RAF-Mord an Buback
5. September 2009Die linksextremistische "Roten Armee Fraktion" (RAF) sagte der Bundesrepublik in den 1970er Jahren den Kampf an. Mehr als 30 Menschen starben bei Anschlägen der RAF, darunter der damalige Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Er und zwei Begleiter wurden 1977 in Karlsruhe erschossen. Die genauen Umstände der Tat konnten nie vollständig aufgeklärt werden.
Neues Ermittlungsverfahren
Für Wirbel sorgt nun die Verhaftung der Ex-Terroristin Verena Becker, deren mögliche Beteiligung an dem Anschlag in der Vergangenheit immer wieder diskutiert wurde. Außerdem soll Becker mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet haben und Hinweise zur Festnahme der führenden Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar gegeben haben. Außerdem soll sie Stefan Wisniewski als Todesschützen benannt haben. Für ihre Informationen habe sie damals 100.000 Mark erhalten.
Die Bundesanwaltschaft hat nun die Freigabe der Akten, die für Aufklärung sorgen könnten, beantragt. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte, allein die Vorstellung, dass der Staat mit einer Terroristin kooperiert haben könnte, sei extrem belastend.
Verena Becker wurde bereits 1974 wegen eines Bombenanschlags mit Todesfolge auf einen britischen Yachtclub in Berlin verurteilt und musste wegen der Schießerei bei ihrer Festnahme 1977 eine lebenslange Haftstrafe antreten. Von dieser wurde Becker allerdings nach zwölf Jahren vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker begnadigt.
Rolle der Ex-Terroristin noch unklar
Spekulationen über die Rolle Beckers im Mordfall Buback gab es von Anfang an. Denn obwohl man bei ihr die Tatwaffe fand, wurden andere Terroristen für diesen Anschlag verurteilt. Dass Becker nun erneut verhaftet wurde, begründet die Bundesanwaltschaft mit dem Auffinden von DNA-Spuren am Bekennerschreiben. Eine späte Entdeckung, 32 Jahre nach dem Attentat, die Zweifel aufkommen lässt, ob alle Fakten auf den Tisch gelegt worden sind.
Die Freigabe der Verfassungsschutz-Akten sei schon zum dritten Mal beantragt worden, denn bereits 1982 und 2007 habe die Strafverfolgungsbehörde Einblick erhalten, teilte der Sprecher des Innenministeriums, Stefan Paris, mit. Ein Sperrvermerk sorge jedoch dafür, dass die Akte nicht gerichtsverwertbar werde. Auch wenn die Strafverfolgungsbehörde die Kenntnis über das habe, was in der Akte stehe, könne sie es in keinem Verfahren verwenden.
Das soll nach dem Willen der Bundesanwaltschaft dieses Mal anders sein. Das Innenministerium muss nun abwägen zwischen dem Interesse des Verfassungsschutzes auf Geheimhaltung und dem Interesse des Staates an Strafverfolgung. Geheimdienste hätten naturgemäß kein Interesse an allzu viel Transparenz, ließ Ministeriumssprecher Paris durchblicken. Er meint, wenn man nun damit anfange, Quellen-Informationen öffentlich zu machen - auch wenn diese lange Zeit zurücklägen – würde man in Zukunft das Problem haben, dass der Geheimdienst in der Quellen-Anwerbung nicht mehr derart erfolgreich sein könne.
Für Aufsehen sorgte in dieser Woche eine Dokumentation des ARD-Fernsehens, in der sich erstmals ein ehemaliger Verfassungsschützer zum Buback-Mord äußerte. Der Terror-Experte Winfried Ridder widersprach Mutmaßungen, Verena Becker könnte schon zum Zeitpunkt des Attentats Mitarbeiterin des Geheimdienstes gewesen sein und betonte, eine menschliche Quelle zu platzieren, sei den Nachrichtendiensten 1977 nicht gelungen. Wäre dies der Fall gewesen, so Ridder, wäre dem Land vieles erspart geblieben. Außerdem bestätigt der ehemalige Geheimdienstler in der TV-Dokumentation indirekt die Zalung der 100.000 Mark an Verena Becker: Es gehöre zu den Grundsätzen nachrichtendienstlicher Arbeit, die Zusammenarbeit mit einem Nachrichtendienst auch zu honorieren.
Notizbuch findet keine Beachtung
Für Erstauen sorgt nun auch, dass ein Notizbuch Verena Beckers keine Berücksichtigung fand, obwohl sich darin Namen potentieller Terror-Opfer fanden. Dem Vorwurf, nach dem Attentat auf Buback und seine Begleiter nicht alle Spuren verfolgt zu haben, trat der damalige Ankläger Joachim Lampe in der TV-Dokumentation entgegen und sagte, er habe in dem Strafverfahren keinen Anlass gesehen, diese Notizen als Spur zu bewerten und ihnen weiter nachzugehen.
Michael Buback, der Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts, ist inzwischen fest davon überzeugt, dass Verena Becker die tödlichen Schüsse auf seinen Vater abgegeben hat und dass staatliche Stellen von vorneherein im Bilde waren. Der Gedanke ließe sich einfach nicht mehr verdrängen, so Buback, dass es einen Schutz oder eine Deckung gegeben habe. So viele Fehler könnten gute Ermittler nicht machen.
Der Vorwurf ist schwerwiegend. Und weil der Staat mehr denn je im Verdacht steht, mit Terroristen zusammengearbeitet zu haben, wächst der Druck auf das Innenministerium, die Verfassungsschutzakten freizugeben. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will in der kommenden Woche darüber entscheiden, ob er die Verfassungsschutzakten zum Mordfall Buback freigibt.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Annika Kalle