1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Türkei: Kampagne für Pressefreiheit

Daniel Heinrich
7. Juni 2018

Die Lage der Pressefreiheit in der Türkei ist schlecht. Eine Kampagne ruft nun weltweit dazu auf, ein Abo für verbliebene unabhängige Zeitungen abzuschließen. Die Initiatoren möchten türkische Journalisten unterstützen.

https://p.dw.com/p/2z46B
Symbolbild Pressefreiheit in der Türkei
Bild: picture-alliance/Zumapress

Das "International Press Institute" (IPI) ist die weltweit älteste Organisation zur Stärkung der Pressefreiheit. Befragt nach der Situation der Pressefreiheit in der Türkei nimmt die Geschäftsführerin, Barbara Trifoni, kein Blatt vor den Mund: "Der unabhängige Journalismus in der Türkei kämpft ums Überleben". Trifoni und ihre Kollegen wollen der Not vieler ihrer türkischen Kollegen nicht mehr tatenlos zusehen. Zusammen mit einer ganzen Reihe von Organisationen, die sich für Meinungsfreiheit einsetzen, hat das IPI nun die "I Subscribe"- Kampagne (dt.: "Ich abonniere") ins Leben gerufen. Die Kampagne möchte mit Hilfe einer Online-Initiative Leser weltweit dazu bringen, ein Abo für eine der wenigen verbliebenen unabhängigen türkischen Zeitschriften abzuschließen. Ein paar Klicks auf der eigens eingerichteten Homepage reichen dafür aus.

Das Projekt wird unter anderem von der pan-europäischen Journalistenorganisation "Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit" (ECPMF), "P.E.N. International", einem der weltweit bekanntesten Autorenverbände, sowie dessen deutschem Ableger, "P.E.N Zentrum Deutschland", unterstützt.

Auch Rebecca Harms unterstützt die Initiative. Gegenüber der DW zeigt sich die Grünen-Politikerin, die sich unter anderem im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (AFET) des Europaparlaments engagiert, schockiert über die Situation von Journalisten und Medienschaffenden in der Türkei: "Sehr viele sind bereits zu langjährigen oder lebenslänglichen Gefängnisstrafen verurteilt. Viele sind ins Exil gegangen, aber leben auch dort weiter in Angst. Unabhängiger Journalismus findet nur noch in Nischen statt. Immer wieder haben mir Journalistin in der Türkei erklärt, dass es selbst unter den Militärregimen nicht so hart gewesen sei."

Großer Einfluss der Regierung auf Medien

Wie dramatisch die Entwicklung ist, verdeutlicht ein Blick auf die Zahlen. Nach Angaben der Online-Plattform "turkey purge", einer Homepage türkischer Journalisten, die fortwährende Updates über die Verhaftungswelle in der Türkei liefert, befinden sich derzeit 319 Journalisten in Haft. 189 Medienanstalten seien seit dem Putschversuch im Sommer 2016 geschlossen worden.

Rebecca Harms Vorsitzende der Fraktion Grüne im Europäischen Parlament
Rebecca Harms setzt sich für "I-Subscribe" einBild: DW/B. Riegert

Erst im März machte die Übernahme einer der größten Mediengruppen des Landes, der Dogan-Gruppe, Schlagzeilen. Die Dogan-Gruppe, zu der neben dem TV-Sender CNN Türk die auflagenstarke Zeitschrift "Hürriyet", deren englische Ausgabe "Hürriyet Daily News", die Zeitung "Posta", das Sportblatt "Fanatik" und der Fernsehsender "Kanal-D." gehörte, galt als regierungskritisch. Dem Käufer hingegen, der Demirören-Holding, wird eine enge Verbindung zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nachgesagt.

