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Deutsche Ganztagsschulen - ein Flickenteppich

28. April 2016

Rund 60 Prozent der deutschen Schulen bieten mittlerweile einen Ganztagsbetrieb an - Tendenz steigend. Doch die Lernchancen in derlei Einrichtungen sind einer neuen Studie zufolge in Deutschland völlig ungleich verteilt.

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Die Mensa der Kooperativen Gesamtschule in Neustadt am Rübenberge in Niedersachsen (Foto: picture-alliance/dpa/A. Körner)
Die Mensa der Kooperativen Gesamtschule in Neustadt am Rübenberge in NiedersachsenBild: picture-alliance/dpa/A. Körner

Die Rahmenbedingungen unterschieden sich stark sowohl zwischen den 16 Bundesländern als auch zwischen den Schulstufen, heißt es in einer in Gütersloh veröffentlichten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung. Nur das Saarland und Berlin bieten demnach ein gutes Verhältnis zwischen zusätzlicher Lernzeit und entsprechender Personalausstattung in allen Schulstufen gebundener Ganztagsschulen. Einen ähnlich guten Qualitätsrahmen kann Rheinland-Pfalz den Angaben zufolge für die Sekundarstufe I vorweisen. Dagegen ist der Ganztag in Bremen und Thüringen vergleichsweise schlecht ausgestattet.

"Wo Ganztag drauf steht, ist nicht immer Ganztag drin"

Zusätzliche Lernzeit und pädagogische Ausstattung seien in den meisten Bundesländern nicht aufeinander abgestimmt, beklagen die Autoren der Studie. So liege etwa bei den Grundschulen die geringste Abdeckung der Mehrstunden durch weitere Lehrkräfte bei 22 Prozent in Bremen und Hessen. Bei der Sekundarstufe I der Gymnasien nimmt Thüringen mit 20 Prozent den letzten Platz ein. Sachsen-Anhalt verfügt hier zwar über die höchste Abdeckung, allerdings bei sehr wenig zusätzlicher Lernzeit.

Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung (Foto: imago)
Jörg Dräger vom Vorstand der Bertelsmann-StiftungBild: imago

"Wo in Deutschland Ganztag drauf steht, ist leider nicht immer Ganztag drin", sagte Jörg Dräger vom Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Er forderte bundesweite Mindeststandards für Ganztagsschulen, um gleichwertige Lernchancen zu ermöglichen. Wichtig ist für ihn überdies, "dass wir eine pädagogische Diskussion über die vernünftige Ausstattung führen".

Dräger bemängelte zugleich eine fehlende Transparenz beim Einsatz der finanziellen Mittel. Der Bund zahle für die Gebäude, die Länder für das pädagogische Personal und die Kommunen seien für die Betreuung der Schüler am Nachmittag zuständig. Unter diesen Bedingungen an vergleichbare Daten zu kommen, sei "extrem anspruchsvoll" gewesen, so Dräger.

An weiterführenden Schulen schlechter als an Grundschulen

Für ihre Studie nahmen der Bildungsforscher Klaus Klemm und der Stiftungsexperte Dirk Zorn ausschließlich die gebundenen Ganztagsschulen unter die Lupe. Hier besuchen alle Kinder an mindestens drei Tagen verpflichtend für sieben Unterrichtsstunden die Schule. Offene Ganztagsschulen mit freiwilligen Nachmittagsangeboten blieben außen vor. Derzeit gibt es rund 6.300 gebundene Ganztagsschulen in Deutschland - mit steigender Tendenz.

Klemm und Zorn verglichen die gesetzlichen Vorgaben der Bundesländer für den Ganztagsbetrieb an Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I. Die Ausstattung mit zusätzlichen zeitlichen und personellen Ressourcen sei an den weiterführenden Schulen durchschnittlich schlechter als an den Grundschulen, hieß es. Während die zusätzliche Lernzeit an Ganztagsgrundschulen durchschnittlich 14 Stunden pro Woche betrage, seien bei den weiterführenden Schulen lediglich acht Stunden mehr vorgesehen.

Bildungsforscher Klaus Klemm (Foto: privat)
Bildungsforscher Klaus KlemmBild: privat

Dabei sind laut der Studie die Unterschiede zwischen den Bundesländern groß. Die zusätzliche Zeit an den Grundschulen, die über den Unterricht hinaus zum Lernen zu Verfügung steht, reicht von rund acht Stunden in Thüringen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen bis zu 22 Stunden in Hessen. Auch bei den 5. bis 10. Klassen liegt Hessen mit 16 Stunden vorn. Mit rund vier Stunden bilden Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Schlusslichter, wie es hieß.

Die Zahl qualifizierter Pädagogen im Ganztag variiert ebenfalls stark: Klassen an Grundschulen erhalten demnach im Durchschnitt zusätzliches Personal für zwölf Wochenstunden, an weiterführenden Schulen für fünf. Die Spannweite zwischen den Bundesländern reicht hier bei den Ganztagsgrundschulen von drei zusätzlichen Wochenstunden in Bremen bis zu knapp 32 im Saarland. In der Sekundarstufe I teilt sich das Saarland die Spitze mit Berlin und Rheinland-Pfalz, die je auf zehn zusätzliche Stunden an Lernzeit kommen. Am Ende der Skala liegt erneut Bremen gemeinsam mit Sachsen und Thüringen mit einer bis anderthalb Wochenstunden mehr.

sti/mak (afp, dpa, epd, kna)