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PolitikAsien

Solidarität mit iranischem Ringer

Shabnam von Hein
9. September 2020

Weltweit setzen sich Menschen für den zum Tode verurteilten Navid Afkari ein, darunter auch deutsche Sportler. Laut iranischer Justiz soll der Ringer einen Beamten getötet haben - doch viele bezweifeln das.

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Iran Ringer Navid Afkari zu tode verurteilt
Navid AfkariBild: rokna

Nachdem die Mutter des zum zu Tode verurteilten iranischen Ringers Navid Afkari in sozialen Medien auf das Schicksal ihres Sohnes aufmerksam gemacht hatte, melden sich jetzt auch international Stimmen der Solidarität zu Wort.

"Rettet Navid Afkari" fordert etwa der dreimalige deutsche Weltmeister im Ringen, Frank Stäbler, via Instagram. "Die Ringer-Familie und die globale Sport-Gemeinschaft stehen hinter ihm. Wir kämpfen zusammen, um für Navid und seine Familie Gerechtigkeit zu bekommen." 

Zuvor hatte die deutsche Ex-Weltmeisterin Aline Rotter-Focken auf ihrem Facebook Account geschrieben: "Die Ringer-Gemeinschaft hat eine Verantwortung, sich einzusetzen. Bitte rettet Navid." 

Kalte "Mörder" und verzweifelte Angehörige

Die iranischen Behörden hatten vergangenen Freitag eine Sendung mit dem Geständnis Navid Afkaris angekündigt. Dies offenbar als Reaktion auf die Welle der Empörung und Solidarität infolge des Appells der Mutter an die iranische Öffentlichkeit.

In dem Fernsehbeitrag am vergangenen Samstag von knapp elf Minuten Länge werden Navid und seine beiden Brüder zum Tatort gebracht. Auf der Straße erzählen sie, dass sie nicht gefoltert wurden und beantworten Fragen darüber, wie sie - angeblich - ihr Opfer getötet haben. Sie wirken kühl und abwesend.

Auch die Familie und Kollegen des Getöteten kommen zu Wort, im Unterschied zu den Verurteilten sehr emotional. Der Vater des Opfers erzählt unter Tränen, wie sehr er seinen Sohn vermisse. Die Kollegen beschreiben den Getöteten als sanftmütig und freundlich. Im Übrigen werden in dem Fernsehbeitrag keine Fakten und keine Zeugen präsentiert. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen werden keine Angaben gemacht.

Navid Afkari Iran Demonstrant Todesurteil
Todesurteil gegen Navid AfkariBild: UGC

Video der Mutter erzeugt Wirkung

Die drei Brüder waren im Herbst 2018 nach Demonstrationen in der südiranischen Stadt Schiras verhaftet worden. Navid Afkari wurde zweimal zum Tode verurteilt. Er soll gestanden haben, aus persönlichen Gründen - welche das sein sollen, wird im Fernsehbeitrag nicht erläutert - einen Beamten getötet zu haben. Laut einem ursprünglich auf der iranischen Nachrichtenagentur "Fars News" veröffentlichten, inzwischen aber von der Internetseite der Agentur gelöschten Bericht war der Beamte damit beauftragt, Demonstranten zu identifizieren. 

Der Fall des zum Todes verurteilte Ringers und seiner zwei zu langen Haftstrafen (54 beziehungsweise 27 Jahre) verurteilen Brüder hat nach dem Hilferuf ihrer Mutter in sozialen Netzwerken die Menschen im Iran aufgewühlt. Nicht nur viele einfache Bürger sondern renommierte Ringer und Sportler fordern nun die Überprüfung des Falls. Auch US-Präsident Donald Trump hat die iranische Führung in einem Tweet aufgefordert, Afkari nicht hinzurichten.

Verhörexperten als "Journalisten"

Die iranische Justiz weist alle Forderungen zurück. Das Ausland solle nicht einen Mörder aus politischen Erwägungen heiligsprechen, einen Täter nicht zum Opfer machen und auch nicht die Rechte des Opfers und seiner Familie ignorieren. 

Das Vorgehen der Justiz im Fall von Navid Afkari wirft große Zweifel daran auf, dass der Ringer gerecht behandelt wurde, nicht nur weil er und seine Brüder keinen Anwalt hatten und sich vor Gericht selbst verteidigen mussten. Beweise dafür, dass Navid Afkari der Mörder sei, wurden bislang nicht vorgelegt.

Der Fernsehbeitrag und das Geständnis Afkaris wurden vom Team der der Nachrichtensendung "20 Uhr 30" des iranischen Staatsfernsehens produziert. Ein Team, das unter iranischen Usern als "Verein der Verhörer" bekannt ist.

Die Aktivistin für Arbeiterrechte, Sepideh Gholian, hatte im vergangenen Jahr eine Reporterin dieser Sendung angeklagt. Sie sei gezwungen worden, einen Text zu verlesen, den die Reporterin für sie geschrieben habe. Letztere habe auch über die vertraulichen Informationen aus ihrer Akte Bescheid gewusst, noch bevor ihr Anwalt die Akte lesen durfte. Die inzwischen 25-jährige Studentin war im November 2018 während eines Arbeiterprotests in der Provinz Chusestan festgenommen worden.

Sepideh Gholian
Aktivistin für Arbeiterrechte Sepideh GholianBild: Bidarzani

Geständnisse im iranischen Fernsehen normal

Laut einem Bericht der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH) von Juli 2020 hat das iranische Staatsfernsehen in den vergangenen zehn Jahren mindestens 355 durch Folter erzwungene "Geständnisse" ausgestrahlt.

So auch das von Masiar Ebrahimi. Er wurde 2012 vom iranischen Geheimdienst verhaftete und monatelang gefoltert, um schließlich vor Fernsehkameras zu gestehen, einen iranischen Atomwissenschaftler getötet zu haben. Ebrahimi hatte Glück. Er wurde 2014 freigelassen, nachdem eine andere Regierungsbehörde herausgefunden hatte, dass die Anschuldigungen gegen ihn und 52 weitere vom Geheimdienstministerium verhaftete Männer erfunden waren. Das Ministerium stand damals unter enormem Druck, die Hintermänner von Attentaten auf vier Wissenschaftler zu finden, die an der Entwicklung des iranischen Atomprogramms beteiligt waren. Schließlich hatte man einfach eine Reihe unschuldiger Männer verhaftet und zu Geständnissen gezwungen.

Resonanz in der Öffentlichkeit nicht die gewünschte

Ebrahimi, der jetzt in Deutschland lebt, meldete sich unmittelbar nach dem "Geständnis" von Navid Afkari im iranischen Staatsfernsehen mit einem Video in sozialen Netzwerken: "Für seine erzwungenen Geständnisse hat dieses Team anscheinend nur ein Drehbuch, das sich mit unterschiedlichen Gefangenen wiederholt. Diese unverschämten Lügen machen mich fassungslos."

Auch andere Reaktionen in soziale Medien im Iran zeigen, dass viele keine Zweifel haben, dass Navid Afkari und seine Brüder unschuldig sind.

Am Montag (7.9.2020) berichtete die Familie von Navid Afkari von einem Telefonat mit ihm aus dem Gefängnis. Er und seine Brüder seien zusammengeschlagen worden und erhielten nun keine Erlaubnis, vom Gerichtsmediziner untersucht zu werden.