Die Einflussnahme betrifft nicht nur private Medien. Wie sehr auch staatliche Medienanstalten zum Vorteil des Regierungsapparates agieren, konnte man beispielsweise im Zuge der letzten Parlamentswahlen im November 2015 erleben. Erdoğan und seine Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung  (AKP) bekamen vom staatlichen Rundfunk- und Fernsehrat (RTÜK) alleine im letzten Monat vor der Wahl 100 Stunden Sendezeit zur Verfügung gestellt. Alle Oppositionsparteien kamen zusammen nicht einmal auf ein Viertel dieser Zeit.

Wie eng die Verbindung von Regierungsapparat und Medienanstalten ist, hält IPI in einer schriftlichen Pressemitteilung fest: "Rund 90 Prozent der Medien im Land", heißt es dort ebenso trocken wie eindeutig, "stehen unter dem Einfluss der Regierung".

Cumhuriyet im Fokus von I-Subscribe

Im Zentrum der "I Subscribe"- Kampagne steht zu Beginn zunächst die überregionale Tageszeitung Cumhuriyet, die 1924 gegründet wurde und zu den ältesten Zeitungen des Landes gehört. Dass selbst ein solches Traditionshaus nicht vor staatlichen Übergriffen gefeit ist, wurde erst im Frühjahr dieses Jahres deutlich. Trotz heftiger internationaler Kritik waren im April mehrjährige Haftstrafen gegen führende Mitarbeiter verhängt worden. Insgesamt 15 Mitarbeiter der Zeitung wurden verurteilt, darunter auch der Herausgeber Akın Atalay, Chefredakteur Murat Sabuncu und der prominente Investigativjournalist Ahmet Şık. Der gegen sie erhobene Vorwurf "Unterstützung von Terrororganisationen" dient in der Türkei regelmäßig dazu, Regierungskritiker und Oppositionelle mundtot zu machen.

Türkei Cumhuriyet Journalists In Terror Trial - Istanbul
Aktivisten protestieren 2017 in Istanbul während der Gerichtsverhandlung gegen Mitarbeiter der Zeitung CumhuriyetBild: picture alliance/dpa/abaca/C. Erok

Die Außenpolitikerin Rebecca Harms hofft, dass die "I Subscribe" - Kampagne der angeschlagenen Zeitung wieder auf die Beine hilft. Gegenüber der DW wirbt sie für die Initiative:

"Ich bin glücklich darüber, dass mein Abonnement dazu beitragen kann, die mutige Arbeit der Cumhuriyet fortzusetzen. Gerade in Zeiten, in denen die Zeitung Sponsoren und Werbepartner verliert. Ich hoffe, dass wir möglichst viele Menschen davon überzeugen können, die Cumhuriyet zu abonnieren. Es dient der freien Presse, dem Recht, der Meinungsfreiheit. Es ist ein Abo für Freiheit und Demokratie".

Barbara Trifoni, die Geschäftsführerin von IPI, freut sich über die lobenden Worte und die internationale Unterstützung. "Ein Abo für ein unabhängiges Medienhaus abzuschließen, ist ein konkreter Schritt. Die Menschen können helfen, egal wo in der Welt sie sich aufhalten."

Absturz in der Rangliste der Pressefreiheit

Es wird sich zeigen, ob Barbara Trifoni und ihre Mitstreiter mit ihrem Anliegen Erfolg haben werden; der Zeitpunkt für die Kampagne scheint mehr als reif. Wie die internationale Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) berichtet, werden auch am Ende dieser Woche wieder Urteile gegen mehrere Journalisten erwartet. Sie hatten für die konservative, regierungskritische Zeitung Zaman berichtet. Das Blatt war bis zu seiner Schließung 2016 die auflagenstärkste Tageszeitung des Landes.

Die über die Jahre immer stärkere Gängelung der Presse spiegelt sich auch im internationalen Vergleich wider: Seitdem die AKP von 2002 an in der Türkei die Regierung stellt, hat sich die Pressefreiheit im Land immer weiter verschlechtert. 2002 rangierte die Türkei auf dem weltweiten Index der Pressefreiheit von ROG noch auf Rang 99. Heute, im Jahr 2018, listen die Experten das Land auf Rang 157 von 180 Staaten.