergrößern? Das ist die Kernfrage. Deshalb ist die Kooperation mit genossenschaftlichen Strukturen sehr wichtig, weil die Parzellen oft klein sind und es sich in der Regel um Subsistenz-Landwirtschaft handelt. Eine Kooperation mit mehreren Landwirten kann langfristig auch eine bessere Aufstellung gewährleisten - dafür gibt es viele gute Beispiele weltweit.

Ein äthiopischer Bauen an einem Feld. (Foto: Ludger Schadomsky/DW)
Ein kritisches Thema: Landverpachtung an ausländische InvestorenBild: DW

Das Thema klare Landrechte wird Sie sicher auch in Äthiopien beschäftigen. Es ist überhaupt ein sensibles Thema in Afrika: Die Landtitel sind oft nicht geklärt, in Äthiopien ist Land nach wie vor nicht erwerbbar. Wie werden sie dieses Thema dort angehen?

Aigner: Ich spreche das Thema offen an. Die Grundaussage, dass verlässliche Bedingungen für eine landwirtschaftliche Produktion unverzichtbar sind, gilt aus meiner Sicht für alle Länder. Wer anbauen will, der will die Fruchtbarkeit des Bodens auch über mehrere Jahre nutzen. Und das ist nur dann gewährleistet, wenn es gesicherte Zugangsrechte zum Land gibt und ein Mindestmaß an Planungssicherheit. Wenn Eigentum nicht erwerbbar ist, ist das prinzipiell hinderlich.

Sie haben sich im Vorfeld der Reise dafür ausgesprochen, Zugang zu Land zur Bedingung für Entwicklungshilfe zu machen. Diese Position könnten ihre äthiopischen Gastgeber womöglich als unwillkommene Einmischung in innere Angelegenheiten werten. Dort besteht man darauf, brachliegendes Ackerland im Sinne eines "Wissenstransfers" für einheimische Bauern an Ausländer zu verpachten, ganz nebenbei spült es Devisen in die leeren Kassen. Wie werden sie mit diesem heiklen Thema dort umgehen?

Aigner: Wir haben ja gemeinsame Leitlinien, die sogenannten "Voluntary Guidelines", verabschiedet, mit Kriterien zur Landvergabe. Da sind alle Länder mit eingestiegen. Die entscheidende Frage ist, wie das jetzt in der Praxis umgesetzt wird. Die Entwicklungszusammenarbeit an diese Bedingungen zu binden, ist eine logische Konsequenz. Investitionen per se sind ja nicht schädlich, wenn sie dem Land zu Gute kommen und nicht nur Transfer-Aktionen sind. Darauf muss meines Erachtens das Hauptaugenmerk liegen, auch im Interesse Äthiopiens. In einem Land, in dem vierzig Prozent der Bevölkerung noch unterernährt sind, muss man an dieser Stelle ansetzen und die eigenständige Ernährungssicherung des Landes vorantreiben - wie gesagt auch mit Investitionen, die dann aber im Wesentlichen zugunsten des eigenen Landes verwendet werden sollten.

Das Thema "land grabbing" (Landnahme) wird stark diskutiert, auch in Äthiopien. Glauben Sie, dass sich devisenschwache Länder mit immensen Landressourcen an die 2012 verabschiedeten freiwilligen Guidelines der Vereinten Nationen halten? Oder siegt am Ende nicht Realpolitik, die im Zweifelsfall auch wie in Äthiopien geschehen zu Vertreibungen von Bauern führt?

Aigner: Ich werde dieses Thema ebenfalls offen ansprechen, und ich hoffe, dass sich auch Äthiopien an die Richtlinien hält. Wir haben die Guidelines lange genug mit internationalen Gremien erkämpft und einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Die Produktion von Nahrungsmitteln muss Vorrang haben, gerade in den Ländern, in denen die Unterernährung noch so gravierend ist wie in Äthiopien. Wenn Investitionen zu Vertreibungen führen, muss darauf reagiert werden. Solch eine Entwicklung kann auch nicht im Interesse des jeweiligen Landes sein.

Ilse Aigner (CSU) ist Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Vom 05. bis 11.05.2013 bereist sie Südafrika und Äthiopien.

Das Gespräch führte Ludger Schadomsky.