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Noch mehr Akten vernichtet

Bernd Gräßler18. Oktober 2012

Der Verfassungsschutz wollte nicht vertuschen, als er Akten zum Rechtsextremismus schredderte. So das Bundesinnenministerium nach eigenen Ermittlungen. Doch es fehlen mehr Dokumente als bisher bekannt.

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Der Vorsitzende im NSU-Untersuchungsausschuss, Sebastian Edathy (SPD), steht neben Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Das bewusste Fehlverhalten eines Referatsleiters hat das ganze Amt in Misskredit gebracht“, bedauerte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Klaus-Dieter Fritsche als Zeuge vor dem NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Fritsche versicherte, Vertuschung sei bei den Schlapphüten, die seinem Bundesinnenministerium unterstehen, nicht der Fall gewesen: "Das steht zweifelsfrei fest“.

Die Aktenvernichtung im November 2011, wenige Tage nach dem Auffliegen der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), hatte einen innenpolitischen Skandal ausgelöst , in dessen Verlauf der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Heinz Fromm, vorzeitig seinen Posten aufgab. Fromm hatte damals bereits vor dem Parlaments-Ausschuss ausgesagt, er sei von seinen Beamten getäuscht worden.

Der für die Aktion verantwortliche einstige Referatsleiter des Inlandsgeheimdienstes hatte nicht nur Papiere über das rechtsextremistische Umfeld der Mördertruppe NSU in den Reisswolf geschickt, sondern die Vernichtung auch zurückdatiert.

Er habe die Aufdeckung von Schlamperei befürchtet, so die Lesart des Innenministeriums. Dessen Sonderermittler Hans-Georg Engelke stellt in einem Bericht fest, das Motiv des Beamten habe mit höchster Wahrscheinlichkeit darin gelegen, dass er Nachfragen nach den Unterlagen fürchtete, die bereits lange die vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist überschritten hatten.

"Routinemäßig weiter vernichtet"

Innenstaatssekretär Fritsche warnte im Untersuchungsausschuss des Parlaments davor, die Debatte um die Aktenvernichtung und die Pannen bei der Aufklärung der NSU-Morde an neun Migranten und einer Polizistin weiter zu skandalisieren. Derzeit ergieße sich "beißender Spott und Hohn“ über die Verfassungsschützer, beklagte Fritsche.

Allerdings gab der Bericht des Sonderermittlers den Abgeordneten im Untersuchungsausschuss erneut Anlass zu unangenehmen Nachfragen. Denn wie sich bei Engelkes Nachforschungen herausstellte, sind noch weitaus mehr Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz im Reisswolf gelandet als jene 26 Ordner, an denen sich der Skandal entzündete. Nunmehr ist die Rede von 310 Akten über den Rechtsextremismus, die seit November 2011 gehäckselt wurden. Was genau darin stand, ist unbekannt. Laut Innenministerium könne jedoch "in den meisten Fällen“ eine Querverbindung zu Personen aus dem Umfeld des NSU ausgeschlossen werden. Die Dokumente seien auch nicht gezielt ausgewählt worden, sondern der jährlichen routinemäßigen Vernichtung von Akten und Löschung von Dateien zum Opfer gefallen. Die Parlamentarier im Untersuchungsausschuss überzeugt das nicht. "Warum haben sie nicht schon im November 2011 angeordnet, sofort jede Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungschutz zu stoppen?“ fragte der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy den Vertreter des Bundesinnenministeriums. Eine überzeugende Antwort blieb dieser schuldig.