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Testurteil: unverständlich

18. Juli 2009

Sie gehören zum Wahlkampf wie heisere Politiker und stickige Bierzelte: Die Wahlprogramme der Parteien. Auf 60 bis 200 Seiten haben sie ihre Ziele zusammengefasst. Und dabei manche Stolperfalle für den Leser eingebaut.

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SPD-Parteitag (Foto: AP)
Auf dem Wahlparteitag der SPD: Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier stellt das Programm vorBild: AP

Die Linke will den demokratischen Sozialismus, so viel ist klar. Was genau sie damit meint, dürften allerdings nicht alle Wähler verstehen. Die Ziele der Partei seien ungefähr so verständlich formuliert wie eine politikwissenschaftliche Doktorarbeit, sagen Wissenschaftler der Universität Hohenheim.

Per Computer haben sie die Wahlprogramme der Parteien im Bundestag untersucht. Dabei ging es unter anderem um die Anzahl der Fremdwörter und die Länge der Sätze. Die Linke schneidet besonders schlecht ab, sagen die Forscher. Und zitieren die schrägsten Sätze aus dem Programm.

Dietmar Bartsch (Foto: dpa)
Dietmar Bartsch: Wahlkampfleiter der LinkenBild: picture-alliance/dpa

Agroenergie wie bitte?

"Keine Agroenergie-Importe aus dem Nicht-EU-Ausland und Fokus bei der Biomassenutzung auf der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme." So heißt es auf Seite 15 im Wahlprogramm der Linken.

Auch Wahlkampfleiter Dietmar Bartsch kann diesen Satz nicht auf Anhieb erklären: "Da müsste ich mir sehr viel Mühe geben. Aber eins ist klar: Fürs Wahlergebnis ist das nicht sehr hilfreich."

Politik für Experten

Doch nicht nur die Linke formuliert kryptisch: Bei allen Parteien finden sich Passagen im Programm, die offensichtlich von Fachleuten geschrieben wurden. Und die allenfalls Experten auf Anhieb verstehen. So auch bei der CDU. Zum Beispiel auf Seite 19 des christdemokratischen Wahlprogramms:

Jan Kercher (Foto: Kercher)
Jan Kercher untersucht die Verständlichkeit von PolitikerspracheBild: Jan Kercher

"Für Kreditzusagen an eine nicht konsolidierte Zweckgesellschaft müssen grundsätzlich die gleichen Eigenkapitalvorschriften gelten wie für Aktiva vergleichbaren Risikos in der Bilanz."

Einfach ist schwieriger

Gemeint ist, dass diejenigen, die Geld verleihen, wirklich selbst etwas in der Tasche haben sollten. Das hätte man in der Tat etwas einfacher ausdrücken können, gibt sich der Bonner CDU-Bundestagsabgeordnete Stephan Eisel selbstkritisch.

Glaubt man den Hohenheimer Forschern, dann haben die Grünen und die SPD die verständlichsten Wahlprogramme vorgelegt, dahinter folgen CDU und FDP. Das Rezept sei simpel, sagt Jan Kercher von der Universität Hohenheim: "Kurze Sätze, kläre Sätze, einfache Wörter." Es mache natürlich Mühe, so ein verständliches Wahlprogramm zu formulieren. "Man muss sich dazu in jemanden hineinversetzen, der nicht so viel mit Politik zu tun hat."

Diagramm Wahlprogramme (Quelle: Uni Hohenheim)
Das Ergebnis der Hohenheimer ForscherBild: Universität Hohenheim

Zumutung Wahlprogramm?

Dietmar Bartsch von der Linken hofft, dass die Botschaft seiner Partei trotzdem ankommt. Und tröstet sich damit, dass die Wahlprogramme der Parteien an Bedeutung verloren haben. Viele Bürger informieren sich vorzugsweise auf den Internetseiten der Parteien. Ein Wahlprogramm von vorne bis hinten zu lesen – das mutet sich nur ungefähr einer von hundert Wählern zu.

Autor: Peter Hille
Redaktion: Manfred Götzke