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Ein Parasitenmittel gegen COVID-19?

14. Januar 2021

Eine US-Medizinergruppe rät, das in Lateinamerika gehypte Ivermectin zur Prophylaxe und Behandlung einzusetzen - trotz Zweifeln an der Wirksamkeit.

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Coronavirus - Ivermectin
Bild: Rodrigo Urzagasti/dpa/picture alliance

Allen Empfehlungen und Warnungen zum Trotz wird Ivermectin weiterhin als eine Art "Corona-Wundermittel" gehandelt - vor allem in Lateinamerika. Nachdem australische Forscher im Juni 2020 im Fachjournal "Antiviral Research" berichtet hatten, dass Ivermectin in einer präklinische In-Vitro-Studie, also unter Laborbedingungen, beim Coronavirus SARS-CoV-2 die Viruslast signifikant reduziere, begann ein wahre Hysterie um das Medikament.

Das Medikament dient eigentlich zur Behandlung von parasitären Erkrankungen bei Tieren und bei Menschen, es ist günstig und rezeptfrei verkäuflich. Eingesetzt wird es etwa bei Krätze (Skabies) oder bei Wurmerkrankungen. Die Effekte beruhen auf der Bindung an Chloridkanäle, was zur Lähmung und zum Tod etwa der Krätzmilben und Fadenwürmer führt.

Einige Gesundheitsbehörden sind gegen Einsatz

Ein wirklich belastbarer Nachweis der Wirksamkeit steht allerdings weiter aus, auch wenn es inzwischen laut Clinicaltrials.gov der U.S. National Library of Medicine 41 Studien zu dem Antiparasitikum gibt, von denen 14 bereits abgeschlossen sind.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA raten vom Ivermectin-Einsatz zur COVID-19-Behandlung ab und warnen vor Nebenwirkungen. Weitere Tests seien erforderlich, um festzustellen, ob Ivermectin zur Vorbeugung oder Behandlung von Coronavirus oder COVID-19 geeignet sein könnte.

Auch die südafrikanischen Arzneimittelbehörde SAHPRA riet Ende Dezember 2020 vom Einsatz ab: Es gäbe noch keine bestätigenden Daten zu Ivermectin für den Einsatz bei der Behandlung von Corona-Infektionen. In Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit gäbe es keine Beweise, die den Einsatz von Ivermectin unterstützen, und man habe keine klinischen Studien, die den Einsatz rechtfertigen.

Unterstützungen von US-Intensivmedizinern

Ganz anders bewertet dies jetzt die im März 2020 gegründete "Front Line COVID-19 Critical Care Alliance" (FLCCC) mit Sitz im US-Bundesstaat Wisconsin. Diese Allianz von Intensivmedizinern will evidenzbasierte, fortlaufend optimierte Behandlungsprotokolle für COVID-19 entwickeln. Das Ergebnis klingt in der Tat nach einem Wundermittel, das lange bekannt, fast überall verfügbar und dazu noch preiswert ist.

Nach Auswertung der vorliegenden klinischen Daten kam die FLCCC Mitte Dezember 2020 zu dem Schluss, dass Ivermectin tatsächlich die Viruslast signifikant verringern könne. Zudem könne das Antiparasitikum die Übertragung und Entwicklung von Corona bei Infizierten eindämmen. So soll Ivermectin bei Patienten mit leichtem bis mittlerem Verlauf die Genesung beschleunigen und eine Verschlechterung verhindern, wenn das Medikament unmittelbar nach Auftreten der ersten Symptome eingesetzt wird. Bei schweren Verläufen soll das Medikament die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthaltes reduzieren und die Fallsterblichkeit senken.

Daten und gute Erfahrungen

Die FLCCC verweist neben den Daten auch auf die positiven Erfahrungen mit Ivermectin in mehreren lateinamerikanischen Ländern. So hatten etwa die Gesundheitsbehörden in Peru, Brasilien, und Paraguay zum Teil bereits im vergangenen Mai, also vor der australischen Veröffentlichung, Ivermectin in großem Umfang in der Bevölkerung verteilen lassen.

Der flächendeckende Einsatz habe laut FLCCC Erfolg, denn in den Regionen wie im mexikanischen Chiapas seien die Fallzahlen deutlich gesunken im Vergleich zu Gebieten, wo Ivermectin nicht verteilt worden war.

Coronavirus-Protest in Paraguay
In Paraguay und Peru und anderen lateinamerikanischen Ländern rumort es - auch wegen des Corona-ManagementsBild: picture-alliance/AP Photo/J. Saenz

Ähnliche Beobachtungen wurden laut FLCCC auch außerhalb von Südamerika gemacht, etwa in einigen afrikanischen Ländern. Angesichts dieser Erfolge empfehlen die FLCCC-Intensivmediziner den Einsatz von Ivermectin sowohl zur Prophylaxe als auch zur Behandlung von COVID-19.

Bis sichere und wirksame Impfstoffe in ausreichendem Umfang gerade auch in strukturschwachen und ärmeren Gebieten verfügbar sind, sei Ivermectin eine Alternative. Der flächendeckende Einsatz dieser sicheren, kostengünstigen und effektiven Intervention würde auch bei einem globalen Corona-Anstieg zu einer drastischen Senkung der Übertragungsraten und der Sterblichkeitsrate in leichten, mittleren und sogar schweren Krankheitsphasen führen.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund