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Gesellschaft

Im Schatten der Drogenkartelle

5. Oktober 2016

Seit Jahren kämpfen zwei Rancher für einen besseren Grenzschutz zwischen den USA und Mexiko. Von Donald Trump erhoffen sie sich, dass er das Drogenkartell zurückdrängt, das ihr Land kontrolliert. Ines Pohl aus Arizona.

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USA USA Reportage aus Arizona Jim Chilton und seine Frau
Bild: DW/I. Pohl

Alle paar Meter halten rostige Stahlpfosten den in Viererreihen gespannten Stacheldraht. Aus der Ferne sind sie in der sandigen Hügellandschaft zwischen Kakteen und Wüstengras kaum auszumachen. Nur wer im gleißenden Licht genau hinschaut, entdeckt die vielen kleinen Ausbesserungen im Stacheldraht. Der frische, metallische Glanz verrät sie.
Jim Chilton hat einen kleinen Bauch. Er ist 77 Jahre alt. Und braucht weniger als eine Minute, bis er unter dem Zaun durchgekrochen ist. Und damit die Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten von Amerika überquert hat. Seinen hellen Cowboyhut hängt er dabei an einen der Stahlpfosten. Der Colt bleibt im Halfter am schweren Ledergürtel, immer griffbereit. 
 
Fast nur noch Drogenschmuggler

Tausende Menschen durchqueren jedes Jahr sein Land.Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Sie hinterlassen tonnenweise Plastikmüll. Wenn ihn die Kühe fressen, sterben sie qualvoll. Sie durchschneiden die Zäune und verursachen dadurch weitere Verluste, weil die Kühe ausreißen. "Mittlerweile ist eine der Hauptbeschäftigungen meiner Cowboys, die Zäune zu reparieren." 
Und vor allem sind es immer weniger Menschen auf der Suche nach Arbeit und der Hoffnung auf ein besseres Leben, die über die Grenze kommen. Sondern Drogenschmuggler, die vom Sinaloa Kartell gelenkt werden, einer der brutalsten Verbrecherorganisiationen der Welt. 

USA Reportage aus Arizona Gelände der Chilton Farm
Nicht nur die Rinderzüchter leben auf der Farm gefährlichBild: DW/I. Pohl

"Für normale Arbeitssuchende ist es viel zu gefährlich geworden, die Grenze zu überqueren", erklärt Jim. Auch sie würden gezwungen, Drogen zu transportieren. Jim zeigt Fotos von Sträuchern, an denen Unterwäsche von Frauen hängt. "Das sind die Trophäen, die die Verbrecher aufhängen, nachdem sie ihre Opfer vergewaltigt haben, manchmal tagelang." Seine stahlblauen Augen verengen sich bei diesem Satz zu kleinen Schlitzen. "Es ist Unrecht, was hier auf meinem Land, was hier in Amerika passiert."
 
Seit fünf Generationen Rancher

Seit 1987 bewirtschaftet er mit vier festangestellten Cowboys seine 20.000 Hektar große Ranch. Das sind über 28.000 Fußballfelder und ist auch für US-Verhältnisse viel Land. 800 Hektar gehören ihm und seiner Frau Sue, der Rest ist vom Staat gepachtet. Das ist üblich in dieser Grenzregion in Arizona. Er besitzt eine Herde von knapp 1000 Kühen. Das meiste Geld verdient der ehemalige Investmentbanker mit Uni-Abschlüssen in Betriebs- und Politikwissenschaft mit dem Verkauf von Jungvieh. 
 
Chilton war knapp 50, als er sich entschied, die Familientradition fortzusetzen und sein bisheriges Leben in der Politik- und Bankenwelt aufzugeben. Seit fünf Generationen sind die Chiltons Viehzüchter. 1888 trieben die Vorväter die erste Herde durch Arizona. Einer der Hauptgründe, warum die Wahl auf diese Farm 110 Kilometer südwestlich von Tucson fiel, sind die vielen Quellen auf dem Land. "Wasser ist das wichtigste in der Kuhzucht." Vor fast 30 Jahren machte Jim Chilton sich keine Gedanken darüber, dass die Grenze zu Mexiko nur 16 Kilometer von seiner Ranch entfernt liegt und sein Land auf einer Länge von acht Kilometern direkt an die Grenze stößt. Heute bestimmt diese Nähe zur internationalen Landesgrenze sein Leben.

