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Politik

700.000 Menschen aus Idlib geflohen

30. Januar 2020

Die Gewalt in der syrischen Region Idlib eskaliert weiter. Offenbar wurde erneut ein Krankenhaus bombardiert. Hunderttausende Menschen haben sich auf den Weg zur türkischen Grenze gemacht.

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Mit Habseligkeiten beladene Fahrzeuge nahe der Stadt Sarmada in Idlib
Mit Habseligkeiten beladene Fahrzeuge nahe der Stadt Sarmada in IdlibBild: Reuters/K. Ashawi

Angriffe der syrischen Armee auf Rebellengebiete im Norden des Landes treiben nach Aussage eines US-Diplomaten 700.000 Menschen in die Flucht in Richtung türkische Grenze. Unterstützt von der russischen Luftwaffe habe das syrische Militär in den vergangenen Tagen in der Region Idlib große Geländegewinne gemacht, sagte der US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey. In den vergangenen drei Tagen habe es 200 Luftangriffe "vor allem gegen Zivilisten" gegeben. Jeffrey warnte vor einer internationalen Krise.

Die Zahl von 700.000 Vertriebenen ist deutlich höher als die Angaben der Vereinten Nationen. Den UN zufolge sind seit Anfang Dezember fast 390.000 Menschen vor der Gewalt geflohen. In den vergangenen zwei Wochen seien rund 40.000 Menschen vertrieben worden, hieß es.

Verstopfte Fluchtroute bei Sarmada in Idlib
Verstopfte Fluchtroute bei Sarmada in IdlibBild: Reuters/K. Ashawi

Die Welthungerhilfe warnte, die Versorgungslage der Bürgerkriegsflüchtlinge im Nordwesten Syriens werde immer dramatischer. "Die überfüllten Flüchtlingscamps versinken buchstäblich im Schlamm", berichtete der zuständige Programmkoordinator Halil Kurt. "Die provisorischen Behausungen bieten wenig Schutz gegen den Frost in der Nacht." Regen, Kälte und Hunger setzten den Menschen zu.

Die syrische und die russische Regierung betonen, sie kämpften vor allem gegen islamistische Gruppen in der Region Idlib. Menschenrechtsgruppen kritisieren dagegen, dass viele Krankenhäuser und Schulen bei den Angriffen getroffen worden seien. So starben Aktivisten zufolge auch jetzt wieder mindestens zehn Zivilisten bei Luftangriffen auf eine Klinik. Das Krankenhaus in der Stadt Ariha sei direkt getroffen worden und nun außer Betrieb, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Sie machte die russische Luftwaffe für die Bombardierung verantwortlich. Oppositionsmedien zufolge wurden Dutzende Menschen verletzt.  Die Gesundheitsbehörde in Idlib erklärte, nach dem Angriff auf die Klinik in Ariha gebe es im gesamten südlichen Teil des Gebietes keine medizinischen Versorgungspunkte mehr.

Ein syrische Panzer bei Tall Abyad im Südwesten Aleppos
Ein syrische Panzer bei Tall Abyad im Südwesten AlepposBild: Getty Images/AFP

Die Bundesregierung verurteilte die zunehmenden Angriffe auf die zivile Infrastruktur in Idlib und forderte eine sofortige echte Waffenruhe. Das syrische Regime und seine Verbündeten müssten den Schutz von Zivilsten garantieren und das humanitäre Völkerrecht einhalten, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Russland wies die Vorwürfe zurück. Die russische Luftwaffe sei in diesem Gebiet Syriens nicht im Einsatz, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Bei Berichten über russische Angriffe auf ein Krankenhaus handele es sich um eine "Provokation".

Russland ist im syrischen Bürgerkrieg ein wichtiger Verbündeter der Regierung. Die Armee und ihre Verbündeten hatten im vergangenen Jahr eine Offensive auf die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten des Landes begonnen. Es ist nach fast neun Jahren Bürgerkrieg das letzte große Rebellengebiet. Kontrolliert wird es von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS).

Regierungstruppen in der eingenommenen Stadt  Marat al-Numan
Regierungstruppen in der eingenommenen Stadt Marat al-NumanBild: Getty Images/AFP/L. Beshara

Die Gewalt hatte zuletzt zugenommen. Sie ging auch weiter, nachdem Russland vor drei Wochen eine neue Waffenruhe verkündet hatte. In dieser Woche nahmen die Regierungstruppen die strategisch wichtige Stadt Marat al-Numan ein. Sie wollen jetzt offenbar weiter Richtung Norden vorrücken und die Hauptverbindungsstraße zwischen der nordsyrischen Stadt Aleppo und der Hauptstadt Damaskus vollständig unter ihre Kontrolle bringen. Die Rebellen zogen nach eigenen Angaben Kräfte zusammen, um den Vormarsch zu stoppen.

stu/kle (rtr, dpa, afp, kna)