USA Reportage aus Arizona Cowboys  auf der Chilton Farm
Vier festangestellte Cowboys kümmern sich um knapp 1000 RinderBild: DW/I. Pohl

In den Sommermonaten brutale Hitze

 "Von Anfang an gab es Mexikaner, die die Grenze überquerten, um in den USA zu arbeiten. Das hat uns nie gestört. Wenn wir ihnen begegneten, haben wir ihnen Wasser gegeben und gezeigt, wo weitere Wasserstellen auf dem Weg durch unser Land waren", sagt Jim. In den Sommermonaten werden im Schatten um die 40 Grad gemessen. Wie seine Frau Sue wiederholt er immer wieder den Satz: "Es soll ja niemand auf unserem Land sterben." Beide gehen regelmäßig in den katholischen Gottestdienst. Die 74-jährige Sue dirigiert den Kirchenchor. Bis heute hat er kleine Fontänen an den 20 Wassertrögen für sein Vieh installiert, an denen die Menschen trinken und ihre Wasserflaschen auffüllen können. Auch wenn für ihn die Situation schon lange nicht mehr akzeptabel ist. 

Viele Nachbarn haben aufgegeben

USA Reportage aus Arizona Jim Chilton
Rancher Chilton installiert Wasserstellen für die IllegalenBild: DW/I. Pohl

Seit Jahren kämpft er mit seinen Nachbarn für einen ordentlichen Grenzschutz. "Schon lange bevor Donald Trump von einer Mauer gesprochen hat, haben wir das gefordert." Immer mehr seiner Nachbarn haben inzwischen aufgegeben. Glauben nicht mehr daran, dass sich etwas ändert. Dass endlich vernünftige Straßen entlang der Grenze gebaut werden, Posten in der Nähe zur Grenze besetzt werden, damit es nicht drei oder vier Stunden dauert, bis die Beamten da sind, wenn sie gerufen werden oder die Überwachungskameras lange Schlangen von schwer bepackten und mit AK-47-Gewehren bewaffneten Männern zeigen, die sich durchs Gelände schlängeln.

Die Freunde haben ihre Farmen verkauft, für die Hälfte des eigentlichen Wertes, froh, dass sie überhaupt einen Abnehmer gefunden haben. Meist ist der Staat der Käufer, weil keine Privatperson das Risiko eingehen will.

Sich mit der Drogenmafia anzulegen kann tödlich enden. Zwei befreundete Familien mussten das erfahren. Rob Krentz und Larry Link seien erschossen worden, nachdem sie Drogenfunde gemeldet hatten. Jim erzählt, er selbst habe vorsichtshalber für einige Zeit seine Ranch verlassen, nachdem er auf eine Gruppe Drogenschmuggler gestoßen war und die zurückgelassene Ware gemeldet hatte. 
"Ich musste meine Waffen noch nie einsetzen, aber ich weiß, warum ich immer mindestens ein Gewehr dabei habe."  

USA Reportage aus Arizona Gelände der Chilton Farm
Drogenschmuggler nutzen das unübersichtliche Farmgelände Bild: DW/I. Pohl

Keine Hilfe aus Washington

Die Gegend ist unübersichtlich, die vielen Canyons bieten besten Schutz für die Schmuggler mit ihren großen, bis zu 30 Kilo schweren Rucksäcken voller Marihuana, Kokain oder Heroin. Zudem, erklärt Jim, hat das Kartell überall Wachposten aufgestellt, die mit bester Ausrüstung das Gelände überwachen und die Schmuggler warnen. Einmal, erzählt er, sei er zufällig auf einen solchen Scout gestoßen. Auf der Flucht habe der sein Funktelefon fallen lassen. "Es war über 2500 Dollar wert, die sind doch besser ausgestattet als unsere staatlichen Grenzschützer."

Das Sinaloa Kartell habe die totale Kontrolle über das Land übernommen. "Wenn ich hier draußen unterwegs bin, fühle ich mich wie in einem besetzten Land", sagt Jim und schaut auf seine Füße, die in handgenähten Cowboyboots stecken.

Viele Jahrzehnte waren er und seine Frau stramme Demokraten, nach der Uni hatte Jim sogar für den demokratischen Senator Carl Hayden gearbeitet. In diesem Jahr bekommt Donald Trump die Stimme der Chiltons. "Wir finden nicht alles gut, was er sagt und macht. Aber er wird sich um uns kümmern. Das Washington von Hillary Clinton hat uns schon lange aufgegeben."

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl